Leserbrief an die IHK zur Situation in der Corona-Pandemie

Leserbrief: IHK ist schon lange keine Interessenvertretung mehr für ihre Mitglieder

Joachim Weber

Die Entwicklung der Fuldaer Innenstadt ist in der Corona-Pandemie in den Blickpunkt der Verantwortlichen gefallen. So sagt Fuldas OB Wingenfeld, dass Innenstädte sich generell – und bedingt durch die Corona-Pandemie im Besonderen – im Wandel befinden. „Es bleibt schwierig, die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu prognostizieren. Vieles hängt davon ab, wie sich die Corona-Pandemie entwickeln und mit welchen Maßnahmen darauf reagiert wird. Neben vielen negativen Zahlen machen die Entwicklungen im Export Hoffnung“, interpretiert Michael Konow, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Fulda, die aktuellen konjunkturellen Zahlen der IHK-Umfrage. Dazu hat uns ein Leserbrief von Joachim Weber erreicht den wir hier im Original veröffentlichen.

Leserbrief: IHK ist schon lange keine Interessenvertretung mehr für ihre Mitglieder

Sehr geehrter Herr Konow,
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit mehreren Unternehmen, die ich führe, bin ich Zwangsmitglied in Ihrer Organisation. Ich betreibe dabei sowohl Filialen, Onlinehandel, Hybride Geschäftsmodelle als auch direkten B2B Vertrieb. Unsere sechste Filiale haben wir im ersten Lockdown im Frühjahr eröffnet. Dort haben wir viele Wochen in Form einer virtuellen Filiale gearbeitet und waren überdurchschnittlich erfolgreich. Unsere siebte Filiale eröffnen wir in zwei Wochen in München, wieder virtuell und wieder mit neuen Ideen und wieder während des Lockdowns.

Die IHK Fulda hat mit ihren Äußerungen und Aktivitäten in den letzten Wochen und Monaten erschreckend unter Beweis gestellt, wie überflüssig und wenig kompetent sie für ihre Mitglieder ist. In mehreren Mails hatten wir uns bereits darüber ausgetauscht. Dieser Austausch hat zumindest dazu geführt, dass Sie zaghaft in der Öffentlichkeit bemüht sind, zu versuchen, die völlig unpassenden Äußerungen, wie z.B.: „Corona hat den Internethandel demokratisiert“, klarzustellen. Meine Anregungen aus meinen Mails von vor Weihnachten liest man auch zaghaft aus dem Bericht aus der hiesigen Tageszeitung vom vergangen Samstag heraus. Leider überwiegt nach wie vor das „alte Denken“. Ja, Corona ist für viele Unternehmen vernichtend. Dies erfordert unser aller solidarisches Handeln, innovative Gedanken und entschlossenes, pragmatisches Handeln.

Generell hat man den Eindruck, das Jammern und Besitzstandwahrung den höheren Stellenwert als Modernisierung, neue Geschäftsmodelle oder hybride Geschäftsmodelle hat. Bewusst haben sie mit ihrer Petition versucht, neue und alte Geschäftsmodelle gegeneinander auszuspielen. Die „Schaufenster Petition“ ist typisches „Funktionärsgehabe mangels anderer Ideen“. Verstanden hat die Öffentlichkeit: „Der Onlinehandel ist verantwortlich für aussterbende Innenstädte“ und „der Lockdown ist unnötig, lasst uns alles wieder öffnen“. Leider ist dieses Gedankengut in vielen Lobbyorganisationen weit verbreitet. Haben Sie schon mal drüber nachgedacht, dass der Kunde darüber entscheidet, wo er kauft und warum er wo kauft?

Die IHK macht in der ganzen Situation einen mehr als hilflosen Eindruck. Sie als Geschäftsführer hätten die Aufgabe, neue und alte Geschäftsmodelle zusammenzuführen, Erfahrungsaustausch zu organisieren und zu modernisieren. Sie scheinen aber als Organisation tatsächlich zu glauben, mit Zwangsabgaben auf Pakete von Online Shops und Förderung von völlig veralteten Geschäftsstrukturen, den Unternehmen zu helfen. Das Gegenteil tun Sie. Einige wenige Mitglieder jammern mit Ihnen gemeinsam und von Ihnen inspiriert. Wo ist die Aufbruchsstimmung, die Sie verbreiten? Wo ist die Zuversicht, mit der Sie die Unternehmen ermuntern, neue Wege zu beschreiten? Wo sind die konkreten Hilfen, neue Technologien zu nutzen und sich als Unternehmen neu zu erfinden? Wo sind die konkreten Hilfen, dort wo das Geld nicht fließt? Wo ist der Schnellhilfe Fond von IHK, lokalen Banken und Kommunen, mit denen die IHK-Überbrückungsgelder zur Verfügung stellen kann, bis die Staatshilfen ankommen? Wo ist der runde Tisch mit Staat, Politik und Unternehmen, den Sie moderieren? Ihre Lösung heißt unterschiedliche Mitgliedunternehmen gegeneinander auszuspielen und Besitzstandwahrung statt Veränderung. Als nächstes schlagen Sie noch den Kohlepfennig für die Innenstädte und überholte Geschäftsmodelle vor. Passen würde das zu den Auftritten in den letzten Wochen. Hören Sie auf, in Selbstmitleid unterzugehen und nehmen Sie endlich das Heft des Handelns in die Hand. Das erwarten die Mitglieder von der IHK. Impulse!

Die IHK ist eine Organisation der Vergangenheit, aus dem letzten Jahrtausend und mit einem großen Teil ihrer Strukturen auf Selbsterhalt ausgerichtet. Einen wirklichen Nutzen für die Mitglieder gibt es kaum, erst recht nicht in Relation zu dem Pflichtbeitrag, den Sie in Millionenhöhe erheben. Nur weil der Gesetzgeber eine Zwangsmitgliedschaft vorsieht, gibt es die IHK’s in ihrer heutigen Form noch. Müsste sich die IHK einem „Markt als Dienstleister für Unternehmen“ stellen, müsste sie sich fragen, für welche ihrer Leistungen die Mitglieder bereit wären, Geld zu bezahlen. Leider bleibt da nicht viel übrig, weil für vieles, was die Unternehmen in der heute sich schnell verändernden Welt brauchen, die IHK weder Kompetenz ist noch Antworten hat. Ich wage sogar zu behaupten, sie kennt noch nicht mal die Bedürfnisse, die die Unternehmen „morgen“ haben. Sie beschweren sich darüber, dass die Politik auf Ihre Petition nicht reagiert. Haben Sie sich schon mal gefragt, wo dran das liegen könnte?

Ich möchte Ihnen und dem Präsidium nahelegen, die Konsequenzen aus dem völlig unbrauchbaren Auftritt der letzten Wochen zu ziehen. Ich beantrage hiermit erneut, aus der IHK auszutreten, da ihr öffentlicher Auftritt für meine Unternehmen geschäftsschädigend ist. Ersatzweise beantrage ich, den IHK-Beitrag meiner Unternehmen auszusetzten, bis Sie wieder brauchbare Leistungen für meine Unternehmen erbringen.

Alternativ bitte ich Sie, über eine 180 Grad Kehrtwende und eine Vorwärtsstrategie nachzudenken, die am Nutzen für Ihre Mitglieder orientiert ist.

Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Weber