Rhein: Sicherheit in unsicheren Zeiten

Ministerpräsident Boris Rhein. Foto: Hessische Staatskanzlei

„Ich trete mein Amt an in einer Zeit voller Umbrüche und Krisen: Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg bestimmen unser Leben, der geopolitische Systemwettbewerb ist zurück. Ich bin ich sehr zuversichtlich, dass wir diese Herausforderungen meistern werden. Um die bevorstehenden Umbrüche zu bewältigen, braucht es aber Führung und eine Zukunftserzählung. Die Menschen in Hessen können darauf vertrauen, dass ihr Bundesland weiterhin sicher und vorausschauend geführt wird. Denn hier in Hessen reden wir nicht, hier in Hessen handeln wir – und deswegen stelle ich Ihnen heute die Hessen-Agenda dieser Regierung für die nächsten Monate bis zur nächsten Landtagswahl und darüber hinaus vor.

Die Agenda der Hessischen Landesregierung wird ein Bündel an Maßnahmen der Sicherheit und der Zuversicht für ein modernes Hessens von morgen sein. Sicherheit und Zuversicht bedingen einander. Nur, wer sich sicher fühlt, kann zuversichtlich nach vorne schauen. Nur, wer den Weitblick für die Zukunft hat, empfindet Sicherheit. Den Bürgerinnen und Bürgern Freiheit in Sicherheit zu gewähren ist die wichtigste Aufgabe eines demokratischen Rechtsstaates. Sicherheit umfasst alle Aspekte der Existenz einer Gesellschaft. Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert ist für die Koalition aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen eine Politik der vernetzten und ressortübergreifenden umfassenden Wahrung der Freiheit. Wir verstehen Sicherheit aber nicht als Vollkasko-Mentalität, sondern für uns ist der Sicherheitsbegriff universell. Nicht nur im Hinblick auf die Innenpolitik und die Außenpolitik, sondern auch im Hinblick auf eine umfassende Sicherheit im Leben der Bürgerinnen und Bürger in Hessen:

  • Mit Sicherheit meine ich zuallererst Zukunftssicherheit.
  • Das meint innere Sicherheit.
  • Ich spreche von wirtschaftlicher, sozialer und Arbeitsplatzsicherheit.
  • Sicherheit umfasst eine sichere Energieversorgung mit erneuerbaren Energien.
  • Sicherheit heißt Bewahrung der Schöpfung und der natürlichen Lebensgrundlagen für uns und die kommenden Generationen.
  • Sicherheit bedeutet auch Sicherheit in der Versorgung mit bezahlbaren Lebensmitteln.
  • Sicherheit erfordert einen modernen Staat.
  • Sicherheit ist die Voraussetzung für Bildung, Forschung und Innovation.

In der Gewissheit, Hessen in eine sichere Zukunft zu führen, liegt der Grundsatz meiner Politik. Wir brauchen eine Agenda für ein modernes Morgen. Eine Agenda für zukunftsgewandte Wirtschaftspolitik, für Klimaschutz und einen echten Schub in der Digitalisierung, für die Stärkung des ländlichen Raums, für einen stabilen Zivil- und Katastrophenschutz und für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Menschen in Hessen machen sich Sorgen um ihre persönliche Sicherheit und die Sicherheit ihres Landes. Deswegen werde ich alles dafür tun, dass unser Land durch eine umsichtige, entschlossene und vorausschauende Politik eine gute und eine sichere Zukunft haben wird. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Der Klimaschutz gehört ohne jeden Zweifel in das Zentrum unserer Politik, denn es ist die Aufgabe unserer Generation, unseren Kindern und Enkeln ein lebenswertes Hessen hinterlassen. Deswegen müssen wir unsere Lebensgrundlagen schützen. Deren größte Bedrohung ist der von Menschen verursachte Klimawandel. Extremwetterereignisse mit tragischen Folgen und kahle Flächen, wo einst Wald war, sind nicht zu übersehen, und die Bewältigung dieser Schäden erfordert schon heute größte Kraftanstrengungen. Wenn wir die Folgen des Klimawandels begrenzen wollen, wenn wir unsere Kinder vor Schlimmerem bewahren wollen und wenn wir ihnen noch eigene Gestaltungsspielräume für ihr Leben bieten wollen, dann müssen wir jetzt handeln!

Als schwarz-grüne Landesregierung haben wir erkannt, dass Klimaschutz ein zentrales Zukunftsthema ist, und deshalb stellen wir den Schutz unseres Klimas in den Mittelpunkt unserer Politik. Eines unserer Kernziele liegt darin, Ökonomie und Ökologie sozialverträglich zu vereinen. Dabei achten wir sehr sorgsam darauf, die Balance zu halten und die Menschen nicht zu überfordern, sondern mitzunehmen. Wir haben dafür wegweisende Entscheidungen getroffen und zukunftsträchtige Rahmenbedingungen geschaffen, die uns resilienter machen, damit wir in Hessen auch in Zukunft gut und sicher leben können! So wollen wir Hessen bis 2045 klimaneutral machen – fünf Jahre früher als zuvor geplant. Dazu werden wir noch in diesem Jahr ein hessisches Klimagesetz vorlegen, mit dem wir Klimazielen erstmalig in Hessen Gesetzesrang verleihen. Alle staatliche Gewalt in Hessen soll darauf verpflichtet werden, einen Beitrag dazu zu leisten, dass wir bis 2030 im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und den Klimazielen der Europäischen Union und des Bundes die hessischen Treibhausgasemissionen reduzieren. Dieses Vorhaben werden wir wiederum in einem neuen Klimaschutzplan mit Zielen und konkreten Maßnahmen für alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche hinterlegen.

Dafür können wir auf Bewährtes zurückgreifen. Da wäre insbesondere der erste „integrierte Klimaschutzplan“ des Landes Hessen, der 140 Maßnahmen enthält, und mit dem wir bislang die Weichen für mehr Klimaschutz gestellt haben. Besonders hervorheben will ich den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Dieser betrifft alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche und ist ein zentraler Baustein für die klimaneutrale Mobilität in Hessen. Den Ausbau des ÖPNV gehen wir dabei von zwei Seiten an. Zum einen wollen wir ein vernetztes klimaschonendes und leistungsfähiges Verkehrssystem aufbauen, das alle Hessinnen und Hessen im Alltag an ihre Ziele bringt. Entsprechend erweitern wir kontinuierlich die Infrastruktur für Bus- und Bahnverkehre sowie für die E-Mobilität. Noch in diesem Jahr wird die weltweit größte Brennstoffzellen-Zugflotte in Hessen ihren Betrieb aufnehmen. Sie wird auf den nicht-elektrifizierten Gleisen des Taunusnetzes die bisherigen Dieselloks ersetzen; das ist in dieser Dimension nicht nur einzigartig auf der Welt, sondern ein großer Beitrag zur Verkehrswende.

Zum anderen fördern wir preisgünstige Fahrtickets. Mit dem Semesterticket sowie dem Schüler-, Landes-, Job- und Seniorenticket haben wir bereits über 50 Prozent aller Hessinnen und Hessen den Zugang zu einem bezahlbaren Flatrate-Ticket ermöglicht. Unser nächstes Ziel ist das Kommunalticket für alle Beschäftigten der hessischen Kommunen. Derzeit verhandeln wir mit den Verkehrsverbünden über die Finanzierung des ÖPNV in den nächsten Jahren. Und wir werden den kommunalen Spitzenverbänden Verhandlungen über das Kommunalticket und dessen Finanzierung als Teil des Finanzierungsvertrags mit Kommunen und Verkehrsverbünden anbieten. Wir werden zusätzlich zum hessischen Klimagesetz einen Vorschlag zur Überarbeitung des Hessischen Energiegesetzes in den Landtag einbringen. Hierdurch können wir neue, wichtige Impulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für eine höhere Energieeffizienz von Gebäuden setzen.

Jeder ist gefordert, aber das Land muss vorangehen, und deswegen wird diese Regierung eine Roadmap vorlegen mit Sanierungs- und Finanzierungsfahrplänen für landeseigene Gebäude und einem Umstellungsplan für die Fahrzeugflotte. Der rasche Ausbau der Solarenergie ist ein unverzichtbarer Baustein der Energiewende. Die 200.000 m2 Dachflächen, die der Landesverwaltung zur Installation von Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung stehen, werden wir so schnell wie möglich mit PV bestücken. Die Hochschulen sind aufgrund ihrer Größe gemäß der CO2-Bilanz des Landes annähernd für die Hälfte der CO2-Emmissionen verantwortlich. Hier wird schon viel getan, aber wir erhöhen jetzt das Tempo und ergänzen mit einem COME-plus-Programm das bestehende Programm und die Vereinbarungen im Hochschulpakt durch schnell umsetzbare Ertüchtigungen von Heizungen und Technik und den schnell umsetzbaren Ausbau von Photovoltaikanlagen.

Für den Klimaschutz in Hessen ist es aber mindestens genauso wichtig, dass wir die Natur und die Artenvielfalt schützen. Die Natur ist unser Verbündeter im Klimaschutz. Wir sind das waldreichste Bundesland und unsere Wälder speichern CO2. 90.000 (!) Hektar Wald sind sage und schreibe in den letzten fünf Jahren der Trockenheit zum Opfer gefallen. Wir werden deswegen das größte Waldaufbauprogramm in der Geschichte des Landes Hessen auflegen. Der Klimawandel macht vor der Natur, wie wir sie kennen, nicht halt. Unser hessisches Naturerbe ist vom Klimawandel bedroht. Mit einem modernen Naturschutzgesetz wollen wir dem Naturverbrauch Grenzen setzen und Kooperation ermöglichen. Wir wollen die Verbindung der Lebensräume weiter ausbauen und vorantreiben. Auch die Bewirtschaftung unserer Böden spielt eine große Rolle. Wir unterstützen unsere Landwirte dabei, wenn sie im Einklang mit der Natur und dem Klima wirtschaften wollen.

Ich betone allerdings nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs sehr deutlich, dass die Landwirtschaft in Hessen unserer aller Wertschätzung verdient – unabhängig davon, ob sie konventionell oder ökologisch ausgerichtet ist. Sie trägt seit jeher ganz wesentlich zur Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln im Land bei. Dafür möchte ich an dieser Stelle den Landwirtinnen und Landwirten in Hessen meinen großen Dank und Respekt aussprechen. Wir als Land unterstützen daher die Landwirtschaft bei der Bewältigung des großen Veränderungsdrucks, vor dem sie gegenwärtig steht. Zur Entwicklung nachhaltiger Agrarsysteme für Mensch und Umwelt setzen wir auf innovative Lösungen aus der Wissenschaft. Dafür planen wir zum Beispiel gemeinsam mit den Hochschulen in Gießen, Kassel und Geisenheim sowie dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung ein Innovationszentrum für Agrarsystemtransformation.

Hessen ist ein starkes Land mit einer starken Wirtschaft. Während der letzten sieben Jahrzehnte sind wir zu einem wirtschaftlichen Kraftzentrum im Herzen Europas gereift. Unsere hessische Wirtschaftsleistung liegt über der Finnlands, Portugals und Tschechiens. Dabei kommt Hessen seine bundesweit einzigartige, dienstleistungsorientierte Wirtschaftsstruktur zugute, die Start-ups, Hidden Champions und Global Player umfasst. Mit einem Flughafen von Weltrang, mit dem wichtigsten Finanzplatz Kontinentaleuropas, mit dem weltweit drittgrößten Messegelände und als Deutschlands führender Standort sowohl für Rechenzentren wie auch für Distributionslogistik ist Hessen Magnet für Menschen, Waren, Daten und Dienstleistungen aus aller Herren Länder. Die drängendsten Herausforderungen der Wirtschaft werden in den kommenden Jahren die Digitalisierung, die Dekarbonisierung, die Deglobalisierung und die Demographieentwicklung sein. Hessen ist ein bedeutender Industriestandort. So ist Hessen etwa einer der größten Standorte der chemisch-pharmazeutischen Industrie und hat eine starke Automobilindustrie. Sie steht beispielhaft für die strukturellen Umbrüche, die dort besonders tiefgreifend sind. Dies sind die Digitalisierung von Produkten und Produktion, die Einführung neuer Technologien, die Qualifizierung von Mitarbeitern, die Versorgung mit Fachkräften und Energie und Klimaziele im Verkehrsbereich.
Ich möchte sie daher in dieser Regierungserklärung besonders beleuchten.

Für Hessen ist neben anderen die Automobilindustrie von großer Bedeutung. In unserem Land arbeiten 240.000 Menschen in Jobs, die direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie zusammenhängen. Es sind 20 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung, die 2020 daraus entstanden. Aber aktuell liegen die Umsätze der Automobilindustrie noch 11 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau, während die Branche von einem tiefgreifenden strukturellen Wandel betroffen ist: Vor allem Automobilhersteller und große Zulieferer investieren stark in die Transformation. Aber gerade KMU, Unternehmen im Bereich des konventionellen Antriebs und Unternehmen im ländlichen Raum stehen unter größerem Anpassungsdruck. Wertschöpfungsnetze und Wettbewerbspositionen verändern sich, Berufsbilder wandeln sich und mit der Elektrifizierung des Antriebs, mit der Automatisierung des Fahrens und mit der Vernetzung von Fahrzeugen entstehen gleichzeitig Chancen.

In den Wirtschaftszweigen Automobilherstellung, Zulieferung und Elektroindustrie sind KMU am stärksten insolvenzgefährdet. Das muss uns hier in Hessen in besonderem Maße alarmieren, da viele solcher KMU hier ihren Sitz haben. Der Expertenausschuss der Bundesregierung zum Zukunftsfonds Automobilindustrie hat Mittelhessen als eine der 23 Regionen identifiziert, in denen die Probleme der Zulieferer am größten sind. Alleine hier sprechen wir von 200 Autozulieferern. Die Landkreise Kassel, Groß-Gerau, Waldeck-Frankenberg, Marburg-Biedenkopf, Darmstadt-Dieburg, Offenbach, der Odenwaldkreis und der Main-Kinzig-Kreis sind Regionen mit besonderer Prägung durch die Automobilwirtschaft, alleine im LK KS und GG liegt der Anteil an der Gesamtwirtschaft bei jeweils 30 Prozent!

Aber Hessen ist auch Vorreiter – gerade bei der Elektrifizierung mit Batterietechnologie: In Rüsselsheim ist der Umbau des Opel-Werks für die Produktion des E-Astra der umfangreichste in der Geschichte des Standortes. Baunatal ist das VW-Kompetenzzentrum für E-Antriebe. Im Daimler-Werk in Kassel soll im größten europäischen Werk für Nutzfahrzeugachsen in elektrische Antriebssysteme investiert werden. Die Isabellenhütte Heusler in Dillenburg ist führend in Batteriemanagementsystemen. Akasol in Darmstadt investiert 100 Millionen Euro in eine Batteriesystem-Fabrik für Nutzfahrzeuge und die Schunk-Group in Heuchelheim stellt Produkte für die E-Mobilität her. Das alles zeigt, dieser Unternehmenssektor ist der Motor für die Transformation und er benötigt die Landesregierung als Partner der Transformation.

Denn mit einer entschlossenen politischen Flankierung könne Unternehmen dabei unterstützt werden, neue Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle zu entwickeln, hier in Hessen zu produzieren und hier in Hessen den Strukturwandel mitzugestalten. Es ist nicht unsere Aufgabe zuzuschauen, sondern dazu beizutragen, Wohlstand, Arbeitsplätze, automobile Wertschöpfung und Innovationskraft auch in ländlichen Regionen zu sichern und die Klimaschutzziele zu erreichen. Industriepolitik ist Klimaschutzpolitik und zukunftsorientierte Regionalentwicklung – und deswegen werde ich in einen Zukunftsdialog mit der Industrie unter Einbeziehung verschiedener Partner eintreten und einen hessischen Strategiedialog Automobilwirtschaft zur Gestaltung der Transformation ins Leben rufen, an dem die einschlägigen Ressorts der Landesregierung, die Automobilwirtschaft, Gewerkschaften, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft mitarbeiten.

Und unser erklärtes Ziel ist es, diesen industriepolitischen Weg auf die Transformation weiterer Schwerpunktindustrien insgesamt auszuweiten. Mit unseren Vorhaben zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Hessen werden wir einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts leisten. Damit sichern wir Arbeitsplätze, den gesellschaftlichen Wohlstand und schützen den sozialen Frieden. So wollen wir etwa den Finanzplatz Frankfurt zum führenden Standort Kontinentaleuropas für die Regulierung des Finanzsektors und für „Green and Sustainable Finance“ ausbauen. Wir bauen ein Finanzdaten-Cluster auf, setzen uns für eine global wettbewerbsfähige Luftverkehrswirtschaft ein und etablieren Hessen als international führenden Produzenten von strombasiertem synthetischen Kerosin mit der weltweit größten Pilotanlage im Industriepark Höchst. Die Rhein-Main-Region wollen wir zu einem der wichtigsten Standorte Europas für Cybersicherheit, für Raumfahrt und für Rechenzentren ausbauen. Wir wollen außerdem Hessen als einstige „Apotheke Europas“ zu einem internationalen Kompetenzzentrum der Gesundheitswirtschaft weiterentwickeln, sozusagen zu einer Apotheke 2.0. Hier spielt die Initiative Gesundheitsindustrie Hessen eine ganz entscheidende Rolle.

Und wir legen einen Schwerpunkt darauf, Hessen zu einem „Start-up-State“ mit Fokus auf grüne Technologien fortzuentwickeln. Wir wollen Hessen als Standort für nachhaltige Mobilität und zugleich den Messestandort Frankfurt stärken. Deshalb werden wir uns – und ich ganz persönlich – dafür einsetzen, die IAA nach Frankfurt zurückzuholen. Ich kann nicht vorhersagen, ob das gelingt, aber wir müssen es doch wenigstens versuchen. Zur Finanzierung unserer Vorhaben halten wir an tragfähigen Staatsfinanzen fest. Wir bekennen uns zur Schuldenbremse. Denn eine solide Haushalts- und Finanzpolitik ist ein Garant für Wohlstand, ein Bekenntnis zur Generationengerechtigkeit und die Voraussetzung für Sicherheit und Stabilität in Krisenzeiten. Alle hier vorgestellten Maßnahmen können daher nur im Rahmen der vorhandenen finanziellen Möglichkeiten durchgeführt werden. Solide Finanzen sind und bleiben ein Markenzeichen der hessischen Politik.

Einer der zentralen Schlüssel für ein modernes und für die Zukunft gerüstetes Land ist die Digitalisierung. Hier ist Hessen mit einem eigenen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung einen bundesweit einmaligen Weg gegangen, der sehr erfolgreich ist. Die Strategie „Digitales Hessen – wo Zukunft zu Hause ist“ ist dabei unser Fahrplan für den digitalen Fortschritt in Hessen. Viele Einzelmaßnahmen tragen dazu bei – vom mit 100 Millionen Euro ausgestatten Programm „Starke Heimat Hessen“ bis hin zur Unterstützung von innovativen Digitalisierungsprojekten in den Kommunen, über die Gigabitstrategie und den Glasfaserpakt, dessen Ziel es ist, bis Mitte des kommenden Jahres rund ein Viertel der Haushalte anzuschließen. Wir haben den Mobilfunkpakt verlängert mit dem Fokus darauf, insbesondere die Netzverdichtung sowie die Netzqualität zu erhöhen. Mit dem Programm „Digitale Dorflinde“ haben wir fast 2.600 Hotspots mit mehr als zwei Millionen Euro gefördert. Wir stärken damit das freie WLAN-Angebot in Städten und Gemeinden.

Und bei der Breitbandversorgung sind wir bereits jetzt im Spitzenfeld, wollen aber mit einer Vereinbarung zwischen Landesregierung und Kommunalen Spitzenverbänden letzte Lücken schließen und Hessen gigafit machen. Schon jetzt liegt Hessen bei der Versorgung aller Haushalte mit 50 Mbit/s auf dem zweiten Platz bundesweit und auch bei 100, 200 sowie 400 Mbit/s im Spitzenfeld der Flächenländer. Aber damit geben wir uns nicht zufrieden. Denn wir wollen Hessen als einen international führenden Standort der Digitalisierung und vor allem für Künstliche Intelligenz entwickeln. Unsere Marke „KI made in Hessen“ wollen wir auf der ganzen Welt bekanntmachen. Den strategischen Überbau hierfür beschreibt unsere KI-Zukunftsagenda. Die notwendige Grundlagenforschung erfolgt im „Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz“, in dem wir die KI-Professuren an allen 13 Hochschulen im Land vernetzen und obendrein 20 zusätzliche Professoren-Stellen schaffen. Dazu bauen wir aktuell für 10 Millionen Euro ein deutschlandweit einzigartiges KI-Innovationslabor mit eigener Recheninfrastruktur auf, die auch Unternehmen nutzen können.

In Hessen setzen bereits viele Mittelständler KI zur Digitalisierung ihrer Wertschöpfungskette ein. Damit ist es beispielsweise möglich, nachhaltiger zu produzieren. Die digitale Transformation kleiner und mittlerer Unternehmen unterstützen wir mit dem Programm Distr@l, das ein Volumen von rund 50 Millionen Euro hat. Dazu kommt unser Zentrum für Angewandtes Quantencomputing als weiterer Baustein, mit dem wir in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die zukunftsträchtige Entwicklung der Quantentechnologie auch in Deutschland vorantreiben wollen. Einen weiteren Schwerpunkt im Bereich der Künstlichen Intelligenz setzen wir mit dem „Kompetenzzentrum für die Digitalisierung im ländlichen Raum“ – damit bringen wir auch in den ländlichen Gebieten Hessens die digitale Transformation weiter voran. Meine Damen und Herren, die Digitalisierung ist eine zentrale Säule, wenn es darum geht, die Attraktivität der ländlichen Räume in Hessen weiter zu steigern. Schließlich ermöglicht sie flexible Arbeitsmodelle und damit die Entkoppelung von Arbeits- und Wohnort. Die allermeisten Beschäftigten haben in der Corona-Pandemie positive Erfahrungen mit Homeoffice und mobilem Arbeiten gemacht. Viele haben dabei gemerkt, dass ein Leben „in der Stadt“ in der Nähe des Arbeitgebers nicht mehr zwingend notwendig ist. Nicht wenige haben daraufhin das städtische Leben mit dem Leben „auf dem Land“ getauscht. Eine Stärkung der ländlichen Räume kann also tendenziell die Metropolregionen entlasten. Die ländlichen Räume alleine darauf zu reduzieren, wäre aber vollkommen falsch.

Gerade weil es immer mehr Menschen in die Großstädte zieht, kommt den ländlichen Räumen eine nicht weniger wichtige Bedeutung zu – nämlich als Lebens-, Erholungs- und Naturraum für die gesamte Bevölkerung. Für das „Dorfleben“ und den gemeinschaftlichen Zusammenhalt sind dabei Orte der Begegnungen, insbesondere Dorfgemeinschaftshäuser und Dorfgaststätten, auch im 21. Jahrhundert von immenser Bedeutung. Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl und die lokale Identität. Es fehlt aber auf dem Land häufig noch an mehr sozialen Treffpunkten und kulturellen Angeboten, wie zum Beispiel an Wanderkinos, Bühnengastspielen und Künstlerresidenzen. Die Stärkung der ländlichen Räume leistet somit einen wesentlichen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Oder auf den Punkt gebracht: Wer die ländlichen Räume stärkt, stärkt den sozialen Frieden! Ich bedauere es daher sehr, dass oftmals verkannt wird, welch außerordentlich wichtige Bedeutung die ländlichen Räume für unsere Gesellschaft haben! Diese Landesregierung hat sich der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse als einer unserer zentralen Aufgaben der Zukunft verschrieben. Ende 2018 haben wir dies sogar in der Landesverfassung verankert. Den Menschen soll schließlich auch in Zukunft überall in Hessen eine gute Lebensperspektive geboten und eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. In den vergangenen Jahren konnten wir diesbezüglich bereits viele wichtige Projekte auf den Weg bringen. So haben wir im Rahmen unserer Offensive „LAND HAT ZUKUNFT – HEIMAT HESSEN“ erste wichtige Akzente setzen können, die später in einem Aktionsplan „Starkes Land – Gutes Leben“ konkretisiert wurden. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl an Förderprogrammen und Maßnahmen, die das Leben in den ländlichen Gemeinden seitdem attraktiver machen.

Denken Sie etwa an unsere innovativen wie nachhaltigen Modellprojekte der Nahmobilität, wie zum Beispiel „Mobility-On-Demand“, „Carsharing“ oder den verstärkten Einsatz von Kleinbussen im ÖPNV. Oder denken Sie etwa an unser sehr erfolgreiches Programm „Starkes Dorf“, mit dem wir den Zusammenhalt und die Lebensqualität in den Dörfern Hessens fördern. Auch die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken gehört zu unseren Maßnahmen. Mit der Strecke von Frankenberg nach Korbach haben wir den Anfang gemacht, drei weitere Streckenabschnitte befinden sich in konkreten Planungen (Lumdatalbahn Lollar-Londorf, Horlofftalbahn –Wölfersheim-Södel nach Hungen, Neu Isenburg Bhf nach Neu Isenburg Stadt im Rahmen der Regionaltangente West). Für elf Strecken laufen Voruntersuchungen, Machbarkeitsstudien, manche stehen unmittelbar vor der Beauftragung. Der ländliche Raum muss genauso erschlossen sein wie die Städte!

Ich will mich an dieser Stelle allerdings vor allem auf die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Räumen konzentrieren. Mit dem Aufbau medizinischer Versorgungszentren, der Schaffung zusätzlicher Medizinstudienplätze, der stärkeren Förderung von E-Health und vor allem der Einführung der Landarztquote, die schon jetzt ein voller Erfolg ist, haben wir dort wichtige Grundpfeiler für die ärztliche Versorgung der Zukunft geschaffen. In naher Zukunft geht es darum, dass diese Landesregierung mit allen Beteiligten und vor allem mit der kommunalen Familie in eine umfassende Diskussion einsteigt, wie wir Krankenhäuser in Hessen zukunftssicher aufstellen. Wir brauchen eine noch tiefergehende Analyse der aktuellen stationären Versorgungssituation in Hessen. Wir brauchen eine bessere Identifizierung von Über-, Unter- oder Fehlversorgung. Wir brauchen eine genauere Bedarfsprognose für die Zukunft. Und wir müssen Handlungsempfehlungen für eine Krankenhausversorgung erarbeiten, die eine ortsnahe, bedarfsgerechte, leistungsfähige, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung ermöglicht. Deswegen werden wir zeitnah einen Krankenhausgipfel durchführen, die auch die Erfahrungen der Corona-Pandemie einbezieht. Unser Ziel ist es, dass jede Hessin und jeder Hesse im Notfall innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus erreichen kann. +++ pm