Foodwatch: Hessisches Umweltministerium kannte Verdacht gegen Wilke seit 12. August

Liste mit über 1.100 Produkten veröffentlicht

Das Hessische Umweltministerium hat bereits am 12. August 2019 vom Listerien-Verdacht beim Wursthersteller Wilke erfahren. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums an die Verbraucherorganisation foodwatch vom späten Montagnachmittag hervor. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) habe das Ministerium über eine Datenauswertung des Robert-Koch-Instituts informiert, wonach Wurstartikel der Firma Wilke „im Verdacht stehen, Listerien [zu] enthalten“, erklärte die Pressestelle des Ministeriums gegenüber foodwatch.

Erst acht Tage später – am 20. August – seien der für die Kontrolle der Firma Wilke zuständige Landkreis Waldeck-Frankenberg sowie das Regierungspräsidium Kassel darüber informiert worden. Bis zur Stilllegung der Produktion und zum weltweiten Rückruf aller Wilke-Produkte vergingen insgesamt mehr als sieben Wochen seit das Ministerium vom Listerien-Verdacht wusste. Inwieweit in diesem Zeitraum Wurstprodukte des nordhessischen Herstellers, die unter konkretem Verdacht einer Listerienbelastung standen, weiter verkauft wurden, geht aus den Angaben nicht hervor. Fest steht: Das hat alles viel zu lange gedauert. Der katastrophalen Informationspolitik ist auch noch ein indiskutabel langsames Krisenmanagement vorausgegangen“, erklärte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Den Angaben des hessischen Umweltministeriums zufolge haben den Behörden auch spätestens am 26. August 2019 „Lieferlisten über belieferte Händler der Firma Wilke“ vorgelegen. Nach dem nun erfolgten Warenrückruf haben die hessischen Behörden jedoch bis heute keine auch nur annähernd vollständigen Angaben gemacht, welche Produkte von dem Rückruf betroffen sind und an welchen Verkaufsstellen diese vertrieben wurden. Daran ändert auch die heute vom hessischen Umweltministerium öffentlich gemachte Liste einiger Markennamen nichts. Es bleibe weiterhin unklar, an welchen Wursttheken, in welchen Kliniken oder von welchem Caterer Wilke-Produkte an die Verbraucherinnen und Verbraucher abgegeben wurden. Ebenso unklar ist aus Sicht von foodwatch, ob Wilke-Produkte in der Lebensmittelindustrie verarbeitet wurden.

Wenn am 26. August eine Lieferliste vorlag, hätten seitdem auch Verkaufsstellen recherchiert werden können, so die Verbraucherorganisation. Die lückenlose Rückverfolgbarkeit sei eines der Grundprinzipien des Lebensmittelrechts. foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker: „Priska Hinz hat Aufklärung versprochen – aber bisher nur eine Mini-Liste mit Markennamen veröffentlicht. Um welche Produkte und welche Verkaufsstellen es geht, ist weiter offen. Die Ministerin muss jetzt schnell für Transparenz sorgen.“ Das Schreiben des hessischen Umweltministeriums veröffentlichte foodwatch am Montag vollständig im Internet. Es handelt sich um die Antwort auf eine erste Liste von Fragen, die die Verbraucherorganisation bereits am 2. Oktober an das Ministerium geschickt hatte. Wegen der zeitlichen Verzögerung sind die Fragen zum Teil überholt. Eine Liste von später übersandten Fragen ist noch offen, ebenso wie eine Auskunft des Landkreises Waldeck-Frankenberg, den foodwatch ebenfalls bereits am 2. Oktober angefragt hatte.

Liste mit über 1.100 Produkten veröffentlicht

Nach Kritik der Verbraucherorganisation an der Informationspolitik im Fall Wilke haben die hessischen Behörden am Montagabend auf dem Portal www.lebensmittelwarnung.de eine Liste mit mehr als 1.100 Produkten veröffentlicht. Offenbar handelt es sich um die Liste der vom Rückruf betroffenen Lebensmittel des nordhessischen Unternehmens Wilke. Der Rückruf war wegen einer möglichen Belastung mit Listerien bereits am 2. Oktober erfolgt – Behörden bringen Wilke-Produkte in Verbindung mit zwei Todesfällen und weiteren Erkrankungen. Die jetzt öffentlich gemachte Liste enthält auch vegetarische und vegane Lebensmittel. Entgegen der bisherigen Behördenangaben sind zudem noch weitere Marken aufgeführt – auch Marken, die nicht auf der ebenfalls heute vom hessischen Umweltministerium publizierten „Markenliste“ aufgeführt sind. Weshalb es hier widersprüchliche Angaben gibt, ist foodwatch nicht bekannt. Weiterhin fehlen Angaben zu den Verkaufsstellen. „Das ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher aber besonders wichtig, da die Produkte ja gerade auch als lose Ware an Theken abgegeben oder von Caterern und Kantinen ausgegeben wurden“, erklärte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Spätestens am 26. August 2019 hatte den Behörden eine Lieferliste der Firma Wilke vorgelegen – weshalb nun, fünf Tage nach Beginn der Rückrufaktion, noch immer keine klaren Angaben gemacht werden könnten, sei unverständlich. Für Rückfragen zu der Produktliste konnte foodwatch das hessische Umweltministerium am Montagabend nicht mehr erreichen. Die Verbraucherorganisation hat keine Information darüber, ob die Liste nunmehr zumindest in Bezug auf die Produkte vollständig ist. Obwohl der Rückruf weltweit erfolgt ist, befinden sich vor allem Produkte auf der Liste, die den Bezeichnungen zufolge im deutschsprachigen Raum vertrieben sein dürften. +++