Oettinger: Verhandlungen über Große Koalition würden Europa beruhigen

DGB-Chef Hoffmann mahnt stabile Regierung in Deutschland an

Bundestag

Brüssel. Nach der wochenlangen Hängepartei bei der Regierungsbildung in Deutschland würde Europa nach Einschätzung des EU-Haushaltskommissars Günther Oettinger (CDU) allein schon durch die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen von Union und SPD wieder Vertrauen in die Stabilität der Bundesrepublik fassen. „Denn dadurch, dass jene Parteien verhandeln würden, die parallel auch die geschäftsführende Regierung stellen und schon in den vergangenen vier Jahren gemeinsam eine proeuropäische Politik gemacht haben, wird bereits Vertrauen und Stabilität in Europa erzeugt“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. „In Brüssel, in der EU-Kommission, in Mitgliedsländern hören wir, dass in Deutschland möglichst schnell eine stabile und handlungsfähige Regierung gebildet werden müsse, die proeuropäisch ausgerichtet ist.“ Die Fortsetzung der Großen Koalition sei die einzige verbliebene Möglichkeit, das zu erfüllen, wenn man Neuwahlen vermeiden möchte. Auf die SPD sollte jetzt aber kein Zeitdruck ausgeübt werden. Die Verhandlungen würden ohnehin erst Anfang Januar beginnen, und über das Ergebnis lasse die SPD ihre Mitglieder abstimmen. Das brauche Zeit.

CDU-Wirtschaftsrat bekräftigt Sympathie für Minderheitsregierung

Der CDU-Wirtschaftsrat hat seine Sympathie für eine Minderheitsregierung unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigt. Zugleich wies der Generalsekretär des Unternehmerverbands, Wolfgang Steiger, die von CDU-Politikern wie dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet geäußerte Skepsis gegenüber einer solchen Regierungsform scharf zurück. „Es wäre hilfreicher, wenn CDU und CSU ihre Verhandlungspositionen auf allen Gebieten wieder glattziehen würden, als eine Minderheitsregierung als teures Experiment schlecht zu reden“, sagte Steiger dem „Handelsblatt“. „Denn wenn sich die SPD mit ihrem offenen Geldbeutel gegenüber einer europäischen Transferunion und in der Rentenpolitik durchsetzt, werden wir über Generationen in finanzielle Schieflage geraten“, argumentierte Steiger. Laschet hatte zuvor eine Minderheitsregierung als die „von allen denkbaren Konstellationen teuerste für Deutschland“ bezeichnet, da jedes Mal ein „hoher Preis für die Stimmen aus der Opposition“ gezahlt werden müsse.

Richterbund fürchtet lange Hängepartie bei Regierungsbildung

Der Deutsche Richterbund (DRB) hat vor einer langen Hängepartie bei der Regierungsbildung gewarnt. „Es besteht die große Chance, Deutschland nach dem Brexit zu einem führenden Justizstandort in Europa auszubauen. Dafür muss die Politik jetzt rasch die Weichen stellen“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Verbands, Sven Rebehn, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Eine lange Hängepartie bei der Regierungsbildung kann sich der Rechtsstandort Deutschland gerade jetzt nicht leisten.“ Denn andere europäische Länder wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande stünden bereits in den Startblöcken. Bisher sei London der wichtigste Gerichtsstandort der EU für internationale Handelsstreitigkeiten. Fast die Hälfte von jährlich rund 1.000 Verfahren vor dem London Commercial Court führten zwei ausländische Parteien. Künftig könne London als Standort in einem Drittstaat aber nicht mehr wie bisher von den Vorteilen des europäischen Justizraums profitieren. „Es ist wichtig, dass die deutsche Justiz sich jetzt als attraktive Alternative positioniert“, forderte Rebehn. „Dazu gehört, an zentralen deutschen Standorten wie Frankfurt oder Düsseldorf spezialisierte Kammern aufzubauen, die auf Wunsch der Parteien auch in verschlankten Verfahren und in englischer Sprache verhandeln können.“ Der Justizstandort Deutschland biete der Wirtschaft „einen Rechtsstaat von hoher Qualität mit effektiven, kostengünstigen Gerichten“. Diese Standortvorteile gelte es weitaus besser als in der Vergangenheit zu nutzen. Am heutigen Montag trifft die britische Premierministerin Theresa May mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen, um über den Brexit weiter zu verhandeln.

DGB-Chef Hoffmann mahnt stabile Regierung in Deutschland an

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, mahnt eine stabile Regierung in Deutschland an, damit in der Europapolitik kein Vakuum entsteht. „Europa darf nicht scheitern, der Reformbedarf ist enorm“, sagte der Gewerkschafter dem „Handelsblatt“. Die EU-Kommission wird am kommenden Mittwoch ihre Vorschläge zur Vertiefung der Währungsunion vorlegen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe bereits seine Vorstellungen präsentiert, die in die richtige Richtung gingen, sagte Hoffmann. Das Zeitfenster für Reformen sei kurz. „Daher brauchen wir eine stabile Regierung, um Europa wieder auf den Kurs eines nachhaltigen Wachstums zur Schaffung von Arbeit und sozialem Zusammenhalt zu bringen. Wir können Europa nicht den Rechtsnationalen und Protektionisten überlassen“, sagte der DGB-Chef. SPD-Chef Martin Schulz war zuletzt von Macron und dem griechischen Premier Alexis Tsipras gedrängt worden, sich einer Großen Koalition nicht zu verschließen, weil ein solches Bündnis neue europapolitische Akzente setzen könne. +++