Schulz warnt Türken vor zu großen Erwartungen

Türkische Gemeinde unterstützt Ankaras Kurs bei Verhandlungen mit EU

Brüssel. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hat die Hoffnung gedämpft, dass visafreie Reisen für Türken in die Europäische Union bereits im Sommer möglich werden. „Das ist ein sehr ambitionierter Zeitplan“, sagte Schulz der „Süddeutschen Zeitung“. Beim EU-Gipfel am Montag war der Türkei als Teil eines Pakets zur Entschärfung der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt worden, die ursprünglich für Herbst geplante Entscheidung über eine Visa-Liberalisierung vorzuziehen, sodass sie bereits Ende Juni in Kraft treten könnte.

Das EU-Parlament werde als Mitgesetzgeber „unter Wahrung seiner demokratischen Rechte sicherlich sein Bestmögliches geben, um diesen Prozess zu beschleunigen“, versicherte Schulz. Die Türkei müsse zuvor aber wichtige Reformen umsetzen, etwa die Einführung biometrischer Pässe. Man müsse sehen, ob sich dies sowie die Zustimmung der EU-Staaten innerhalb von drei Monaten erreichen lasse. Eine Beschneidung der Mitwirkungsrechte des Parlaments könne es nicht geben, warnte er.

Türkische Gemeinde unterstützt Ankaras Kurs bei Verhandlungen mit EU

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, unterstützt den Kurs der türkischen Regierung bei den Verhandlungen mit der EU über die Flüchtlingspolitik. „Die Türkei zeigt sich bei der Lösung der Flüchtlingsfrage viel kooperativer als viele europäische Länder“, sagte er der „Frankfurter Rundschau“. „Über die Visa-Freiheit hätte schon längst entschieden werden sollen. Wäre das schon passiert, wäre es kein Verhandlungsthema mehr. Auch die Fortführung der EU-Beitrittsverhandlungen wurde in Aussicht gestellt. Beides wurde nicht eingehalten.“ Dass die Türkei die laufenden Verhandlungen nutze, um eigene Forderungen aufzustellen, sei überdies völlig legitim. Die Visa-Freiheit sei wichtig, weil es für viele Türken in der Türkei bisher immer problematisch gewesen sei, ihre Verwandten und Bekannten in Europa zu besuchen, etwa bei Hochzeiten, betonte Sofuoglu.

Und dann gebe es zahlreiche Unternehmen, die Verbindungen hierher hätten. „Das ist auch ein Wirtschaftsfaktor, von dem sowohl Deutschland als auch die Türkei profitieren würden.“ Es sei schließlich nicht verwerflich, wenn die türkische Regierung von der EU nach anfänglich drei nun sechs Milliarden Euro verlange. Denn es gehe ja darum, den Geflüchteten, die in der Türkei bleiben sollten und wollten, einen gewissen Lebensstandard zu sichern. „Die finanziellen Forderungen der Türkei sind richtig“, so der Verbands-Chef. Hingegen sei es nicht angebracht, die Frage der Menschenrechte in dem Land mit der Flüchtlingsfrage zu verbinden. „Die Frage der Menschenrechte kann man im Rahmen der zu eröffnenden Kapitel 23 und 24 direkt ansprechen.“ Die Beitrittsverhandlungen sind nach Kapiteln – sprich: Themenfeldern – unterteilt. Generell brauche Europa die Türkei, auch wegen der Grenzen zum Nahen Osten, so wie die Türkei Europa brauche, um seinen Lebensstandard zu heben, erklärte Sofuoglu. Europa habe da einiges nachzuholen. Deutschland tue demgegenüber schon vieles. +++ fuldainfo