Verkauf der Franziskanerbibliothek – Aus Sicht der Stadt sehr bedauerlich

Bistum: Bibliothek bedarfsgerecht weiterentwickeln

Alte Bücher. Foto: symbolisch

Die Bibliothek der Franziskaner am Frauenberg umfasste 150.000 wertvollste Bände, diese wurden nun an ein Antiquariat bei Leipzig verkauft. In der Antwort auf eine Anfrage von fuldainfo.de an Fuldas Oberbürgermeister, Dr. Heiko Wingenfeld, heißt es: Die Stadt Fulda könne sich zu dem Vorgang nicht äußern, da sie zu keinem Zeitpunkt in den Prozess eingebunden war. Grundsätzlich ist es aus Sicht der Stadt sehr bedauerlich, dass es den Beteiligten nicht gelungen ist, die historische Bibliothek mit Beständen aus dem 17.- bis 20. Jahrhundert in der Region Fulda zu halten. Das Bistum Fulda stellt die Frage: Wie kann kostbares Kulturerbe von Klöstern geschützt werden?

Die „Bibliothek Kloster Frauenberg“ ist seit vielen Jahren Thema mehrerer Gespräche zwischen der Deutschen Franziskanerprovinz, der „antonius“-Stiftung und dem Bistum Fulda. Die Deutsche Franziskanerprovinz (Sitz: München) ist sich ihrer kulturellen Verantwortung für wertvolle Buchbestände in ihren Bibliotheken bewusst. Sie sieht sich allerdings – mit Blick auf Personal, Finanzen und Räume – nicht mehr in der Lage, alle Bibliotheksstandorte und den gesamten Buchbestand selbst zu erhalten. Darüber hinaus waren die Bibliotheksräume Bestandteil der vertraglichen Verpflichtungen zwischen „antonius“ und den Franziskanern. Deshalb wurde für die „Bibliothek Frauenberg“ in Fulda eine Zukunftslösung gesucht, die den Orden entlastet und zugleich das kostbare Erbe der Vergangenheit sichert. Dabei hat das Bistum Fulda (in Gesprächen 2019 vertreten durch den damaligen Diözesanadministrator Weihbischof Dr. Karlheinz Diez und den damaligen Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke) den Orden aktiv unterstützt.

„Bedeutende Buchbestände und Handschriften bereits gut gesichert“

So wurden die bedeutendsten Handschriften, Rara und Inkunabeln (aus der „Inkunabelnkammer“) der ehemaligen Provinz- und Studienbibliothek der Thüringischen Franziskanerprovinz auf dem Frauenberg als Dauerleihgabe von der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Fulda übernommen. Für die Bibliothek wurde die Ideallösung favorisiert, sie an ihrem Standort zu belassen und als Außenmagazin der Seminarbibliothek zu betreuen. Auch die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Fulda kann künftig nicht ständig in dem Sinne wachsen, dass sie komplette weitere Buchbestände (etwa aus aufgelösten Klöstern oder Nachlässen von Priestern) übernimmt. Diese Problematik stellt sich deutschlandweit. Insbesondere die theologische Literatur ab dem späten 19. Jahrhundert ist in der Regel bereits in den Beständen erhalten oder ohnehin digitalisiert verfügbar. Als Alternative wurde daher – gemäß der aktuellen Fassung der „Leitlinien zur Bewahrung von gefährdeten kirchlichen Bibliotheksbeständen im Bistum Fulda“ – eine Übernahme aller Drucke bis zum Jahr 1850, aller Bestände zur franziskanischen Geschichte („Franciscana“), aller Bestände zur Fuldaer Geschichte („Fuldensia“) in Aussicht gestellt. Die Verkaufabsicht war bisher nicht Bestandteil der Gespräche. Weitere kostbare Buchbestände aus dem Orden und der Region („Francisana“ und „Fuldensia“) sind nach wie vor auf dem Frauenberg untergebracht.

Bistum: Bibliothek bedarfsgerecht weiterentwickeln und stärker fokussieren

So stellt sich die Herausforderung, Perspektiven zu erarbeiten, wie sich die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Fulda in Zukunft bedarfsgerecht weiterentwickeln und stärker fokussieren kann – auch mit Blick auf die Veränderungen bei der Theologischen Fakultät Fulda. Was zunächst als Funktions- und Traditionsverlust wahrgenommen wird, könnte so innovative Entwicklungen möglich machen – zum Beispiel für die Erforschung und (virtuelle) Rekonstruktion der berühmten Klosterbibliothek („Bibliotheca Fuldensis“). Hinzu kommt die Bewerbung um das Europäische Kulturerbe-Siegel (EKS), mit der Fulda und Petersberg „Orte der karolingischen Bildungsreform“ ins Blickfeld rücken. Auch hier (Projekt „raban. Bildung in Bewegung“) ist das Bistum Fulda engagiert und sehr interessiert daran, gemeinsam mit den beteiligten Städten, dem Landkreis und dem Land Hessen überzeugende Lösungen zu finden. Denn die Erforschung und Sicherung wertvoller Kulturgüter ist eine Gemeinschafts-Aufgabe – nicht allein Sache von Orden und Bistümern, die (mit Blick auf sinkende Mitgliederzahlen und Finanzen) auch im Bereich Kultur nicht mehr alles leisten können, was viele Jahrzehnte möglich war.

Kloster: Nutzung fast bei Null

Die Bibliothek, die ab etwa 1971 bis 2010 Provinzbibliothek der thüringischen Ordensprovinz war, war eine Sammelbibliothek und wurde auch vor allem von Seminaristen genutzt, heißt es in einer Antwort des Klosters Fulda auf nachfrage von fuldainfo.de. In den letzten Jahren war die Nutzung von Außen und auch vonseiten des Konventes fast bei Null. Bei der Veräußerung ging es nicht darum, Geld zu verdienen, sondern eine Last loszuwerden, heißt es weiter. Wir konnten die Bibliothek personell und finanziell nicht mehr betreuen. Zudem wurden die Räumlichkeiten bereits vor vier Jahren unserem Partner Antonius zugesprochen und das war kein Geheimnis, heißt es in der Stellungnahme abschließend.

Hohmann: Konnte man in Fulda nicht gewarnt sein?

Martin Hohmann (MdB) ist sich sicher, dass diese dort nach den Marktgesetzen in alle Welt zerstreut zu werden. „Konnte man in Fulda nicht gewarnt sein? 1632 wurde durch den neuen Machthaber, den Landgrafen von Hessen-Kassel, die Bibliotheca Fuldensis als Beute betrachtet und abtransportiert. Darunter ungezählte Handschriften, im Skriptorium des Klosters Fulda von Mönchen in mühevoller Arbeit erstellt, gingen für Fulda verloren.  Die Gesamtbestände des Benediktinerklosters Fulda zählten zu den bedeutendsten nördlich der Alpen. Seit ihrer Zerstreuung – ist diese mit einem Mythos vergleichbar. Nach der Tragödie von 1632, hätte man sich die Farce von 2020 in Fulda sparen können. Letztendlich kann man den Verlust des Gesamtbestandes der Franziskanerbibliothek auch als Symbol betrachten: Die geistigen Schätze der Gelehrsamkeit von Jahrhunderten werden am Ende nur noch als Last empfunden. Als Last, von der man sich kostengünstig trennt“, so Hohmann. +++