Wird die geplante Krankenhausreform negative Folgen auf die Gesundheitsversorung haben?

In der Diskussion um die Krankenhausreform hatte der Marburger Bund „mehr Mut“ gefordert. Das gegenwärtige Fallpauschalensystem habe „zu verheerenden Fehlentwicklungen“ geführt und müsse deshalb „komplett abgeschafft werden“, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Susanne Johna, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach „zumindest teilweise“ von Fallpauschalen auf Vorhaltepauschalen umsteigen wolle, sei zwar schon enorm wichtig. „Nun muss der Anteil aber noch deutlich erhöht werden, wir hoffen auf mehr Mut und fordern, die gesamten patientennahen Personalkosten aus den Fallpauschalen auszugliedern“, sagte Johna weiter. Wir haben bei den Kliniken und Krankenhäusern der Region angefragt, was sie für wichtig halten.

Sammet: Lauterbachs Entwurf für eine Krankenhausreform weist essenzielle Stolpersteine auf

Michael Sammet (HJK Fulda)

Michael Sammet, Krankenhausleitung des Herz-Jesu-Krankenhauses Fulda und St. Vinzenz-Krankenhauses Hanau, führte bezugnehmend unserer Anfrage aus: „Die Strukturen der Krankenhausversorgung nachhaltig zu optimieren und einer notwendigen Reform zu unterziehen, ist prinzipiell begrüßenswert, speziell um die strukturelle Unterfinanzierung und den gewachsenen ökonomischen Druck von den Krankenhäusern zu senken. Allerdings nicht in dem aktuell vorliegenden Entwurf für eine Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die essenzielle Stolpersteine aufweist. Der Reformvorschlag wird zum derzeitigen Stand massive negative Folgen für die Gesundheitsversorgung allerorts haben und letztlich zu Lasten der Patienten ausgetragen, indem bewusst Versorgungslücken in vielen Regionen Deutschlands geschaffen werden. Eine qualitative medizinische Versorgung, vor allem auch im ländlichen Raum, wird nach diesen Plänen nicht mehr ausreichend gewährleistet.

Bereits jetzt kämpfen Kliniken bundesweit um ihre Existenzen. Zukünftig sollen nach den Vorschlägen der Regierungskommission Kliniken in fünf Versorgungsstufen eingeteilt werden, welche Leistungen sie überhaupt noch erbringen dürfen. Anhand der Einstufung wird dann der Finanzierungsumfang und das Leistungsangebot der Kliniken bemessen. Laut Auswirkungsanalyse im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) würden weit über 50 bis 60 Prozent aller Klinikstandorte der untersten Stufe zugeordnet, wodurch diese maßgeblich in ihren eigentlich durchführbaren Krankenhausleistungen eingeschränkt werden. Das Resultat daraus wäre eine extreme Reduktion flächendeckender kompetenter medizinischer Versorgung mit fatalen Auswirkungen auf die Patienten. Beispielsweise müssten mehr Schwangere eine andere Klinik für ihre Geburt auswählen, Rettungsdienste weitere Wege in Anspruch nehmen, um die Patienten entsprechend versorgen zu lassen.

Zur Planung des Gesamtkonzeptes muss es eine realistische Abstimmung geben unter Berücksichtigung aller Konsequenzen eines derartigen Reformvorschlags und unter Einbeziehung aller Akteure einschließlich der Krankenhäuser. Dabei darf das Ziel nicht aus dem Fokus verschwinden, die Menschen, die medizinische Hilfe suchen, überall gut zu versorgen. Die Vorschläge liegen seitens der Krankenhäuser parat. Ziel muss eine an Leistungsgruppen orientierte Krankenhausplanung sein, die vor Ort durch die Länder gemacht wird. Eine Verknüpfung von Leistungsgruppen mit bundeseinheitlichen Levelstufen ist der falsche Weg. Er würde zu Versorgungsengpässen und einer massiven Verschlechterung der medizinischen Versorgung in vielen Regionen Deutschlands führen. Zudem würde eine Zentrierung auf nur wenige Leistungserbringer in Deutschland bedeuten, dass Patienten nur noch selten frei zwischen Krankenhäusern wählen können und damit auf wenige Kliniken angewiesen sind, unabhängig davon, wie hoch die Qualität ist.“

Priv.-Doz. Dr. med. Menzel: Eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung mit einem System aus aufeinander aufbauenden Versorgungsstufen stellt eine wesentliche Verbesserung dar

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Menzel, Vorstandssprecher Krankenversorgung am Klinikum Fulda sowie Vorstand der Klinikum Fulda gAG

Der Sprecher des Vorstandes der Krankenhausversorgung des Klinikum Fulda, Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Menzel erklärte auf Anfrage von fuldainfo.de: „Deutschland braucht eine Reform der Gesundheitsversorgung. Darin sind sich alle Akteure im Gesundheitswesen einig. Vor diesem Hintergrund hat Bundesgesundheitsminister, Professor Lauterbach eine Regierungskommission eingesetzt, die in den letzten Monaten Vorschläge für Veränderungen vorgelegt hat. Für die stationäre Versorgung sind dabei drei grundlegende Veränderungen vorgesehen: Neben einer Einteilung der Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen und einer Zuordnung von bestimmten Leistungen an diese Krankenhäuser, sollen die Vergütung zukünftig zu 40 Prozent pauschal – also leistungsunabhängig – über so genannte „Vorhaltepauschalen“ erfolgen.

Entgegen anders lautender Kommentare und Äußerungen stellen diese Vorschläge derzeit lediglich eine Diskussionsgrundlage dar. Das Bundesministerium für Gesundheit und die zuständigen Ministerien der Länder haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Reform verständigt und wollen bis zum Sommer dieses Jahres einen konkreten Gesetzgebungs-Vorschlag erarbeiten. Dabei wird es darauf ankommen, die Qualität der Versorgung sicherzustellen, die Erreichbarkeit der Krankenhäuser, insbesondere in ländlichen Gebieten, sinnvoll zu gestalten und die Wirtschaftlichkeit der Kliniken zu sichern.

Aus unserer Sicht stellt eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung mit einem System aus aufeinander aufbauenden Versorgungsstufen eine wesentliche Verbesserung dar. Wir sind davon überzeugt, dass nur so eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in allen Lebenslagen mit einem nachhaltigen und tragfähigen Ressourceneinsatz sichergestellt werden kann. Große Krankenhäuser nehmen dabei eine zentrale Steuerungsfunktion für ihre jeweilige Region ein. Diese Häuser bündeln aufgrund ihrer Größe und der regionalen Verankerung rund um die Uhr die fachliche und technische Expertise für alle komplexen Anforderungen der modernen medizinischen Versorgung. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gespräche in den nächsten Wochen entwickeln.

Mock: Zu begrüßen ist neben dem Fokus auf mehr ambulante Versorgung, das insbesondere die Qualität ein entscheidendes Kriterium für die medizinische Versorgung sein soll

Klinikgeschäftsführer der Helios „St. Elisabeth“ Klinik in Hünfeld, Sebastian Mock

Sebastian Mock, Klinikgeschäftsführer der Helios „St. Elisabeth“ Klinik in Hünfeld, führte bezugnehmend unserer Anfrage aus: „Bei den bisher bekannt gewordenen Plänen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach für eine Krankenhausreform handelt es sich um Vorschläge der Expertenkommission, die nun erstmal in die gesetzgeberische Umsetzung gehen müssen. Zu begrüßen ist neben dem Fokus auf mehr ambulante Versorgung, dass künftig insbesondere Qualität ein entscheidendes Kriterium für gute Versorgung sein soll. Bei Helios setzen wir schon seit über 20 Jahren auf ein medizinisches Qualitätsmanagementsystem. Wir beschreiben darin nicht nur Strukturen und Prozesse, sondern verbessern das, was für unsere Patienten am wichtigsten ist: das Behandlungsergebnis. Die Vorschläge der Expertenkommission bestätigen zudem unsere eigens angestoßenen Initiativen zur Cluster-Bildung. In Kompetenzzentren bündelt Helios heute schon die Expertise auf verschiedenen Fachgebieten, um so die besten Behandlungserfolge zu erzielen.

Wirtschaftlichkeit heißt Investitionskraft: Helios investiert kontinuierlich und viel in seine modernen Krankenhäuser, neueste Medizintechnik, innovative Behandlungsmethoden sowie die Weiterentwicklung seiner Belegschaft. Wirtschaftlichkeit heißt aber auch Nachhaltigkeit. Deshalb gehören bei Helios medizinische Qualität, Wirtschaftlichkeit und Ökologie untrennbar zusammen. Die von der Regierungskommission vorgestellten Veränderungen in der Finanzierung bedeuten aus unserer Sicht zudem weder die Abschaffung noch die Überwindung des Fallpauschalensystems, sondern ergänzen die DRGs um eine leistungsunabhängige Vorhaltefinanzierung. +++