Die russische Regierung hat sich offenbar vor eineinhalb Jahren in einem Strategietreffen mit der Zukunft der AfD beschäftigt. Im Anschluss wurde ein sogenanntes „Manifest“ mit Thesen zur deutschen Innenpolitik verfasst, über das der „Spiegel“ berichtet.
Wie das Magazin mit Verweis auf einen Vermerk eines westlichen Nachrichtendienstes weiter schreibt, ging es bei dem Treffen Anfang September 2022 in der Präsidialverwaltung des Kreml darum, „ein neues Konzept für die Partei Alternative für Deutschland zu entwickeln“. Ziel sei es gewesen, „ihre Umfragewerte zu steigern und bei Wahlen auf allen Ebenen eine Mehrheit zu erreichen“. Den Auftrag erteilte den Erkenntnissen des Nachrichtendienstes zufolge einer der engsten Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Sergej Kirijenko, der für alle Propaganda- und Einflussoperationen im Ausland zuständig und Vizeleiter der Präsidialverwaltung ist.
In dem „Manifest“ wird ein düsteres Bild von Deutschland gezeichnet: Eine Abwanderung großer Unternehmen aus Deutschland wird konstatiert, von einer Deindustrialisierung ist die Rede. Die deutsche Wirtschaft liege im Sterben. „Die Bevölkerung des Landes befindet sich am Rande der Katastrophe“, mehr als 30 Prozent lebten unter der Armutsgrenze oder stünden an dieser Grenze, die innere Spaltung des Landes nehme zu. Der Schlusssatz lautet: „Gemeinsam werden wir siegen. Nichts und niemand kann sich gegen ein geeintes Volk stellen.“
Anfang Oktober 2022 hatte Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke in Gera eine Rede gehalten, in der sich zentrale Inhalte des „Manifests“ bisweilen fast wortgleich wiederfinden, so der „Spiegel“. Er entwarf darin düstere Szenarien für die Industrie und den deutschen Sozialstaat. Zahlreiche Unternehmen wanderten aus Deutschland ab, es drohten Hunger und Chaos. Am Ende beschwört er die Einheit, man dürfe sich nicht von „Spaltkeilen“ beeinflussen lassen. Auf Anfrage des „Spiegels“, ob er das Papier kenne und warum sich zahlreiche Äußerungen in Papier und Rede sehr ähneln, schreibt Höcke nur: „Dasselbe ist nicht das Gleiche.“ Die AfD ließ eine Anfrage unbeantwortet.
Bystron bestätigt Annahme der Pakete von prorussischem Geschäftsmann
Gegenüber dem Bundesvorstand hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron offenbar zugegeben, kleine Pakete von dem prorussischen Medienmanager Artem Martschewskij angenommen zu haben. Das sollen mehrere Teilnehmer dem „Spiegel“ bestätigt haben. Martschewskij leitete nach Erkenntnissen des tschechischen Sicherheitsinformationsdienstes (BIS) operativ das Internetportal „Voice of Europe“, das vom BIS und mehreren europäischen Partnerdiensten kürzlich als russische Einflussoperation enttarnt wurde. Über das Portal wurde kremlfreundliche Propaganda und Desinformation in 14 Sprachen verbreitet. Zudem ist das Netzwerk laut der tschechischen Regierung dafür benutzt worden, um prorussischen Politikern in Europa Geld zukommen zu lassen. Der AfD-Politiker Bystron wird verdächtigt, 20.000 Euro bekommen zu haben.
Nachdem Medien von belastenden Audio- und Videoaufnahmen berichtet hatten, musste Bystron am Montag erneut Fragen des Bundesvorstands beantworten. Er war wegen der Causa bereits einmal vorgeladen worden. Nun gab er Teilnehmern zufolge zu, kleine Pakete angenommen zu haben. Allerdings sei kein Geld in den Paketen gewesen, so Bystron. Er sagte aber nicht, was sie stattdessen enthalten hatten. Auf Anfrage dementierte Bystron sein Eingeständnis gegenüber dem AfD-Vorstand nicht. Er schreibt lediglich, „die Kampagne“ solle „bis zur Wahl durch Medien wie den Spiegel
am Leben gehalten“ werden. Er vermutet, die Video- und Tonaufnahmen seien „bereits mehreren Personen zugänglich gemacht“ worden. Es sei „erwartbar, dass diese auch veröffentlicht werden“. Bystron bestätigt damit zum ersten Mal, dass er davon ausgeht, heimlich gefilmt und abgehört worden zu sein. +++