Einführung und Verpflichtung von Dr. Wingenfeld und Diskussion um das N*Wort

Wingenfeld: „Jetzt gilt es, am Erfolgsjahr 2019 anzuknüpfen“

Neben der erneuten Einführung und Verpflichtung von Dr. Heiko Wingenfeld in das Amt des Oberbürgermeisters, dominierte ein Antrag der Stadtverordnetenfraktion DIE LINKE. Die PARTEI die Stadtverordnetenversammlung am Montag. Für regen Gesprächsbedarf sorgte in der letzten Stadtverordnetenversammlung vor der Sommerpause am gestrigen Montagabend, die wie die Male zuvor Pandemie-bedingt wieder im Stadtsaal der Orangerie stattgefunden hatte, ein Antrag der Stadtverordnetenfraktion DIE LINKE.Die PARTEI. Der Antrag behandelte folgenden Beschlussvorschlag: „Die Stadt Fulda setzt die Ziele der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft um und erkennt insbesondere an, dass die Verwendung des N:Wortes rassistisch ist.“ „Die Stadt Fulda setzt sich dafür ein, dass jegliche Verwendung des N:Wortes vermieden und geächtet wird, um schwarzen Menschen und People of Colour (PoC) ein friedvolles und diskriminierungsfreies Leben in Fulda zu ermöglichen.“

In der Begründung von Nuha Sharif-Ali, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE.Die PARTEI, hieß es wie folgt: „Das N:Wort wird von vielen schwarzen Menschen und PoC mit Leid, Diskriminierung, Gewalt, Ungleichheit und Entmenschlichung verbunden. Mit dem N:Wort ist eine Vielzahl von rassistischen Stereotypen verbunden. Diese Stereotypen umfassen Sexualrepression wie Triebhaftigkeit und Naturhaftigkeit, Kulturlosigkeit, Viktimisierung, Infantilisierung sowie Entfremdung und führen zu Ohnmachtserfahrungen und psychischen Folgen. Als europäisches Konstrukt der Kolonialzeit wurde es verwendet, um eine rassistische Unterscheidung herzustellen, Machtverhältnisse zu untermauern und unterdrückende Strukturen zu festigen. Diese Erfahrungen sind auch weiterhin im Bewusstsein verankert. Auch wenn in der jüngeren Zeit vermehrt das N:Wort in satirischen oder komödiantischen Kontexten auftaucht, darf dies nicht über die Verletzungen hinwegtäuschen, die damit einhergehen.“ „Am 17.03.2020 hat die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz einen Bericht vorgelegt, im dem unter anderem eine intensivere Prävention und Bekämpfung von Rassismus gefordert wurde. Wo Rassismus hinführen kann, bekommt die Welt nach der Ermordung des Amerikaners George Floyd einmal mehr drastisch vor Augen geführt.“ […] „Seit 2015 haben die Vereinten Nationen die Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft ausgerufen. Damit erkennt die internationale Gemeinschaft an, dass Menschen afrikanischer Herkunft eine eigenständige Gruppe darstellen, deren Menschenrechte gefördert und geschützt werden müssen. Insbesondere Menschen, die außerhalb von Afrika leben, sollen in dieser Dekade in den Vordergrund gestellt werden. Ziele der UN-Dekade sind: die Förderung der Achtung, des Schutzes und der Einhaltung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Förderung einer besseren Kenntnis und Achtung des vielfältigen Erbes, der Kultur und des Beitrages von Menschen afrikanischer Herkunft zur Entwicklung von Gesellschaften, der Schutz vor Rassismus und Diskriminierung. Bis 2024 sollen sich alle Staaten diesen Zielen verschreiben.“

„Wie weit auch Fulda von diesen Zielen entfernt ist, zeigen Diskussionen über koloniale Klischees und rassistische Stereotype. Besonders deutlich wird dies an den Reaktionen zu der Kritik an dem rassistischen Blackfacing und den kolonialen Bildwelten, die der 1938 gegründete Karnevalsverein Südend Fulda e.V. verbreitet. Aktuell wird seit dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 19.12.2019 zur Nutzung des N:Wortes in einer wachsenden Anzahl deutscher Städte dessen Ächtung diskutiert. Beschlossen wurde die Ächtung bereits in Köln (14.05.2020), Bocholt (116.09.2020), Heidelberg (12.11.2020) und Kassel (01.02.2021). Der Antrag der Fraktion DIE LINKE.Die PARTEI im Fuldaer Stadtparlament hatte zuvor Unterstützung erfahren durch: Diasporas Voice Fulda, Seebrücke Fulda, Fridays for Future Fulda, Linksjugend Fulda und Grüne Jugend Fulda. Zum Antrag der Stadtverordnetenfraktion DIE LINKE.Die PARTEI hatte die Fraktion AfD / Bündnis-C in der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung einen Änderungsantrag eingebracht: „Die Stadt Fulda wird die Ergebnisse der Koordinierungsstelle UN-Dekade Menschen afrikanischer Herkunft (gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration) siehe Bundeskabinettsbeschluss vom 25.11.2020 verfolgen und die notwendigen Konsequenzen im Anschluss daran debattieren.“ „Die Stadt Fulda steht selbstverständlich für ein friedvolles und diskriminierungsfreies Leben in Fulda.“ Die Vorsitzende der Stadtverordnetenfraktion Bündnis 90/Die Grünen Silvia Brünnel MdL stimmte dem Antrag der Fraktion DIE LINKE.Die PARTEI zu. Wie Brünnel in ihrem Redebeitrag erwähnte, sei sie der Ansicht, dass das N:Wort rassistisch gebraucht wird und deshalb geächtet werden sollte.

„Ein wichtiges Thema, aber im falschen Rahmen diskussionswürdig“, befand der Vorsitzende der SPD-Stadtverordnetenfraktion Jonathan Wulff. Die Tatsache, ob man dem Antrag zustimme oder nicht hätte seiner Meinung keinerlei Auswirkung auf Besserung oder Änderung, wenn Fulda ein Rassenproblem hätte. Alleine schon die Art, in dieser der Antrag gestellt sei, entbehre jeglicher Grundlage. Es bedürfe keine Hetzjagd, um sich über Rassismus verbal auseinanderzusetzen, befand der Fraktionsvorsitzende, aus diesem Grund sich die SPD-Stadtverordnetenfraktion bei der Abstimmung des Antrages enthielt. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Stadtverordnetenfraktion Hans-Dieter Alt adressierte in seinem Redebeitrag an die Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE.Die PARTEI Nuha Sharif-Ali die Frage, woher sie ein solches Bild von Fulda habe. Fulda sei weltoffen und tolerant. Zudem pflichtete bei, dass beide Anträge nicht auf aktuellen Anlässen basieren. Zwar müsse derjenige, der Sprache gebrauche, sich auch mit deren Wirkung auseinandersetzen, dennoch sei er der Auffassung, dass das N:Wort nicht gebraucht werde, um zu denunzieren. Dass das Wort aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwindet, erreiche man seiner Meinung nach nicht durch Verordnung, sondern durch gezielte und angebrachte Aufklärung in dem jeweiligen Kontext, aus diesem Grund lehnte die CDU-Stadtverordnetenfraktion den Antrag ab. Ähnlicher Auffassung war auch der Vorsitzende der FDP-Stadtverordnetenfraktion Michael Grosch. „Fulda ist weltoffen, tolerant und vielfältig“, sagte er. Sollte es gezielt zu Anfeindungen oder rassistisch motivierten Anfeindungen kommen, müsste darüber allumfassend aufgeklärt werden. Derzeit sei er nicht der Auffassung, dass dies der Fall sei. Auch die FDP-Stadtverordnetenfraktion lehnte den Antrag fraktionsübergreifend ab.

Bestürzt über den Redebeitrag des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden äußerte sich am Montagabend Ute Riebold von der Fraktion DIE LINKE.Die PARTEI: „Der Redebeitrag von Herrn Alt hat mich entsetzt. Eingangs werfen Sie meiner Fraktionschefin vor, der Antrag sei ideologisch motiviert, habe keinen aktuellen Anlass. Für Sie, Herr Alt, sicher nicht. Für Frau Sharif-Ali ist das jedoch leider aktuell Tag für Tag. Sie erklären Ihre ablehnende Haltung mit Ihrer Lebenswirklichkeit. Dass Ihnen Rassismus in Ihrem Berufsfeld nicht begegnet, ja, das könnte wohl so sein, aber darum geht es ja nicht. Die Ächtung des N:Wortes schafft strukturellen Rassismus sicherlich nicht ab und rettet sicher auch nicht die Welt, doch es fordert den gesellschaftlichen Diskurs.“ Sowohl der Antrag der Stadtverordnetenfraktion DIE LINKE.Die PARTEI als auch der Änderungsantrag der Stadtverordnetenfraktion AfD/ Bündnis-C wurden im Nachgang an die Redebeiträge mehrheitlich abgelehnt.

Zuvor wurde der am 14. März dieses Jahres mit 64,67 Prozent direkt von der Fuldaer Bürgerschaft wiedergewählte Dr. Heiko Wingenfeld als Oberbürgermeister der Stadt Fulda in sein Amt eingeführt und verpflichtet. Die Stadtverordnetenvorsteherin der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung Margarete Hartmann hieß dieses Wahlergebnis ein „überzeugendes, sehr gutes Ergebnis“. Es sei Wingenfelds persönlicher Erfolg einer positiven Bilanz seiner politischen Arbeit der letzten sechs Jahre. „Sie haben von der Bürgerschaft erneut den Auftrag bekommen, die Stadt zu unser aller Wohl in den nächsten sechs Jahren zu regieren.“ Hartmann weiter: „Doch warum haben Sie den Auftrag und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger bekommen? Sie kennen die Menschen und ihre Probleme – in den Stadtteilen und in der Kernstadt. Das haben Sie auch in Ihrem Wahlkampf unter Beweis gestellt.“

Ferner ging die Stadtverordnetenvorsteherin auf die Aufgaben und die damit verbundenen Herausforderungen in naher Zukunft ein. Hier nannte sie die Landesgartenschau in 2023 sowie die unterschiedlichen kulturellen Veranstaltungen wie die Genusswochen, die Dank sinkender Inzidenzzahlen wieder möglich werden – dies alles unter Fuldas neuem Slogan „Dein Sommer in Fulda 2021“. In diesem Zusammenhang attestierte sie Oberbürgermeister Dr. Wingenfeld eine erfolgreiche kommunalpolitische Arbeit der letzten sechs Jahre und wünschte ihm für seine zweite Amtszeit, die offiziell am 15. August 2021 beginnt, „alles erdenklich Gute, Gesundheit, Gottes Segen sowie eine glückliche Hand zur Lösung aller Probleme, die in Ihrer Amtszeit sicherlich auf Sie zukommen werden.“ Für seine Gattin, Lioba Wingenfeld, überreichte sie dem Fuldaer Oberbürgermeister als Wertschätzung und für ihre immerwährende Loyalität einen Blumenstrauß, bevor der Bürgermeister der Stadt Fulda Dag Wehner die Urkunde verlas, die er sowie Magistratsmitglied Stadtbaurat Daniel Schreiner zuvor unterzeichnet hatten.

„Es ist für mich eine Freude und Ehre auch in den kommenden Jahren für die Stadt Fulda wirken zu dürfen. Und ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass ich die weitere Arbeit zusammen mir Bürgermeister Dag Wehner und Stadtbaurat Daniel Schreiner fortsetzen kann“, so gestern Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld. Und weiter: „Im Juli 2015 – es ist nun fast genau auf den Tag sechs Jahre her – da wählte ich anlässlich meiner damaligen Amtseinführung den Bibelvers: ‚Suchet der Stadt Bestes!‘ als Leitmotiv. Der Blick zurück auf die vergangenen Jahre zeigt, dass wir, die wir in den städtischen Gremien Verantwortung getragen haben, vieles zum Wohl der Stadt gemeinsam bewegen konnten – und hier darf ich mich – liebe Frau Stadtverordnetenvorsteherin – und bei Ihnen allen herzlich bedanken. Und dabei galt es auch, viele Herausforderungen zu meistern, die wir vor sechs Jahren, im Juli 2015, noch nicht ansatzweise erahnen konnten. Die Pandemie, die uns noch immer fordert, ist dafür nur ein Beispiel.

Gerade jetzt kommt es wieder darauf an, den Blick proaktiv nach vorn zu richten und für das Wohl der Stadt zu wirken. Unsere Aufgabe wie wir hier zusammensind, sind vielfältig und bestimmen auch die heutige Tagesordnung. Und wir können durch unsere Arbeit ein Stück mit dazu beitragen, dass sich die Menschen als Teil einer Gemeinschaft begreifen; Wirklich miteinander und nicht nur nebeneinanderher lebend. Das Stadtjubiläum 2019 war glaube ich eine sehr positive Erfahrung, an der wir jetzt hoffentlich wieder anknüpfen können und wollen.“ Im Rahmen der gestrigen Sitzung wurde auch Jochen Kohlert (Bündnis 90/Die Grünen) als ehrenamtliche Beigeordneter des Magistrates der Stadt Fulda (Stadtrat) eingeführt verpflichtet und vereidigt. Kohlert war in der Sitzung vom 17.05.2021 bei der Vereidigung seiner Kollegen nicht anwesend. Die fünfte Sitzung der Stadtverordnetenversammlung findet am 20. September 2021, um 18.00 Uhr, im Stadtsaal der Orangerie statt. +++ jessica auth