Nahles nennt Bedingungen für Fortbestand der Koalition

Die Grundrente muss eingeführt werden

Andrea Nahles (SPD)
Andrea Nahles (SPD)

SPD-Chefin Andrea Nahles hat die Grundrente, das Zuwanderungsgesetz und die Bekämpfung der Wohnungsnot zur Bedingung für den Fortbestand der Großen Koalition über 2019 hinaus gemacht. Dann soll laut Revisionsklausel im Koalitionsvertrag überprüft werden, ob die Regierung fortgesetzt wird. „Es muss das umgesetzt werden, was wir verabredet haben“, sagte Nahles der „Bild am Sonntag“. „Die Grundrente muss eingeführt werden, damit Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet haben, im Alter nicht zum Sozialamt müssen. Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte. Und wir müssen dafür sorgen, dass es bezahlbare Wohnungen gibt. Wenn wir das schaffen, macht mir die Revisionsklausel keine Kopfschmerzen.“

Nahles kündigte außerdem an, die SPD werde weiter für einen Mietenstopp kämpfen: „Wir brauchen schnell einen zweiten Wohngipfel! Ich bin für Marktwirtschaft. Aber der Markt alleine wird es nicht richten. Bei Mieten muss der Staat mit gesetzlichen Regeln eingreifen.“ Nahles forderte den Koalitionspartner auf, das Zuwanderungsgesetz bis Jahresende zu verabschieden: „Diese Zusage haben uns CDU und CSU gegeben. Wo man sich auch umhört: Der Fachkräftemangel ist die größte Wachstumsbremse in Deutschland.“ Wichtiger Bestandteil des Zuwanderungsgesetzes ist für die SPD die Möglichkeit eines so genannten „Spurwechsels“, also ein Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber bei entsprechender beruflicher Qualifikation. „Wer alles richtig macht hat, sich anstrengt, sich hier aus- und weitergebildet hat, arbeitet und Steuern zahlt, dem muss auch ein Weg offen stehen hierzubleiben“, sagte Nahles. Scharf kritisierte sie die derzeitige Abschiebepraxis der CSU: „Bayern hat gerade eine Altenpflegerin und einen Bäckerlehrling direkt vom Arbeitsplatz abgeschoben. Wenn wir eine Pflegekraft aus Afghanistan abschieben, um dann mühsam eine Pflegerin von den Philippinen zu holen, ist das doch Wahnsinn.“

Nahles schließt Koalitionsbruch wegen Maaßen aus

Mitten in den Verhandlungen mit der Union hat die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles einen Koalitionsbruch im Streit um die Zukunft des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen ausgeschlossen. „Die Regierung wird nicht an der Causa Maaßen scheitern. Die Basis für unsere Zusammenarbeit muss gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit sein. Wenn das nicht mehr gegeben ist, scheitert die Regierung“, sagte Nahles der Zeitung weiter. Für die Neuverhandlungen um Maaßens Zukunft stellte die SPD-Chefin zwei Bedingungen: „Erstens muss es eine Lösung geben, die nicht das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen verletzt. Zweitens muss Vertrauen wiederhergestellt werden.“ Eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand verlangte sie explizit nicht. Die SPD-Vorsitzende forderte alle Beteiligten in der Großen Koalition auf, Angriffe einzustellen: „Ich halte mich mit öffentlichen Schuldzuweisungen zurück. Wir müssen das abstellen, das sollte jetzt allen klar sein.“ Sie will bei dem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer auch über das Klima in der Koalition und das gegenseitige Vertrauen sprechen: „Es wird bei unserem Treffen auch um das notwendige Vertrauen in der Zusammenarbeit der Bundesregierung gehen.“ Sie forderte, „dass sich alle drei Parteien zu dieser Regierung bekennen und aktiv daran arbeiten, dass sie erfolgreich ist“. Das bisherige Auftreten von Union und SPD kritisierte Nahles. Die Große Koalition müsse halten, was sie versprochen habe, und für ein solidarisches Land sorgen. Aber zum zweiten Mal in nur wenigen Monaten verdrängten Störmanöver wichtige Sachthemen.

Nahles: „Immer wieder gibt es in Einzelfragen Streit, der in unnötig harter Weise ausgetragen wird. Die Landtagswahl in Bayern wirkt sich sehr unheilvoll auf die Arbeit in Berlin aus. Das überdeckt alles, vergiftet das Koalitionsklima und führt zu Recht zu einem schlechten Bild in der Öffentlichkeit.“ Besonders Bundesinnenminister Horst Seehofer machte Nahles Vorwürfe: „Das Agieren von Horst Seehofer hat die Koalition mehrfach auf eine Belastungsprobe gestellt.“ Sie sei aber zuversichtlich, dass auch in der CSU gesehen werde, dass Sacharbeit und Konzentration auf gutes Regieren der bessere Weg zum Erfolg ist. Rufe aus der SPD nach einem Austritt aus der Großen Koalition wies Nahles strikt zurück: „Wir müssen die Gesamtlage betrachten: Überall rufen Rechtspopulisten zur Zerstörung der Europäischen Union auf. Unsere demokratische Ordnung ist von Feinden bedroht. Wir müssen jetzt Europa und unsere Demokratie verteidigen. In dieser Lage brauchen wir eine handlungsfähige Regierung und sollten die Geschicke des Landes nicht anderen überlassen.“ Die sozialdemokratischen Minister hätten bereits viele Verbesserung auf den Weg gebracht. „Und wir haben noch viel vor. Deswegen will die SPD auch diese Regierung fortsetzen“, so Nahles. Es bringe daher auch nichts, „Schmerzgrenzen“ für einen Verbleib in der Koalition zu formulieren: „Ständig über Schmerzgrenzen nachzudenken, ist nicht meine Rhetorik. Ich vernehme das von einigen, die aber eine Große Koalition von Anfang an abgelehnt haben.“ +++