Birthler weist auf Versäumnisse bei Wiedervereinigung hin

Die DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat auf Versäumnisse bei der deutschen Wiedervereinigung hingewiesen. „Die Einheit hätte der Anlass sein können, auch im Westen das eine oder andere zu verändern, zu erneuern. Das wäre für beide Seiten gut gewesen“, sagte Birthler den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Birthler war 1990 Abgeordnete der letzten DDR-Volkskammer und des ersten gesamtdeutschen Bundestags. Sie verwies auf den damals gefundenen Kompromiss bei der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. „Es gab Übergangsfristen, und der gesamtdeutsche Bundestag verabschiedete später ein Gesetz, das sich sowohl von dem alten Gesetz im Osten wie auch von dem im Westen unterschied. So etwas hätte ich mir auch in vielen anderen Politikfeldern gewünscht“, so die DDR-Bürgerrechtlerin weiter. Sie schaue mit Sorge auf die politische Entwicklung im Osten 30 Jahre nach der Revolution von 1989. „Natürlich schauen die meisten Menschen, denen an Freiheit und Demokratie gelegen ist, mit Sorge in den Osten, auch ich, weil die Erfolge der AfD auf Demokratiedefizite hinweisen. Ich wäre Ende 2019 schon mal erleichtert, wenn die demokratischen Parteien stärker werden als die AfD“, sagte Birthler den den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Ein Grund für die politische Unsicherheit sei die durch die Diktaturerfahrung geprägte politische Kultur. „Wenn wie in der DDR Meinungsfreiheit unterdrückt wird, wenn Vielfalt unerwünscht ist, dann verdirbt das die politische Kultur in einem Land“, so die DDR-Bürgerrechtlerin. Dann entwickele man auch kein positives Verhältnis zur Freiheit. „Ich habe 1990 gedacht, jetzt werden die früheren DDR-Bürger alle glühende Anhänger der Freiheit, weil sie diese so lange entbehrt haben. Natürlich völlig falsch gedacht. Freiheit ist anstrengend, Freiheit macht vielen auch Angst“, so die frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen. +++