Jugendherbergen in Hessen – Ein durchwachsener Rückblick

Hoffnung für die Zukunft

Das Jahresfazit der Jugendherbergen in Hessen für die Saison 2019 fiel überaus positiv aus: 19.000 Übernachtungen mehr als im Vorjahr, trotz einem Haus weniger am Netz. Marketingleiter Knut Stolle resümierte vor 365 Tagen: Diese Entwicklung zeigt, „dass wir uns in eine gute Richtung bewegen“. Drei Wochen nach dem Versand der letztjährigen Jahreszusammenfassung wurden die Klassenfahrten und damit das Hauptgeschäft für die hessischen Jugendherbergen bis zu den Sommerferien 2020 verboten, eine weitere Woche später wurden alle Jugendherbergen vorläufig geschlossen und vom Netz genommen. Diese erste Schließzeit dauerte zwei Monate, heißt es in einer Pressemitteilung.

Dazu Vorstand Timo Neumann: „Von einem Tag auf den anderen waren wir geschlossen. Das war ein Herunterfahren, mit dem vorher niemand je geplant und gerechnet hat. Knapp 500 Mitarbeitende sind innerhalb von zwei Wochen in die Kurzarbeit gewechselt. Was das DJH-Team in den Wochen geleistet hat, war unvorstellbar. Es wurden innerhalb weniger Tage fast 250.000 Übernachtungen storniert, alle Bau- und Renovierungsprojekte auf Eis gelegt und alle Häuser in einen Ruhezustand versetzt, der sonst nur bei längeren Renovierungsphasen und an einzelnen Standorten umgesetzt werden muss.“ Der Sommer brachte erste Lockerungen mit sich und gerade die Urlaubsgebiete in Hessen profitierten von Familien, die wieder reisen wollten. Die Reisevorlieben waren „lieber nah als fern“, somit konnten insbesondere die Jugendherbergen am Edersee (Hohe Fahrt und Waldeck), sowie die Jugendherberge Hoherodskopf im Vogelsberg an den Wochenenden und in den Sommerferien noch recht hohe Übernachtungszahlen verbuchen. Stolle: „An den Urlaubsstandorten haben wir 50 bis 60 % Auslastung einer Normalsaison geschafft. Gruppen- und Klassenfahrtenhäuser sowie unsere Stadtstandorte blieben teilweise bis in den Herbst geschlossen und hatten lediglich 5 bis 20 % einer regulären Auslastung.“ Die Verlagerung der Gastarten ging klar in Richtung der Familien und Einzelreisenden. Neumann: „Wir konnten einige Neumitglieder gewinnen, die 2020 erstmals oder nach langer Abwesenheit wieder Gäste in unseren Häusern waren. Die Rückmeldungen der Gäste waren sehr gut, teilweise sogar besser als in vorherigen Jahren. Wir konnten mit unserem umfangreichen und geprüften Hygienekonzept überzeugen und können nach einem schweren Jahr auch mit Stolz sagen, dass es in unseren Jugendherbergen in Hessen im regulären Betrieb bis heute keine Covid-Fälle aufgetreten sind“.

Im Herbst wurden die letzten hessischen Häuser geöffnet, aber nur wenige Wochen später, Anfang November, mussten sie wieder vom Netz genommen werden. Der „zweite Lockdown“ hält die Häuser noch immer geschlossen. Finanzvorstand Nico Lorenz: „Die Situation ist belastend. Genau wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft stellt die aktuelle Lage auch für die Jugendherbergen eine große Herausforderung dar. Unser konsequentes Handeln in Bezug auf Kurzarbeit und den Betrieb der Häuser tat und tut an vielen Stellen weh, aber in Kombination mit den staatlichen Fördermitteln kommen wir bis jetzt zumindest einigermaßen zurecht“. Die Jugendherbergen in Hessen haben Anfang Mai eine Soforthilfe von einer Millionen Euro über das hessische Sozialministerium bekommen. Diese Hilfe kompensierte die Unmöglichkeit der Partizipation an der ersten Wirtschaftsförderung Ende März. Im Laufe des Jahres wurden über verschiedene Fördertöpfe weitere Mittel bereitgestellt, von denen nicht nur die Jugendherbergen, sondern auch andere Übernachtungsbetriebe und Wirtschaftsunternehmen profitieren. Die Mittel sind aufgrund des Status der Gemeinnützigkeit (das DJH Hessen ist ein eigetragener Verein) noch nicht final gesichert und können deswegen auch nicht mit einer realistischen Zahl unterlegt werden. Lorenz: „Wir haben in den vergangenen Monaten sehr von unseren Rücklagen zum Erhalt der Jugendherbergen profitiert. Von diesem Geld sollten eigentlich die Jugendherberge Rüdesheim und Marburg neu aufgebaut werden, so konnten wir den Landesverband über Wasser halten. Beide Bauprojekte wurden vorerst zurückgestellt. Die Planungen für das Projekt in Marburg wurden aber vor kurzem wieder aufgenommen.“
Das Jahresende war durchwachsen, einige hessische Häuser konnten für Sondernutzungen angeboten werden. Aktuell sind in zwei Häusern Geflüchtete untergebracht, in vier Häusern beherbergt das DJH gerade Soldaten, die Gesundheitsämter und Impfzentren bei der Arbeit unterstützen. Zwei Häuser haben Berufsschüler und Azubis als Gäste. Neumann: „Die Auslastung durch die Sondernutzung liegt in den Häusern zwischen 10 und 60 %, für uns somit nur ein Geschäft, welches die laufenden Fixkosten etwas kompensiert, aber auch ein klares Signal, dass wir unseren Kopf nicht in den Sand stecken und unsere Kapazitäten lieber sinnvoll als gar nicht einsetzen. Wir haben im vergangenen Jahr unsere Häuser mehrfach den Krisenstäben des Landes Hessen, sowie den Landkreisen und Kommunen zur Sondernutzung angeboten und es freut uns, dass wir nun einigen dieser Partner unterstützend zur Seite stehen können.“

Gleichzeitig musste das DJH Hessen zum Jahresende die drei Jugendherbergen in Gießen, Weilburg und Zwingenberg vom Netz nehmen. Neumann: „Renovierungsrückstände an diesen Häusern haben schon in den letzten Jahren die Übernachtungszahlen teils deutlich sinken lassen. Mit der ungewissen Pandemielage und der damit einhergehenden eher pessimistischen Perspektive, insbesondere im Gruppenreisegeschäft, wäre eine kurz- und mittelfristige Investition in den Erhalt der drei Standorte nicht möglich gewesen.“ Der Ausblick auf die neue Saison fällt trotz der aktuellen Schließsituation recht positiv aus. Lorenz: „Wir hoffen wie die meisten anderen Übernachtungsbetriebe, dass die staatlichen Maßnahmen und die Impfmöglichkeit das Licht am Ende des Tunnels schon bald heller werden lassen“. Mit neuen Ideen und Konzepten in der Tasche hat das DJH-Team die Saison schon gut vorbereitet. Stolle: „Wir warten nur auf den Startschuss, dann sind wir wieder da. Ein neues Projekt sind die „Klassenfahrten nach Hause“, die auf die Bedürfnisse der Schulen reagieren und in den unsicheren Zeiten die Klassenfahrt auch ohne Übernachtung ermöglichen. Im Rahmen des Hygienekonzeptes wurden dazu sichere Familienprogramme und Kinderfreizeiten auf die Beine gestellt. „Wir wollen wie im vergangen Jahr wieder für unsere Mitglieder da sein und die Übernachtungsmöglichkeiten sowie die Mikroabenteuer in der Nähe anbieten. Im vergangen Jahr haben wir von vielen Gästen das gehört, was wir dieses Jahr wieder beweisen werden: ‚Hessen wird unterschätzt‘ und ‚es ist so schön hier‘“. +++ pm