Wahl im Norden – Schulz unter Wasser

Es gibt keine Erklärung und also auch keine Gegenstrategie

Martin Schulz (SPD)

Berlin. Den Sozialdemokraten gehen langsam die Beschönigungen aus. Nach der Saarland-Wahl vertrösteten sie sich und ihre Wähler noch damit, dass der Amtsbonus der CDU-Ministerpräsidentin am Ende entschieden habe. Der hätte dann am gestrigen Sonntag auch dem SPD-Mann Torsten Albig in Schleswig-Holstein helfen müssen. Hat er aber nicht. Stattdessen siegte ein 43-jähriger CDU-Nobody, Daniel Günther, und das ist in dem Fall wirklich keine Beleidigung.

Die neue Ausrede ist: In dem Küstenland war es politisch schon immer eng, mal siegte das eine, mal das andere Lager, kann sozusagen passieren. Man darf gespannt sein, was Martin Schulz und seiner Crew einfällt, falls nächsten Sonntag auch Nordrhein-Westfalen verloren gehen sollte, was nun nicht mehr unwahrscheinlich ist. Trotz Amtsbonus von Hannelore Kraft, und obwohl das Land lange SPD-Hochburg war. Wahrscheinlich nicht mehr viel. Weil die Landtagswahlen dieses Frühjahrs de facto Vorwahlen für den großen Bundes-Urnengang im Herbst sind, sind sie Stimmungstests. Und für die SPD ein Stimmungskiller. Das allerschlimmste für die Sozialdemokraten ist: Es gibt keine Erklärung und also auch keine Gegenstrategie. Nichts, wo man ansetzen könnte. Albig zum Beispiel hat in Schleswig-Holstein wenig falsch gemacht. Keine Skandale, eine reibungslos arbeitende Regierung, dem Land geht es gut. Und trotzdem schießen Union und sogar die FDP nach oben, als hätten die Wähler unter einer roten Knute regelrecht geächzt. Wenn es so weiter geht, kommt Angela Merkel auch im Schlafwagen an ihre vierte Amtszeit. Dabei ist sie gerade aufgewacht.

Und Martin Schulz kann doch nicht übers Wasser laufen, er strampelt stattdessen schon jetzt gegen den absehbaren Untergang, wie seit 2009 noch alle SPD-Kanzlerkandidaten. Immerhin, die AfD ist schon zum zweiten Mal hintereinander nicht so stark wie gedacht. Es scheint tatsächlich möglich zu sein, sie noch aus dem Bundestag herauszuhalten. Was ist aus all dem zu analysieren? Wohl, dass rot-links-grüne Bündnisse im prosperierenden Deutschland zurzeit wenig attraktiv sind. Anders übrigens als in sozialen Krisenstaaten des europäischen Südens. Attraktiver sind ganz offenbar bürgerlich-konservative Regierungen. Vielleicht, weil man ihnen eher glaubt, den wirtschaftlichen Wohlstand gegen alle Widrigkeiten bewahren zu können. Und weil sie mehr Härte gegen neue innere Bedrohungen mitzubringen scheinen. Letzteres Thema hat die AfD geweckt, die aber wegen ihrer inneren Zerstrittenheit und unklarer Abgrenzung zu Rechtsextremen davon selbst nicht mehr ganz so stark profitiert. Es dürften, ja es müssen in Schleswig-Holstein auch viele Arbeiter für Union und FDP gestimmt haben, vielleicht sogar viele der Abgehängten. Für eine Partei wie die SPD, die nach langer Zeit wieder glaubhafter für soziale Gerechtigkeit werben konnte, ist das mehr als bitter, so die Lausitzer Rundschau. +++