Unionsfraktion für mehr Macht des Bundes in Pandemiebekämpfung

Ramelow sieht Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Skepsis

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), hat sich für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes ausgesprochen, um dem Bund in der Pandemiebekämpfung mehr Macht zu geben. Die Länder hätten ihren Handlungsspielraum bisher nicht genutzt, sagte Luczak der „Welt“. Dabei habe der Bundestag das Infektionsschutzgesetz zuletzt mehrfach geändert, um den Ländern eine „effektive und zielgenaue Bekämpfung“ von Corona zu ermöglichen.

Insbesondere die letzten Wochen hätten aber gezeigt, „dass manche Länder entweder nicht willens waren oder nicht die politische Kraft aufgebracht haben“, ihren breiten Spielraum auch wirklich zu nutzen. Die Ministerpräsidentenkonferenzen hätten es „zunehmend weniger vermocht, eine koordinierende Funktion einzunehmen und bundesweit abgestimmte und in sich stimmige Maßnahmen zu beschließen“, sagte Luczak weiter. „Das hat Vertrauen und Glaubwürdigkeit gekostet und schwächt die Akzeptanz der Maßnahmen.“ Dadurch sei die Eindämmung des Virus gefährdet. Luczak plädierte dafür, das Infektionsschutzgesetz daher anzupassen und zu ermöglichen, „dass auch die Bundesregierung zum Erlass von Corona-Rechtsverordnungen ermächtigt wird“. Eine „bundeseinheitliche, zielgenaue Reaktion auf das Infektionsgeschehen“ mache die Maßnahmen nachvollziehbarer und erhöhe deren Akzeptanz.

Ramelow sieht Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Skepsis

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich skeptisch zu Plänen aus der Union geäußert, das Infektionsschutzgesetz im Sinne bundeseinheitlicher Corona-Regeln zu ändern. „Die Thüringer Landesregierung hat keinerlei Kenntnisse von so einem Planungsvorhaben; mit Gerüchten befasse ich mich nicht“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Fakt sei: „Seit Februar hat die Ministerpräsidentenkonferenz schriftlich um die Vorlage eines deutschlandweit gültigen Regelwerks gebeten. Im März wurde dies nachdrücklich wiederholt und erneut in den Beschlusstext aufgenommen. Einzig das Bundeskanzleramt hat bis heute keinen Entwurf vorgelegt.“ Ramelow fügte hinzu: „Man kann auf dem derzeitigen Infektionsschutzgesetz so einen Stufen- und Rahmenplan aufbauen.“ Dazu müsse man den langen Weg der Gesetzesänderung und Bundesratsbeteiligung gar nicht gehen. „Wenn man handeln wollte, wäre dies seit Februar möglich und seit März überfällig. Man muss jetzt nicht schwarze Peter spielen, sondern handeln. Ich warte auf die Vorlage aus dem Kanzleramt.“

Juso-Vorsitzende fordert Corona-Sonderbeauftragten im Kanzleramt

Die Bundesvorsitzende der Jusos, Jessica Rosenthal, fordert einen im Bundeskanzleramt angesiedelten Corona-Sonderbeauftragten, der den Gesamtplan der Pandemiebekämpfung von Bund und Ländern verantwortet. „Es muss jetzt im Kanzleramt ganz klar konzentriert werden. Die Aufteilung Bund-Länder versagt an so vielen Stellen“, sagte Rosenthal der RTL/n-tv-Redaktion. Die Ministerpräsidentenkonferenz sei zu einem gemeinsamen Vorgehen offenbar nicht bereit. „Deswegen muss das Kanzleramt, muss die Kanzlerin endlich Führung zeigen.“ Ein Sonderbeauftragter, unterstützt von Experten, könne die Entscheidungen besser vorbereiten. „Natürlich müssen die Länder eingebunden sein, aber ich glaube nicht, dass die Verfahren, wie sie bisher gelaufen sind, weiter funktionieren.“ Von der für Montag geplanten Ministerpräsidentenkonferenz erwartet sich die Juso-Chefin vor allem konkrete Schritte bei der Impfkampagne. Die zweite Impfung müsse nach hinten verschoben werden, so wi e etwa von ihrem Parteikollegen Karl Lauterbach gefordert. Außerdem brauche es eine klarere Strategie bei der Bekämpfung der dritten Viruswelle. „Ich erwarte, dass es da jetzt endlich eine Führung gibt. Dass die Kanzlerin nicht sagt, sie denkt nach und am Ende nichts kommt“, so Rosenthal.

CDU-Gesundheitsexperte sieht kaum Chancen für mehr Bundeskompetenz

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), hält es für unwahrscheinlich, dass der Bund die Länder kurzfristig bei der Corona-Bekämpfung entmachten könnte. „Ich sehe keinerlei Entgegenkommen bei den Ländern, Kompetenzen abzugeben“, sagte Rüddel der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagausgabe). Der Bundesrat müsste einer Änderung der Kompetenzen beim Infektionsschutz zustimmen. „Ich würde es andersherum angehen: Die Länder könnten Vorschläge machen, welche Kompetenzen sie abgeben würden. Dann könnte der Bundestag entscheiden, ob er das Angebot für ausreichend hält“, meinte Rüddel. Der Gesundheitspolitiker sieht kurzfristig keine Chancen für das mögliche Vorhaben der Bundeskanzlerin, einen bundeseinheitlichen Lockdown durch den Bundestag beschließen zu lassen. „Wenn die Länder das nicht wollen, sind wir machtlos“, so Rüddel.

Ifo-Präsident für weitere Reduzierung der sozialen Kontakte

Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat sich für eine erneute Verschärfung der Corona-Maßnahmen zur Reduzierung der sozialen Kontakt ausgesprochen. „Wir müssen die sozialen Kontakte reduzieren, damit wir die Infektionen herunterbringen, denn sonst wird es auch keine nachhaltige wirtschaftliche Erholung geben“, sagte Fuest dem Fernsehsender Phoenix. „Wir bleiben sonst im Jojo-Lockdown, in den uns die Politik jetzt leider geführt hat, weil sie eben nicht viel früher eine überzeugende Strategie eingeschlagen hat.“ Ob die Kontaktreduzierung durch Schließung des Einzelhandels oder der Schulen erreicht werde, sei letztlich eine politische Entscheidung. Es sei fatal, dass die Politik die Osterferien habe vorbeiziehen lassen, ohne diese für eine Reduzierung der sozialen Kontakte zu nutzen. Ebenfalls sei bedauerlich, dass man nicht genau wisse, wie genau sich das Infektionsgeschehen entwickle, weil nicht oder unvollständig gemeldet werde. „All das zeigt, dass ein wirklich überzeugendes proaktives Pandemie-Management in Deutschland nach wie vor fehlt, und zwar mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie“, kritisierte Fuest. +++