Seit sieben Wochen „das Herz der Krisenbewältigung“

Simmler: Leistungsstarkes Gesundheitsamt dauerhaft wichtig

Das Gesundheitsamt hat neben der Einzelfall-Bearbeitung auch Schwerpunkt-Teams etabliert, die sich unter anderem gezielt mit der Situation in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen beschäftigen. Foto: privat

Sie arbeiten in diesen Tagen wie ein Uhrwerk, unentwegt, professionell und trotz hoher Belastung zuverlässig: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamts. Vor Corona-Zeiten bestand das Amt aus gut 90 Frauen und Männern, aufgeteilt in unterschiedliche Bereiche. Während der Corona-Pandemie konzentriert sich die Arbeit auf die Bewältigung der Infektionswelle, mit reichlich Unterstützung aus anderen Ämtern und kreiseigenen Betrieben. „Und doch sind es am Ende unsere Gesundheitsaufseher und die angestammten Teams aus dem Gesundheitsamt, die seit vielen Wochen das Herz der Krisenbewältigung bilden“, bringt es Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler auf den Punkt.

In allen Gesundheitsämtern des Landes sind die personellen Kapazitäten aufgestockt worden, so auch im Main-Kinzig-Kreis. Heute sind es im Amt und in den direkt angegliederten Teams rund 150 Frauen und Männer, die bei der Bearbeitung der Pandemie mithelfen, hinzu kommen noch einmal rund 150 Personen, die sich am Bürgertelefon abwechseln. Diese Aufstockung ist auch in Zeiten weiter notwendig, da die Infektionszahlen, die Ausbrüche in Pflegeheimen und die Nachverfolgung von Kontaktpersonen weiterhin eine hohe Arbeitsbelastung bedeuten.

„Unser Kreisgesundheitsamt hat in diesen Tagen mitunter das Sieben- bis Achtfache an Arbeitsaufwand und Anfragen aus der Bevölkerung zu erledigen. Wir haben die Bearbeitung daher umstellen müssen, und das in Echtzeit“, sagt Simmler. Neue Kollegen aus ganz anderen Bereichen seien angelernt und spezielle Teams gebildet worden. „Es ist gut zu sehen, dass wir schnell reagieren können, wenn es nötig ist. Aber die Aufgabe war und ist nur über mehr Personal, längere Wochenarbeitszeiten und digitale Lösungen zu schaffen. Das ist ein Stresstest für alle“, so Simmler, gerade vor dem Hintergrund, dass sich in den ersten Wochen die Vorgaben und Erkenntnisse „nahezu stündlich geändert“ hätten. „Es zeigt sich, wie leistungsstark das Gesundheitsamt und mit ihm die gesamte öffentliche Verwaltung in Krisenzeiten sind. Wir brauchen starke Strukturen, jetzt mehr denn je. Das ist wichtig auf dem Weg hin zu einer neuen Normalität.“ Diese neue Normalität, da ist sich Susanne Simmler sicher, dürfe nicht heißen, „dass es eine schnelle Rückkehr zu alten Strukturen geben kann“. So werde die derzeitige Arbeitsorganisation gerade im Gesundheitsamt wahrscheinlich noch auf Wochen und Monate hinweg beibehalten.

Eng verzahnt mit den anderen Säulen des Gesundheitswesens

Zu den Aufgaben des Gesundheitsamtes gehören unter anderem die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Dabei ist das Infektionsschutzgesetz maßgeblich und überträgt den Gesundheitsämtern vielfältige Aufgaben im Management einer solchen Krise. Neben der ambulanten ärztlichen Versorgung und der Krankenhausversorgung ist das Gesundheitsamt die dritte Säule des Gesundheitswesens in Deutschland. Gerade im Frühjahr dieses Jahres wird klar, wie wichtig eine enge Verzahnung von niedergelassenen Ärzte, Kliniken und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst ist. Der Main-Kinzig-Kreis pflegt dieses starke Netzwerk schon seit vielen Jahren und reflektiert regelmäßig, wie es noch besser und effektiver zusammenarbeiten kann. So wird es auch nach der Krise geschehen. Doch die ist noch nicht vorüber. Es sind sieben Wochen vergangen seit der Meldung des ersten Covid-19-Falls im Kreisgebiet. Eine Hanauerin war am 3. März positiv getestet worden. Der Main-Kinzig-Kreis setzte kurzfristig eine Pressekonferenz an, um die weiteren Schritte vorzustellen. Ein Bürgertelefon wurde eingerichtet, kurz darauf mit „CoroNetz“ noch eine Art digitales Bürgertelefon. Neun Tage sollte es nach dem ersten Fall noch dauern, bis weitere positive Testergebnisse aus den Laboren im Main-Kinzig-Forum eintrafen.

Seither ist die Zahl der Fälle Tag für Tag angestiegen. Auch die Zahl der „aktiven Fälle“ steigt noch; diese Gesamtzahl der Fälle, bereinigt um Genesene und Sterbefälle, wird täglich vom Gesundheitsamt vorbereitet, um einen Überblick zu geben. Sie liegt bei mittlerweile rund 350. Weit über 120.000 Kontaktaufnahmen von Bürgerinnen und Bürgern mit dem Main-Kinzig-Kreis hat es seit Anfang März bis heute zum Thema Coronavirus gegeben. Der Umfang der Arbeit für das Gesundheitsamt wuchs damit ebenfalls stark an. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es seit Mitte März keine Sonn- und Feiertage mehr. An sieben Tagen die Woche kommen morgens die Teams zusammen, besprechen die neuen Fälle, die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, Anfragen aus den Kliniken oder von niedergelassenen Ärzten, die Situation in stationären Einrichtungen und die absehbaren Themen des Tages.

Dann geht es an die Abarbeitung, bei jedem neuen positiven Befund aus den Laboren nach dem gleichen Muster. Mit den Neuerkrankten wird telefoniert, mit ihnen eine Liste der Kontaktpersonen erstellt, es wird beruhigt und aufgeklärt, die Daten werden erfasst und an die Bundes- und Landesbehörden weitergegeben. Die Kontaktpersonen wiederum werden informiert und ebenfalls isoliert. Die Abfrage des Gesundheitszustands bereits gemeldeter Fälle gehört zum Arbeitsalltag ebenso dazu, bis hin zur strengen Auslegung des Gesundheitsamts, wer als genesen eingestuft werden und seinen Alltagsdingen uneingeschränkt nachgehen kann. „Das ist mitunter nahe an einer detektivischen Arbeit, denn nicht immer sind Kontaktdaten bekannt, nicht immer erreichen wir die Menschen direkt“, erklärt Dr. Siegfried Giernat, Leiter des Gesundheitsamts. Ein Fall habe mal auf einen Schlag 100 Kontaktpersonen hervorgebracht. „Wir setzen weiterhin alles daran, und können das derzeit auch noch, die sogenannten Infektionsketten zu erkennen und zu kappen.“

„Schwerpunkt auf Schutz der medizinischen und pflegerischen Einrichtungen“

Es gibt natürlich auch den organisatorischen Überbau: Der Verwaltungsstab des Main-Kinzig-Kreises koordiniert die Bewältigung von Covid-19 im Großen. Geleitet wird er von Landrat Thorsten Stolz und Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler. Hier geht es darum, die Pandemie, ihre Auswirkungen und Entwicklungen nicht nur in Wissen sondern auch in Handlungen zu übersetzen. In diesem Gremium, das sich täglich trifft, geht es um Fragen der Materialausstattung in Kliniken, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen, um die Organisation des Rettungsdiensts, um die Abstimmung mit den 29 Rathäusern und deren Stäbe und um die sachliche Information der Öffentlichkeit. Die Anordnungen für die Covid-19-Erkrankten aber, die häusliche Isolierung, der Schriftverkehr, die Überwachung des Gesundheitszustands der Betroffenen, die Rückfragen von sorgenvollen Kontaktpersonen, kurzum: die Krisenbewältigung im Einzelnen, das ist Sache des Gesundheitsamts.

An der Schnittstelle zwischen dem Stab und dem Gesundheitsamt steht dessen Leiter Dr. Siegfried Giernat. Er wirft gerade seine ganze Erfahrung in die Waagschale, nicht zuletzt aus kritischen Lagen wie bei der Verbreitung der Krankheit Sars im Jahr 2003 und der Schweinegrippe 2009. Eine Herausforderung wie bei dieser Pandemie hat er jedoch in seinen fast 31 Jahren beim Main-Kinzig-Kreis, darunter sechs Jahre als Amtsleiter, auch noch nie erlebt. „Wir haben es noch lange nicht geschafft, die Verbreitung des neuen Coronavirus zu stoppen, sondern höchstens zu verlangsamen. Das kann uns weiterhin gelingen, wenn wir alle gemeinsam die Abstands- und Hygieneregeln beherzigen, das ist das wichtigste“, erklärt Giernat und blickt auf eine neue Phase, die Landrat Thorsten Stolz vor Kurzem als den „vielleicht schwierigsten Teil der Corona-Pandemie“ bezeichnet hat: „Für das Gesundheitsamt liegt gerade ein immer größerer Schwerpunkt der Arbeit auf dem Schutz der medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Hier haben wir spezialisierte Teams etabliert, hierhin werden wir bei steigendem Bedarf auch weiteres Personal hinverlagern“, so Giernat weiter.

In zwei Einrichtungen im Kreisgebiet hat es bisher Covid-19-Ausbrüche mit höheren Fallzahlen und insgesamt sieben Todesfällen gegeben. Dr. Siegfried Giernat hatte für eines der Häuser Quarantäne anordnen müssen. Aus insgesamt elf Alten-, Pflege- und Reha-Einrichtungen liegen mittlerweile Infektionen von Bewohnern, Patienten beziehungsweise des Personals vor. Die Amtsärzte gehen mit besonderer Sensibilität vor, sie entscheiden am Ende über die Absonderung Betroffener und der Kontaktpersonen, lassen umfangreich ganze Stationen und Häuser auf das Coronavirus testen und Bewohner umverlegen.

Hygienefachkräfte aus dem Gesundheitsamt haben in den vergangenen zwei Wochen gemeinsam mit den Pflegestützpunkten alle stationären Pflegeeinrichtungen des Landkreises speziell für den Umgang mit Covid-19-Patienten geschult. Nun machen sich diese „Schulungsteams Corona“ daran, die Einrichtungen auf einen schrittweisen Abbau der Kontaktbeschränkungen einzustellen. In dieser Woche werden gemeinsam mit den Einrichtungen Konzepte entwickelt, wie Besuche wieder möglich werden. Susanne Simmler: „Für die Menschen in den Heimen, in ihrem Zuhause, ist es eine harte und trostlose Zeit, aber genauso für die Angehörigen. Seit Wochen können sie sich nicht sehen, höchstens telefonieren. Bei aller gebotenen Notwendigkeit für die Einschränkungen wollen wir es perspektivisch wieder ermöglichen, dass sich die Familien begegnen. Das geht nur über Regeln. Leitend muss immer auch der Schutz der Bewohner und Arbeitnehmer sein. Auch da werden wir eine Art neue Normalität sehen. Aber dorthin zu kommen ist unser Ziel.“

Die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird noch eine ganze Weile auf einem hohen Level bleiben. Die Kreisspitze und der Verwaltungsstab unterstützen das Amt, wo es nur geht und haben in den zurückliegenden Wochen immer wieder flexibel auf die Bedarfe im Gesundheitsamt reagiert. Landrat Thorsten Stolz macht sich zudem für die Bereiche in der Verwaltung stark, die seit Wochen durch die Bearbeitung von Covid-19-Fällen besonders belastet sind, um hier durch finanzielle Anerkennungen und spezielle Urlaubsregelungen ein Dankeschön weiterzugeben.

„Unsere Hoffnung ist, dass wir als Gesellschaft den Wert des öffentlichen Gesundheitsdiensts in Zukunft wieder stärker zu schätzen wissen“, sagt Landrat Stolz. „Deren Arbeit ist ein wesentlicher Grund, warum wir im Vergleich zu anderen Ländern derzeit gut durch die Corona-Krise kommen.“ Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler sieht es genauso: „Die Ärzte, Pfleger und Rettungssanitäter leisten in der Corona-Pandemie Herausragendes und im Wesentlichen auch Sichtbares. Wir sollten aber auch die Frauen und Männer nicht vergessen, die in den Gesundheitsämtern gerade ebenso an ihre Belastungsgrenze gehen, um das Coronavirus einzudämmen. Das ist aller Ehren wert.“ +++