Opposition pocht auf Parlamentsbeteiligung bei Maßnahmen

Brinkhaus: Bundestag befasst sich bereits stark mit Pandemie

Die Bundestagsfraktionen von Grünen, FDP und Linke pochen auf eine stärkere Beteiligung des Parlaments an Entscheidungen über Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. „Ausführliche Debatten, Rede und Gegenrede und das Abwägen von Alternativen gehören zum Wesen unserer Demokratie. Das ist gerade in Krisenzeiten und bei großen Entscheidungen elementar wichtig“, sagte Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Es muss daher eine Beteiligung des Bundestages beim Erlass von Rechtsverordnungen geben, das heißt: Der Bundestag muss zwingend einen Zustimmungsvorbehalt haben“, forderte Haßelmann.

Sie kritisierte den in der Krise gewachsenen Einfluss der Ministerpräsidentenkonferenz. „Bei aller Wertschätzung für Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, eine Ministerpräsidentenkonferenz ersetzt weder den Bundestag, der öffentlich tagt, noch die Landesparlamente und den Bundesrat“, so Haßelmann. Viel zu lange hätten sich Union und SPD damit abgefunden, dass die Ministerpräsidentenkonferenz im Bundeskanzleramt ein solches Gewicht bekomme. Auch Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, forderte mehr parlamentarische Mitbestimmung. „Die Notstandsbefugnisse, die der Bundestag der Bundesregierung eingeräumt hat, sollten zurückgenommen werden“, sagte Buschmann dem RND. Mittlerweile sei bekannt, wie das Virus zu bekämpfen sei. „Notstand als Dauerzustand unterläuft dagegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und andere Verfassungsprinzipien. Das gleiche gilt für die Geheimdiplomatie der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten“, beklagte Buschmann. Stattdessen sollten transparente Beratungen in den Parlamenten stattfinden. „So wären uns eine Reihe rechtswidriger Maßnahmen erspart geblieben“, sagte der Liberale. Auch Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linken, kritisierte den weitreichenden Einfluss der Exekutive. „Es ist problematisch, wenn auf Dauer in der Coronakrise allein die Regierungsvertreter von Bund und Ländern in einem teilweise intransparenten Verfahren Entscheidungen treffen, die fast alle Bundesbürger direkt oder indirekt betreffen“, sagte sie dem RND. „Noch weniger hilfreich ist es, wenn dabei auch noch ein undurchsichtiger Flickenteppich herauskommt, der zum Teil schwer nachvollziehbare Regelungen enthält.“ Mohamed Ali erinnerte an die befristeten Sonderbefugnisse für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Die Regierung sollte jetzt nicht eine Debatte über eine Verlängerung der Sonderbefugnisse lostreten, sondern konkrete Pläne für Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Schulen und Gesundheitsämter vorlegen, um sie auf einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen bestmöglich vorzubereiten“, forderte die Linken-Politikerin.

Brinkhaus: Bundestag befasst sich bereits stark mit Pandemie

Der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), hat auf die jetzt schon intensive Befassung des Parlaments mit der Corona-Pandemie hingewiesen. „Wir haben uns in den vergangenen Monaten als Bundestag in mehr als 70 Plenardebatten intensiv mit dem Thema Corona beschäftigt, Gesetze beschlossen, Haushaltsmittel zur Verfügung und Entschließungen auf den Weg gebracht“, sagte Brinkhaus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwochausgabe). Er schaltete sich damit in eine Diskussion darüber ein, ob der Bundestag im Vergleich zu den Regierungen von Bund und Ländern zu wenig Einfluss auf die Maßnahmen gegen das Virus habe. „Wir werden in der nächsten Woche darüber hinaus auch auf meine Anregung hin eine große Corona-Debatte führen. Denn wir sind davon überzeugt, dass der Deutsche Bundestag der eigentliche Platz für die politische Diskussion sein muss.“ Mit Blick auf die Vorschläge des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments, veranlasst von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), sagte Brinkhaus: „Dabei werden wir natürlich die Anmerkungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages konstruktiv aufgreifen.“

EZB-Chefvolkswirt: Pandemie größte Gefahr für Wirtschaft

Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Philip Lane, sieht in der Corona-Pandemie die größte Gefahr für die europäische Wirtschaft. „Sie muss unter Kontrolle gebracht werden. Wir sind auf eine gesunde Bevölkerung und eine gesunde Wirtschaft angewiesen“, sagte er der RTL/n-tv-Redaktion. Die Risiken seien weit größer als die, die von der US-Wahl oder dem Brexit ausgingen. Lane lobte die Reaktion der Bundesrepublik mit der Pandemie. „Deutschland ist ein Anführer beim Eindämmen des Virus“, so Lane. Die Bundesregierung habe kraftvoll reagiert – etwa durch die Unterstützung von Kurzarbeit. Deutschland habe viel dazu beigetragen, dass sich nicht nur die deutsche, sondern die europäische Wirtschaft wieder erhole. Europa befindet sich Lane zufolge in einer entscheidenden Phase. Wenn es in den kommenden Wochen gelingt, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, „dann können wir erwarten, dass die europäische Wirtschaft ihre Erholung fortsetzt“. Der Erholungsprozess werde auch dann bis ins übernächste Jahr andauern. Deshalb halte die EZB an ihren Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung fest. Sollte das Virus allerdings nicht eingedämmt werden, „müssen wir uns auf schlimmere Szenarien einstellen“. Es sei zu früh, über mögliche Reaktionen der EZB auf eine Verschlimmerung der wirtschaftlichen Situation zu sprechen, ergänzte Lane. „Lassen Sie uns abwarten, ob die von den lokalen Behörden ergriffenen Maßnahmen funktionieren.“ Eines sei jedoch sicher: „Niemand sollte annehmen, dass es der EZB an Munition mangelt“, sagte der EZB-Chefvolkswirt.

Neue Lockdowns nicht einkalkuliert: EU will Prognose senken

Die EU will ihre Wachstumsprognose für 2021 eventuell senken. Das deutete der neue EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ an. Im Juli hatte die Behörde ein Plus von fast sechs Prozent für das kommende Jahr vorhergesagt. Dombrovskis sagte der SZ, diese Prognose habe auf der Annahme gefußt, dass die Zeiten harter Lockdowns vorbei seien. „Unglücklicherweise sehen wir nun, dass das nicht zutrifft: Es gibt eine zweite Pandemiewelle, Regierungen verhängen neue Beschränkungen“, sagte er. „Das wird sich sicherlich in der neuen Prognose widerspiegeln müssen.“ EU-weit steigen die Corona-Infektionszahlen seit einigen Wochen wieder rasant. Experten hatten allerdings seit Langem vor einer zweiten Welle gewarnt, bei früheren Pandemien wie der „Spanischen Grippe“ waren zwei und auch noch weitere Wellen üblich. +++ nh|dts