Junckers Masterplan für die EU

Seine Ruck-Rede

Jean-Claude Juncker
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker

Straßburg. Es war die Ruck-Rede des Präsidenten der EU-Kommission. Wie bei der Berliner Rede des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog haben auch die engsten Mitarbeiter von Jean-Claude Juncker im Vorfeld die Erwartungen nach oben geschraubt. Und der Luxemburger hat geliefert. Er hat einen ebenso ehrgeizigen wie visionären Masterplan für die Ertüchtigung der EU vorgelegt. Der besondere Charme ist: Was Juncker vorschlägt ist machbar. Es sind dafür keine Änderungen der EU-Verträge notwendig. Juncker will, dass die EU schneller entscheidet.

Dafür soll auch in der Steuer- und Außenpolitik künftig bei Entscheidungen im Rat, also dem Gremium der Mitgliedsländer, nicht mehr das Prinzip der Einstimmigkeit gelten. Es ist schwierig und dauert manchmal lange, einen Konsens unter den Regierungen in 27 Hauptstädten herzustellen. Künftig würde es dann ausreichen, mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen, hinter ein Vorhaben zu bringen. Fraglich ist aber, ob die EU der 27 für die Ausweitung des Instruments der Mehrheitsentscheidungen reif ist. Auch die – im Übrigen grundvernünftige – Entscheidung, Griechenland und Italien in der Flüchtlingskrise zu entlasten und Migranten auf die anderen Staaten umzuverteilen, war nach dem Prinzip der qualifizierten Mehrheit getroffen worden. Die Mitteleuropäer, die dagegen gestimmt hatten, wollten sich aber nicht fügen. Nicht einmal nach dem inzwischen ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes.

Die Steuer- und Außenpolitik sind überaus wichtige und sensible Politikfelder. Da darf es sich nicht wiederholen, dass Mehrheitsentscheidungen anschließend nicht akzeptiert werden. Juncker hat dem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ eine Absage erteilt. Er will nicht hinnehmen, dass einige ambitionierte Mitgliedsländer bei der Vertiefung der Zusammenarbeit vorangehen und die anderen hinterherhinken. Das ist richtig, weil er sich so bemüht, die EU zusammenzuhalten, und weil es ein Angebot an die Osteuropäer ist, die ohnehin gerade mit Brüssel Probleme haben. Womöglich gibt es mit dem Austritt der Briten sowie dem gestiegenen außenpolitischen Druck in Zeiten von Despoten in der Nachbarschaft ja die Chance auf mehr Einvernehmen. Es ist auch eine gute Idee, dass Juncker ein Instrument entwickeln will, um Ländern wie Rumänien und Bulgarien dabei zu helfen, die Bedingungen für den Beitritt zum Euro- und zum Schengen-Raum zu erfüllen. Nur: Es muss ausgeschlossen sein, dass dabei geschummelt wird. Jetzt gilt es, Junckers ehrgeiziges Reformprogramm auch umzusetzen. Die Regierungen in den Hauptstädten sind am Zug und müssen den Weg frei machen, damit die EU schlagkräftiger wird. Beobachter der Szene wissen, dass damit das eigentlich heikle Kapitel beginnt: Versprechungen gab es schon viele. Die EU hat aber ein Defizit, wenn es ums Umsetzen geht, so die Lausitzer Rundschau. +++