Özdemir kritisiert Merkel vor Gesprächen in Istanbul

Grünen-Bundestagsabgeordner Cem Özdemir

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür kritisiert, dass sie ihn nicht mit auf ihre Reise in die Türkei mitgenommen hat. „Seit ich mich als Abgeordneter 2016 maßgeblich für die Armenien-Resolution eingesetzt habe, war ich aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr in der Türkei“, sagte Özdemir der „Welt“. „Es wäre ein starkes Zeichen gewesen, wenn die Kanzlerin mich mitgenommen hätte, ich so ein Teil der Delegation gewesen wäre. Man hätte so Ankara signalisieren können: Wir gehören zwar unterschiedlichen Parteien an, aber lassen uns nicht auseinanderdividieren. Rechtsstaatlichkeit und freie Meinungsäußerung sind für uns als Demokraten nicht verhandelbar“, so der frühere Grünen-Chef weiter. Er bemängelte, eine „Politik des Aushaltens und Ausharrens“ bewirke beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass dieser glaube, sich alles erlauben zu können. Die Bundesregierung habe viel zu lange im Syrien-Konflikt und bei der Destabilisierung der Nachbarländer weggeschaut, so der Grünen-Politiker. „Nicht nur Syrien und Libyen zahlen einen bitteren Preis für unser Wegschauen und Nichtstun, sondern auch wir selbst. Je mehr das Machtkonto von Putin und Erdogan sich füllt, umso mehr wiederum jubilieren auch die Feinde der Demokratie bei uns“, sagte Özdemir der „Welt“.

Lambsdorff will Klartext

Vor der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Türkei hat der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff, die Bundeskanzlerin aufgefordert, mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan Klartext zu sprechen. Merkel dürfe „nicht zulassen, dass Erdogan das Flüchtlingsabkommen als Druckmittel benutzt. Stattdessen muss Deutschland für eine einheitliche europäische Türkeipolitik im Rat eintreten und den scheintoten EU-Beitrittsprozess endlich beenden“, sagte Lambsdorff den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Die Bundesregierung könne „nicht länger ignorieren, dass Erdogan die Menschen- und Bürgerrechte in der Türkei empfindlich einschränkt und in Libyen und Syrien aggressiv und unabgestimmt agiert“, so der FDP-Außenpolitiker weiter. Er forderte einen Grundlagenvertrag, der die türkisch-europäische Zusammenarbeit in der Wirtschafts-, Energie- und Flüchtlingspolitik regeln soll. „Gespräche über eine Vertiefung der Zollunion oder Visaliberalisierung kann es aber nur geben, wenn Ankara sein Verhalten ändert“, sagte Lambsdorff. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gabriela Heinrich, mahnte die Bundeskanzlerin ebenfalls, in Ankara schwierige Themen anzusprechen. „Das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Journalisten, Oppositionelle und Aktivisten der Zivilgesellschaft steht im Widerspruch zu den Werten der Demokratie und Rechtstaatlichkeit, die grundlegend für die europäische Wertegemeinschaft sind. Dies sollte die Bundeskanzlerin in ihren Gesprächen insbesondere Präsident Erdogan deutlich machen“, sagte Heinrich. Zudem solle Merkel den „völkerrechtswidrigen Einmarsch unseres NATO-Partners Türkei im Norden Syriens ansprechen.“ Grundsätzlich allerdings sei die Reise der Bundeskanzlerin in die Türkei das richtige Signal, hob die SPD-Politikerin hervor. „Auch wenn für uns die Zusammenarbeit mit der Türkei eine besonder  e Herausforderung ist, darf der Gesprächsfaden nicht abreißen. Libyen, Syrien, die Flüchtlingsproblematik und weitere Themen zeigen, dass Deutschland und Europa ein hohes Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit haben“, sagte Heinrich den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“.

Bundesregierung: Türkei geht härter mit Flüchtlingen um

Unmittelbar vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wirft ein interner Bericht der Bundesregierung ein dramatisches Bild auf die Lage von Flüchtlingen in der Türkei. Das berichtet „Bild“ (Freitagausgabe). Demnach beobachten deutsche Behörden eine Intensivierung türkischer Maßnahmen gegen Flüchtlinge und Migranten „vor dem Hintergrund des hohen Migrationsdrucks, der gesunkenen Akzeptanz in der Bevölkerung sowie der angespannten wirtschaftlichen Lage im Land“. Gegen die „hohe Zahl unerlaubt aufhältiger syrischer Flüchtlinge in der Türkei wurden Maßnahmen ergriffen“, heißt es in dem Bericht. Mehrere Provinzen „lehnten es ab, neue syrische Flüchtlinge aufzunehmen“. Allein Istanbul würde harte Maßnahmen gegen Flüchtlinge einleiten, die sich dort ohne Erlaubnis aufhielten. Mehr als 100.000 Syrer sollen die Stadt seither verlassen haben. +++