Dieters aufgemerkt: Wieviel Kommerz verträgt der Fußball?

Fulda. Während man vor dem Fernseher sitzt und auf den Anpfiff des Champion-League-Finales zwischen Juventus Turin vs. Real Madrid wartet, gehen einem so manche Gedanken durch den Kopf. Eigentlich schalte ich erst kurz vor dem Anpfiff ein, den Vorspann – wie auch die Nachbetrachtung – spare ich mir sonst. Bewusst! Hat das ganze Spektakel rund um das eigentlich Wichtige noch was mit dem Fußball zu tun, der seit über 100 Jahren Volkssport Nummer 1 nicht nur in Deutschland ist?

Brauchen wir 90 Minuten Fußball, eingebettet in zwei- bis dreistündigen Vorschauen und Nachbetrachtungen mit sogenannten Experten? Gut, da kann man sich ja ausklinken. Aber brauchen die Fußball-Fans in den Stadien Pausen-Clowns wie Anastacia und Helene Fischer, denen man sich kaum entziehen kann? Hat der Fußball das wirklich nötig? Die gellenden Pfiffen gegen den Auftritt von Helene Fischer beim Pokalendspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund waren eine klare Antwort der Fans: Nein! Bereits der Halbzeitauftritt von Anastacia beim letzten Heimspiel des FC Bayern führte zu heftiger Kritik, unter anderem von dem Trainer des gegnerischen SC Freiburg. Die Stadionbesucher wollen das Spiel sehen. Die Halbzeitpause dient zur Aufnahme von Essen und Getränken sowie für den Toilettengang. Und dafür ist die Zeit ohnehin sehr knapp.

Fußball als Tradition – oder Anpassung an die gesellschaftliche Veränderung?

Gewiss, auch der Fußball hat sich gewandelt. Die Spiele werden zu Events mit entsprechendem Beiwerk. Er ist zu einem Produkt geworden, das intensiv vermarktet wird. Er ist nicht mehr vergleichbar mit dem eher idealistisch geprägten Fußball vor 30, 40 und mehr Jahren. Die Vereine suchen potente Sponsoren, die Verbände, in denen die Profiklubs organisiert sind, sind auf der Suche nach ständig höheren Fernsehgeldern für ihre Vereine (und auch für sich selbst). Dafür soll das Produkt immer öfter im Fernsehen angeboten werden. Natürlich mischen auch die internationalen Dachverbände kräftig mit, beispielsweise durch die WM-Vergabe aus offensichtlich rein kommerziellen Gründen. Dass dabei auch unlautere Methoden angewandt werden, ist hinlänglich bekannt. Die Vermarktungsmaschinerie der Vereine läuft auf Hochtouren. Und warum? Nur damit die immer höhere werdenden Spieler- und Beratergehälter sowie die meistens überzogenen Ablösesummen bezahlt werden können? Oder ist das der Tribut an die Konkurrenzfähigkeit? Damit Verbände wie der DFB immer reicher werden? Vielleicht sind auch die ständig steigenden Einnahmen der Profivereine Schuld an den überbordenden Spielergehältern? Wie auch immer, jedenfalls dreht sich die Spirale immer weiter, keiner hält sie auf.

Die englische Premiere League als Sinnbild des künftigen Fußballs?

Die englische Premier League ist derzeit das beste Beispiel für die exorbitante Kommerzialisierung des Fußballs, zumindest in Europa. Dort zahlen bereits Vereine aus den hinteren Tabellenbereichen für Durchschnittsspiele Summen, die sich in Deutschland nur wenige Vereine erlauben können. Da werden auch schon mal 105 Millionen Euro Ablöse für einen französischen Nationalspieler bezahlt, an dem Berater über 40 Millionen Euro verdient. Die Scheichs und Oligarchen als Besitzer der Vereine machen es möglich. Und die Spiele werden nur im Bezahlfernsehen übertragen. Aber wie sieht die Kehrseite dieser Medaille aus? Ein Normalverdiener kann sich den Eintritt in die Stadien kaum noch erlauben. Ein Stadionbesuch mit der Familie? Reine Illusion. Der normale Fußballfan wird ausgeschlossen. Es gibt keine Stehplätze mehr, die wären ja vielleicht auch noch von wenig begüterten zu bezahlen. Das ist nicht nur schade, sondern wirkt sich auch auf die Stimmung im Stadion aus. Die Fans sitzen in den Kneipen rund ums Stadion und feiern oder leiden dort mit ihrem Verein? Soll das beispielhaft auch für Deutschland sein?

Quo vadis Fußball?

Sicher, die Stadien (oder besser Arenen) sind komfortabler geworden und im Gegensatz zu früher sehr gut besucht. Ausverkauft ist nicht mehr nur, wenn Bayern München kommt. Das ist gut so. Die, die früher in den Fan-Kurven standen, sitzen heute lieber und sorgen dort für gute Stimmung, auch das ist gut so. Der Service in den Stadien hat sich wesentlich verbessert, man wird den Ansprüchen der heutigen Gesellschaft gerecht. Das hat allerdings auch seinen Preis. Aber stimmt das Gesamtpaket, zahlt man auch gerne die höheren Preise.
Die Frage stellt sich allerdings, wie weit das Rad der Kommerzialisierung noch gedreht werden kann, ohne dass es überdreht. Mittlerweile mahnen auch unverdächtige Experten wie Bundestrainer Jogi Löw davor, den Fußball zu überreizen. Die Bundesliga über mehrere Tage verteilt, Welt- und Europameisterschaften mit immer mehr Mannschaften, dazu Länderspiele, deren Sinn keiner mehr versteht und, und, und… Alles um die Marke Fußball weiter und weiter zu pushen.

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht!

Das bedeutet an jedem Tag Fußball im Fernsehen. Dann will man vielleicht auch noch seinen Lieblingsverein im Stadion besuchen, von seinem Amateurverein um die Ecke ganz zu schweigen. Es ist zu befürchten, dass man dieser Dauerberieselung irgendwann überdrüssig wird. Das wäre mehr als bedauerlich für diesen schönen Sport, der in der Lage ist, gesellschaftliche Unterschiede zu überwinden und so viel Spaß macht. Aber es geht nicht mehr anders, auch ich als eingefleischter Anhänger des Fußballs muss ich mich mittlerweile entscheiden. Das gesamte Angebot ist einfach zu viel. Deshalb setze ich Prioritäten: Ich fahre lieber zu meinem Lieblingsverein ins Stadion, beglücke den örtlichen Amateurverein mit meiner Anwesenheit und schaue mir im Fernsehen nur bestimmte Spiele an. Aber was ist, wenn Viele andere Konsequenzen ziehen, sich möglicherweise komplett vom Fußball abwenden? Das wäre ein unnötiger Verlust. Deshalb sind die Mahnungen der Fans und vom immer mehr Fußballexperten berechtigt: Überdreht das Rad nicht! +++ (dieter)