Waschbären sind Wildtiere – Vorsicht vor allzu viel Nähe

Waschbär

Schlitz. Die einen hassen ihn, weil er Dachböden verunstaltet und sich an Mülltonnen vergreift. Die anderen lieben ihn aufgrund seiner Intelligenz und seiner dem Menschen zugewandten Art. Der Waschbär weckt die unterschiedlichsten Empfindungen, aber den wenigsten von uns ist er einerlei. Die Waschbärjungen machen Ende Mai und Juni ihre ersten Ausflüge mit den Muttertieren. Regelmäßig werden in dieser Zeit Mütter überfahren und die Jungbären werden unweit der toten Tiere aufgefunden. Aufmerksame Passanten finden die auf sich gestellten Waisen und fragen sich: Wohin mit dem Findling?

Diese Frage stellt sich immer wieder und ist schwer zu beantworten. Anerkannte Wildtierauffangstationen sind weit entfernt und oft überlaufen. „Nicht wenige Einrichtungen lehnen auch die Aufnahme solcher Findlinge ab, weil sie die spätere Unterbringung als erwachsenes Tier nicht sicherstellen können“, sagt Dr. Torsten Scheid, Fachtierarzt für Tierschutz im Veterinäramt des Vogelsbergkreises. Besondere Vorsicht ist geboten wenn einzelne Jungtiere in der Nähe von Verstecken gefunden werden. Die verspielten Welpen sind dann nicht selten aus der Behausung gefallen und werden erst in der späten Dämmerung vom Muttertier wieder eingesammelt.

Die Haltung von Waschbären als Haustier muss unter Tierschutzgesichtspunkten sehr kritisch gesehen werden: Auch wenn der Waschbär die Scheu gegenüber dem Menschen verloren hat, besitzt er doch alle Eigenschaften eines Wildtieres und darf nicht ausschließlich in der Wohnung oder in Räumen gehalten werden. Gegen ein späteres Auswildern spricht die Tatsache, dass der Waschbär mit heimischen Arten konkurriert und durch Nestraub auch die Singvogelpopulation schwächt. Für die Unterbringung von Waschbären gelten klare Mindestvorgaben. Danach benötigt ein Waschbärpaar – eine Einzelhaltung sollte nicht erfolgen – mindestens ein 30 m² großes gut strukturiertes Außengehege mit gewachsenem Boden, offenem Wasser sowie Kletter- und Rückzugsmöglichkeiten.

„Jeder sollte wissen, dass auch der zahmste Waschbärwelpe mit einsetzender Geschlechtsreife sein Revier abgrenzen will, auch gegenüber Menschen“, warnt der Fachtierarzt. Bei weiblichen Tieren ist ab einem Alter von zehn Monaten damit zu rechnen, dass sie aggressives Verhalten gegenüber Mitbewohnern entwickeln. Bei Rüden geht der Geschlechtsreife eine mehrmonatige Wanderphase voraus, „in dieser Zeit besitzen eingesperrte Tiere einen kaum zu bändigenden Freiheitsdrang der sie zu Ausbruchskünstlern macht“.

Wenn bereits andere Haustiere gehalten werden, muss auch bedacht werden, dass der Gesundheitsstatus eines Wildtieres immer unklar ist. Für Hunde stellt die Staupe, die vom Waschbären übertragen wird, eine ernst zu nehmende Gefahr dar. Die Kleinbären sind oft auch Wirte verschiedener Parasiten, die dem Menschen gefährlich werden können. Besonders der Waschbärspulwurm, der bei mehr als zwei Dritteln aller hessischen Kleinbären vorkommt, kann beim Menschen zu schwerwiegenden Erkrankungen führen.

Einwanderer mit kaum natürlichen Feinden

Ursprünglich stammt der Waschbär aus Nordamerika und wurde erstmals 1934 bei Kassel angesiedelt. Seither verbreitete er sich schnell über Deutschland, wobei Hessen immer ein Gebiet mit sehr hoher Besatzdichte war. Besonders in und um Siedlungen herum leben Waschbären, weil im Umfeld des Menschen die Nahrungs- und Wohnraumbeschaffung mit viel weniger Aufwand verbunden ist. Untersuchungen belegen, dass die Besatzdichte in Siedlungen bis zu hundertfach höher ist als im ursprünglichen Lebensraum, dem Mischwald. In der Nähe der Schlafstätte findet er in Hausgärten und Mülltonnen immer etwas Fressbares. Bei seiner Nahrungssuche ist er nicht wählerisch, Schnecken, Regenwürmer, Insekten, Amphibien, Mäuse, Vogeleier und Nestlinge gehören ebenso zu seinem Nahrungsspektrum wie Aas, Getreide und verschiedene einheimische Obstsorten.

Natürliche Feinde hat der Waschbär in unseren Breiten kaum, in den Ortschaften sind Hunde und Autos die größte Bedrohung. Während der Hund bei einer Auseinandersetzung mit einem Waschbären meist den Kürzeren zieht ist der Waschbär dem Auto als Gegner klar unterlegen.

Der Straßenverkehr ist auch die Haupttodesursache. Da der Waschbär zum jagdbaren Wild gehört, darf er außerhalb der Zeiten, in denen die Welpen von den Eltern abhängig sind, auch bejagt werden. Ein Verzehr der Tiere findet allerdings in der Regel nicht statt. Im Vogelsbergkreis wurde bisher in keinem Fall eine Trichinenuntersuchung für einen Waschbären angefordert.

Eine hohe Dunkelziffer besteht für die illegal in Wohngebieten gefangenen Tiere, die dann mutmaßlich getötet oder weitab wieder ausgesetzt werden. Das Fangen von Waschbären durch Laien ist verboten und stellt einen ernstzunehmenden Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Werden einzelne Tiere in einer Siedlung gefangen, muss ohnehin damit gerechnet werden, dass andere aus der Umgebung nachwandern. Bei einer durchschnittlichen Wurfgröße von drei Welpen pro Jahr wird der frei gewordene Lebensraum spätestens im Folgejahr wieder besiedelt. +++ fuldainfo