Walter-Lübcke-Demokratie-Preis 2020 vergeben

Bouffier: „Unsere drei Preisträger setzen sich herausragend und eindrucksvoll für die Demokratie ein“

Ministerpräsident Volker Bouffier hat Dunja Hayali, das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und Rassismus – für demokratische Kultur in Hessen e.V. (auf dem Foto vertreten von Christopher Vogel) und Robert Erkan mit dem Walter-Lübcke-Demokratie-Preis geehrt. (v.l.) Foto: Hessische-Staatskanzlei

Robert Erkan, der ehemalige Opferbeauftragte der Stadt Hanau, die Journalistin Dunja Hayali und das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und Rassismus – für demokratische Kultur in Hessen e.V. sind die erstmaligen Preisträgerinnen und Preisträger des von der Hessischen Landesregierung vergebenen Walter-Lübcke-Demokratie-Preises. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier überreichte ihnen die bereits im vergangenen Jahr verliehene Auszeichnung am Sonntag im Wiesbadener RheinMainCongressCenter. Der Festakt musste aufgrund der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr ausfallen. „In Erinnerung an den am 1. Juni 2019 ermordeten hessischen Politiker werden mit dem Preis Menschen geehrt, die sich in besonderer Weise für die Werte der Demokratie engagieren, so wie Dr. Walter Lübcke dies ein Leben lang getan hat. Unsere drei Preisträgerinnen und Preisträger setzen sich herausragend und eindrucksvoll für die Demokratie ein“, erklärte Hessens Ministerpräsident. „Alle Geehrten eint ihr Einsatz für Freiheit, Respekt und Toleranz. Sie machen sich für ein funktionierendes Miteinander in der Gesellschaft und die Bewahrung unserer demokratischen Werte stark“, so Bouffier.

Robert Erkan hat sich als Opferbeauftragter der Stadt Hanau bei der Betreuung der Angehörigen der Opfer des Anschlags vom 19. Februar 2020 engagiert. „Robert Erkan ist ein Vorbild für gelebte Integration. Er ist in Hessen geboren, seine Eltern haben einen kroatischen und türkischen Migrationshintergrund und gehören unterschiedlichen Konfessionen an: Erkans Mutter ist Christin, sein Vater Muslim. Von Kindesbeinen an wurde ihm vorgelebt, dass unterschiedliche Glaubensrichtungen nicht spalten müssen, sondern sich im besten Sinne verbinden können. Auch er selbst vereint beide Welten in sich: Robert Erkan war nicht nur Messdiener in einer katholischen Kirche, sondern auch regelmäßiger Besucher der Moschee“, unterstrich Bouffier. Er sei ein „Mittler zwischen den Religionen“ und ein Mensch, der andere Menschen „mitnehmen und sie mobilisieren“ könne, sich für das Gemeinschaftswohl einzusetzen. Dabei kämen ihm seine Eloquenz und sein Sprachtalent zugute, mit denen er Brücken baue und einen vorurteilsfreien Umgang erleichtere. „Robert Erkan verkörpert die Werte, für die der ,Walter-Lübcke-Demokratie-Preis‘ steht: Freiheit, Heimat, Mut, Respekt und Toleranz. Er ist ein würdiger Preisträger.“ Erkan sei es aufgrund seiner Mehrsprachigkeit in besonderer Weise gelungen, Ansprechpartner für die Opfer zu sein und ihnen beizustehen. Vorbildlich sei sein klares Bekenntnis zur Demokratie. Er setze sich für ein funktionierendes Miteinander in der Gesellschaft ein. Die „empathische Arbeit“ des Preisträgers nannte der Ministerpräsident „unschätzbar wichtig“ für die Angehörigen der Opfer des Anschlags vom 19. Februar 2020. Diese dürfe man in einer Situation, die sie „ein Leben lang nicht loslassen und begleiten werde“, nicht alleine lassen.

Für ihren journalistischen Stil und ihren Mut, gesellschaftliche Konfliktthemen offensiv anzugehen sowie für ihren Einsatz für das gesellschaftliche Miteinander erhält Dunja Hayali den Walter-Lübcke-Demokratie-Preis. „Dunja Hayali packt in ihrer journalistischen Arbeit Kernfragen der Gesellschaft an und scheut sich auch nicht, Reizthemen offen und kritisch anzusprechen. Für Reportagen reiste sie nach Afrika, Sri Lanka und in den Irak. Dunja Hayali wirbt in ihrem Beruf und im Ehrenamt für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Ihr Einsatz für Freiheit, Respekt und Toleranz zeichnet sie aus“, unterstrich Bouffier. „In ihrem Buch ,Haymatland. Wie wollen wir zusammenleben?‘ geht sie den Fragen auf den Grund, die die Nation unter Spannung setzen: Wie wird ,Heimat‘ definiert? Was wird aus Deutschland, wenn selbsternannte Heimatschützer diesen Begriff als Chiffre für Ausgrenzung missbrauchen? Und wie lässt sich dem Hass der Nationalisten begegnen und die liberale Gesellschaft erhalten? Die Beschäftigung mit diesen Themen bringt unsere Gesellschaft weiter“, sagte der Ministerpräsident. Er würdigte insbesondere „ihre Entschlossenheit und ihren Mut, sich für die Demokratie und Meinungsfreiheit einzusetzen“. Dabei gehe sie auch an ihre persönlichen Grenzen und scheue das Risiko nicht. „Dunja Hayali ist bereits mehrfach Opfer von Hass und Hetze geworden. Zuletzt in größerem Ausmaß im August 2020, als sie bei Dreharbeiten während einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Berlin wüst beleidigt und beschimpft wurde. Doch Hayali lässt sich nicht einschüchtern. Sie stellt sich entschieden gegen die Kritik und spricht mit den Demonstrantinnen und Demonstranten. Gesicht zeigen, sich nicht wegducken und entschieden für Respekt und Toleranz kämpfen: Das zeichnet Dunja Hayali aus und das verbindet sie mit dem Namensgeber unseres Preises, Dr. Walter Lübcke“, hob Bouffier hervor. „Dr. Walter Lübcke war immer bereit, für seine Haltung einzustehen. Er hat stets deutlich gemacht, was unser Land ausmacht: Toleranz und Empathie statt Hass und Hetze“, sagte Bouffier bei der Preisverleihung.

Der dritte Preisträger des Walter-Lübcke-Demokratie-Preises ist das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und Rassismus – für demokratische Kultur in Hessen e.V. Das Beratungsteam unterstützt und begleitet zahlreiche „runde Tische“ in Gemeinden, in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen sowie Angehörige von Rechtsextremen. In Nord- und Osthessen hat es sich zu einem festen Anlaufpunkt etabliert. „Diese Arbeit setzt direkt an der Basis an. Das ist wichtig, um entschieden gegen rechtsextremistische Strömungen vorzugehen und ihnen entgegenzutreten“, sagte Bouffier. Seit der Einrichtung des Landesprogramms „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ im Jahr 2015 fungiert das Mobile Beratungsteam Hessen als Regionalstelle Nord- und Osthessen des Demokratiezentrums beziehungsweise des Beratungsnetzwerks Hessen. Darüber hinaus sammelt es Hintergrundinformationen über die neonazistische Szene. „Das Mobile Beratungsteam hilft aktiv bei Problemen mit rechten Stammtischparolen, rassistischen Vorfällen, antisemitischen Schmierereien, rechtsextremer Jugendkultur im Jugendzentrum oder Prügeleien auf der Kirmes. Es unterstützt demokratische Initiativen, Institutionen, Parteien und Einzelpersonen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und für die Stärkung einer menschenrechtsorientierten demokratischen Kultur einsetzen. Diese Arbeit ist ungemein wichtig für ein demokratisches Miteinander in unserer Gesellschaft“, unterstrich der Ministerpräsident. Die Aufklärungsarbeit des Mobilen Beratungsteams umfasst auch die Vermittlung von Informationen zu rechtsextremen Strukturen, menschenfeindlichen Argumentationsmustern und Strategien, um diesen entgegenzuwirken. Zudem bietet es Trainings und Seminare im Bereich regionaler Demokratisierungsprozesse und lokaler Prozesse gegen rassistische, rechtsextremistische und antisemitische Strömungen für alle Zielgruppen an. „Information, Prävention, Beratung und Begleitung bei regionalen Konflikten im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus und für eine demokratische Kultur zeichnen die Arbeit des Mobilen Beratungsteams aus. Der Verein ist somit mit seinem Einsatz gegen Hass und Hetze und für sein Werben um Demokratie, Freiheit, Respekt und Toleranz in der Gesellschaft ein würdiger Preisträger des Walter-Lübcke-Demokratie-Preises.“

Der Walter-Lübcke-Demokratie-Preis ist ein Bürgerpreis, der, angelehnt an das Buch „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry, die Form eines Sterns hat. Dort heißt es: „Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache“. Dazu erklärte der Ministerpräsident: „Viele, die Dr. Walter Lübcke kannten oder kennenlernten, haben in ihm einen Menschen gesehen, der überaus herzlich lachen konnte. Ich bin mir sicher, irgendwo auf einem Stern wird er sitzen, sich über jede Preisträgerin und jeden Preisträger freuen und ihnen allen sein Lachen schenken.“

Der Walter-Lübcke-Demokratie-Preis wird in Form eines silbermetallfarbigen, asymmetrischen, dreidimensionalen Sterns, der auf einem Sockel auf Waldecker Holz ruht, verliehen. „Dr. Walter Lübcke hat sein Nordhessen geliebt und sich jeden Tag aufs Neue mit ganzer Kraft für seine Heimat eingesetzt. Er hat nie vergessen, wo er herkam und nannte sich selbst den ‚Jungen vom Dorf´. Die Identifikation mit seiner Heimat in Waldeck und mit den Menschen dort, seine Familie und sein Glaube – das war das Fundament seines Handelns“, betonte Bouffier und machte den Bezug zum Waldecker Holz deutlich, das seinerseits das Fundament des Sterns bildet. Der Preis orientiere sich laut dem Ministerpräsidenten an den Werten, die Dr. Walter Lübcke vorgelebt und repräsentiert hat: Freiheit, Heimat, Mut, Respekt und Toleranz. Diese Werte finden sich in erhabener Schrift auf den Sternenstrahlen wieder. Der Grundwert „Demokratie“ steht in der Mitte auf dem Sternenkörper.

Der Walter-Lübcke-Demokratie-Preis soll den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das demokratische Miteinander und einen von gegenseitigem Respekt getragenen politischen Diskurs stärken und künftig in der Regel alle zwei Jahre vom Hessischen Ministerpräsidenten verliehen werden. Er kann aber auch jährlich und mehrfach im Jahr von Kabinettsmitgliedern ausgehändigt werden. Die nächste Verleihung des Walter-Lübcke-Demokratie-Preis soll turnusgemäß wieder im Jahr 2022 stattfinden. Preisträgerinnen und Preisträger können einzelne Persönlichkeiten, Vereine, Stiftungen oder Institutionen sein, die die Werte der demokratischen Grundordnung vorleben und verteidigen. Bei der Auswahl des Preisträgers oder der Preisträgerin kann der Hessische Ministerpräsident auf ein Beratergremium zurückgreifen. Ihm gehören die Regierungspräsidenten von Kassel, Gießen und Darmstadt, der Beauftragte der Landesregierung für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, die Direktorin des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen und der Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes an. Darüber hinaus sind auch die Tochter des ermordeten früheren Deutsche Bank-Vorstandsvorsitzenden Alfred Herrhausen, Dr. Anna Herrhausen, und die Frau des ermordeten Dr. Walter Lübcke, Irmgard Braun-Lübcke, im Beratergremium vertreten. +++ pm

<strong>Kuratoriumsmitglieder</strong>

Die Mitglieder des Kuratoriums zur Verleihung des Walter-Lübcke-Demokratie-Preises sind:

• Ministerpräsident Volker Bouffier (kraft Amtes und als Vorsitzender)

• Irmgard Braun-Lübcke (oder stellvertretend einer der beiden Söhne)

• Dr. Anna Herrhausen (Tochter von Alfred Herrhausen)

• Hermann-Josef Klüber, Regierungspräsident von Kassel

• Dr. Christoph Ullrich, Regierungspräsident von Gießen

• Brigitte Lindscheid, Regierungspräsidentin von Darmstadt

• Dr. David Rauber, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes

• Landesdirektorin Susanne Selbert, Landeswohlfahrtsverband Hessen (Enkelin von Elisabeth Selbert)

• Uwe Becker, Landesbeauftragter für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus (und Bürgermeister a. D. der Stadt Frankfurt am Main)