Unionsfraktionsvize fordert neue Unternehmenskultur

Der Anspruch des "ehrbaren Kaufmanns" gelte nicht mehr

Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) hat sich dafür ausgesprochen, die massiven Finanzhilfen für Konzerne mit der Forderung nach einer neuen Unternehmenskultur in Deutschland zu verknüpfen. Diese müsse Qualitätsansprüche vor kurzfristige Gewinnerwartungen stellen und mehr Wertschätzung für Mitarbeiter und Zulieferer garantieren, sagte Nüßlein dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Wenn man mit Geld unterstützt, hat man einen mächtigen Hebel, eine neue Unternehmenskultur einzufordern.“ Drei Dinge müssten sich bei den großen Konzernen ändern: „Der Qualitätsanspruch muss wieder ein anderer werden, der Umgang mit den Lieferanten und der mit den Mitarbeitern.“

Es sei richtig, alles zu versuchen, die Konjunktur wieder in Schwung zu bekommen und Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie zu unterstützen. „Es gehört aber dazu, dass die unterstützte Seite ihre Verantwortung wahrnimmt. Das passiert häufig nicht.“ Auflagen vonseiten des Staates seien eine Möglichkeit. „Aber wir brauchen vor allem auch eine neue Unternehmenskultur. Da ist die Krise eine Chance.“ Viele Unternehmen würden „nach wie vor nicht nachhaltig genug geführt, sondern sind zu sehr auf Kurzfristigkeit ausgerichtet“, so der Unionsfraktionsvize. In den Chefetagen bestimmten die Ideen von Unternehmensberatern. „Es geht nicht ausreichend um das Produkt, schon gar nicht um disruptive Innovationsprozesse.“ Man hangele sich von Quartalsbericht zu Quartalsbericht und habe außerdem noch die Laufzeit des eigenen Vertrags im Kopf. „Zu den deutlich längerfristigen Innovationszyklen passt das nicht.“ Also widme man sich zum Beispiel dem Auto der Zukunft allenfalls am Rande. „Technische Umstellungen machen mehr Stress als die Cash-Cows der aktuellen Produktserie zu melken.“ Nüßlein forderte, die Marktzulassung von Produkten in Deutschland mit der Nennung eines Garantiezeitraums zu verbinden. „Wer in Deutschland ein Produkt auf den Markt bringt, sollte gesetzlich verpflichtet werden, dafür einen Garantiezeitraum zu nennen“, sagte er. „Der könnte theoretisch auch bei Null liegen. Dass sich so ein Produkt aber lange am Markt behaupten könnte, halte ich für fraglich.“ Denn Hersteller, die auf Qualität setzten und lange Garantiezeiten einräumten, könnten beim Produktvergleich durch die Konsumenten klar punkten. „Mit mehr Transparenz würde Schrottproduktion am Markt schnell aussortiert. Für die Umwelt wäre das auch ein Segen.“ Die deutsche Wirtschaft müsse sich wieder stärker auf das Prinzip „Made in Germany“ rückbesinnen. „Wir können Qualität besser als andere.“ Den Wettbewerb um das billigste Produkt könnte man nicht gewinnen, sagte der CSU-Politiker. Die fehlende Verlässlichkeit großer Unternehmen sei auch ein Teil des Problems der Zulieferindustrie.

Zulieferer berichteten darüber hinaus, dass sich große Konzerne nicht an Vereinbarungen hielten. „Die Handschlag-Kultur und der Anspruch des ehrbaren Kaufmanns gelten nicht mehr. Da werden Preise bis zum Anschlag gedrückt, Zusammenarbeiten nach Gutdünken aufgekündigt“, so Nüßlein. Es gebe keine Verlässlichkeit mehr. Die Großkonzerne vieler Branchen befänden sich auf einem Höhenflug, in dem sie sich nach wie vor als die Schönsten und Tollsten betrachteten, nach denen sich alles zu richten habe. Das habe Konsequenzen. Etwa die Hälfte der Auto-Zulieferer habe wirtschaftliche Probleme. Dies könne man zum großen Teil mit der Coronakrise und dem schwierigen Markt begründen. „Aber viel hat auch damit zu tun, wie die großen Hersteller mit ihren Zulieferern umgehen. Von Partnerschaft kann man da selten reden“, so Nüßlein. Es bedürfe auch eines rücksichtsvolleren Umgangs mit Mitarbeitern. „Die Mitarbeiter dürfen nicht nur eine Zahl auf dem Papier sein, nicht nur ein Kostenfaktor.“ Sie seien auch ein Wert an sich – mit all ihren Fachkenntnissen und mit ihrem reichen Wissen um die Abläufe in einem Unternehmen. Nicht zu rechtfertigen sei es, wenn Unternehmen, die Staatshilfe bekämen, Gewinne an Aktionäre ausschütteten. „Gerade Anteilseigner haben ein eigenes Interesse, ihr Unternehmen vor der Pleite zu retten. Es kann nicht sein, dass Dritte Geld geben müssen und Aktionäre Kapital aus dem Unternehmen abziehen, das in so einer Krise eine gute Rücklage wäre“, sagte Nüßlein. Die Begrenzung von Managergehältern müsse diskutiert werden. „Natürlich ist die Situation in der Coronakrise anders, weil die Probleme ja in den allermeisten Fällen nicht Folge von Missmanagement sind.“ Trotzdem müsse sich die Hilfe des Staates in irgendeiner Form auch beim Gehalt der Unternehmensspitzen niederschlagen. „Millionengehälter werden mit hoher Verantwortung begründet. Diese Verantwortung fürs Unternehmen muss auch greifen, wenn etwas schief geht, egal aus welchem Grund.“ +++

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