Kreistag ist sich einig: Landkreis Fulda würde sich mit LEP 2020 schlechter stellen

Landrat Woide (CDU): Man muss LEP-Pläne kritisch sehen

Dass sich der Kreistag nicht immer einig ist, liegt in der Natur der Sache. Doch auf der gestrigen Sitzung im Gemeindezentrum Neuhof (Kr. Fulda) haben die Kreistagsabgeordneten den Entwurf von Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Bündnis 90 / Die Grünen) für den neuen Landesentwicklungsplan (LEP) 2020 einstimmig und parteiübergreifend zurückgewiesen. Al-Wazir hatte bei der Vorstellung in Wiesbaden gesagt: „Hessen wird mit dem geänderten Landesentwicklungsplan noch attraktiver und lebenswerter. Mit dem vorliegenden Landesentwicklungsplan schaffen wir die Voraussetzungen für gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen.“ Nach dem Landrat des Landkreises Fulda, Bernd Woide (CDU), müsse man die Pläne zum Landesentwicklungsplan 2020 kritisch sehen: „Hessen hat eine Besonderheit: die direkte Verbindung zwischen dem Landesentwicklungsplan und kommunalen Finanzausgleich. Das heißt, das, was im Landesentwicklungsplan vorgegeben wird, hat unmittelbare Folgen auf die finanzielle Ausstattung der Kommunen und somit auch auf den Landkreis.“ Unter anderem sieht der neue LEP vier Raumkategorien vor, vorher waren es drei. Mit entscheidend dafür war beispielsweise die Verhältnismäßigkeit Einwohner Arbeitsplatzsituation zur Fläche. In diesem Zusammenhang brachte Woide ein weiteres Thema zur Sprache, das die gestrige Kreistagssitzung mitunter dominierte.

Landrat Woide: Corona ist eine Zäsur – nicht nur für den Landkreis Fulda, sondern für das ganze Land Hessen

„Als die Grundlagen für den Landesentwicklungsplan 2020 gelegt wurden, waren andere Voraussetzungen gegeben; da war Corona noch kein Thema. Man ging von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Hessens der letzten Jahre aus. Corona ist eine Zäsur – nicht nur für den Landkreis Fulda, sondern für das ganze Land Hessen. Nach dem LEP 2020 würde Flieden (Landkreis Fulda) der Stadt Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) und Bad Salzschlirf (Landkreis Fulda) der Stadt Lauterbach (Vogelsbergkreis) zugeordnet werden. Woide: „Das kann man so machen – aber wir haben eine andere Zuordnung, die man auch ‚psychosozialer Zusammenhalt‘ nennt.“ Landrat Woide betonte, dass die Wechselwirkung der wirtschaftlichen Prosperität des Rhein-Main-Gebietes und damit die wirtschaftliche Auswirkung auf die Region heute „eine völlig andere“ sei, die man berücksichtigen müsse. An das Land Hessen appellierte der Landrat des Landkreises Fulda, sich das Ganze „noch einmal anzuschauen“.

Der Landesentwicklungsplan (LEP) 2020 sieht unter anderem vor, dass die Gemeinden Flieden, Neuhof und Kalbach dem Mittelzentrum Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) und Bad Salzschlirf dem Mittelzentrum Lauterbach (Vogelsbergkreis) zugeordnet werden, und das obwohl sich die betroffenen Menschen Fulda zugehörig fühlen. Grundlage für die Änderungen ist die Zuordnung zur Strukturraumkategorie „Verdichteter Raum“, obwohl die Gemeinden, die von der Landesregierung selbst formulierten Kriterien und Schwellenwerte gar nicht erreichen. In der Folge verlieren diese Gemeinden und damit auch der Landkreis Fulda Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich von insgesamt rund 6,5 Millionen Euro im Jahr. Dadurch werden höhere Belastungen für alle kreisangehörigen Kommunen und damit auch für unsere Bürgerinnen und Bürger wahrscheinlicher. Hierzu sagte Landrat Woide: „Die Zuordnung beruht auf der Tatsache, wie schnell man mit dem Auto im nächsten Mittelzentrum ist.“ Dies könne man so machen, aber es sei nicht korrekt und berücksichtige nicht ansatzweise die Wirklichkeit der Menschen, die in der Region leben. „Mir hat mal jemand gesagt, dass der Distelrasen eine Grenze sei; dass es dort etwas gebe, was man nicht sehen könne, dies sei einfach da und müsse berücksichtig werden“, so Woide. Der Reaktion des Hessischen Wirtschaftsministers Al-Wazir, der geäußert haben soll, dass er „die Aufregung in der Region“ nicht verstehen könne, begegnete der Landrat des Landkreises Fulda auf der gestrigen Kreistagssitzung: „Wehret den Anfängen. Denn, wenn es wie jetzt, ‚nur theoretisch‘ ist, kann man es noch leicht ändern.“

Winfried Happ (CDU): Schlüchtern wird seinen Ansprüchen als Mittel- bzw. Oberzentrum in keiner Weise gerecht

Das CDU-Kreistagsfraktionsmitglied Winfried Happ hat sich im Rahmen der gestrigen Sitzung an der Diskussion über den neuen Landesentwicklungsplan ebenfalls kritisch zu Wort gemeldet. In seinem Redebeitrag machte der Reiseunternehmer, der unter anderem auch im besagten Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) eine Filiale seines gleichnamigen Reisebüros führt, deutlich, warum Schlüchtern seinen Ansprüchen als Mittel- bzw. Oberzentrum in keiner Weise gerecht würde. „Schlüchtern kann eine Funktion als Mittel- oder Oberzentrum nicht ansatzmäßig erfüllen“, so der Unternehmer. Hierfür weiße Schlüchtern eine viel zu schwache Infrastruktur auf. Damit verlieh der langjährige Kommunalpolitiker seinen Vorrednern aus den eigenen Reihen Nachdruck.

Der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Michael Busold, sagte, dass eine Kennzahl definiert würde, die dann „völlig willkürlich“ in die Methodik dieser Einstufung – sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung eingepasst würde. Dies habe mit der Lebenswirklichkeit der betroffenen Gemeinden gar nichts zu tun. Bezugnehmend des Interviews, über dieses man kürzlich über die Ansichten des Hessischen Wirtschaftsministers zum Landesentwicklungsplan in der hiesigen Tageszeitung lesen konnte, sagte Busold, dass der Wirtschaftsminister besser darin beraten gewesen wäre, sich hierzu nicht zu äußern. Mit diesem Interview, so der Fraktionsvorsitzende, habe Minister Al-Wazir gezeigt, wie weit weg er von der Lebenswirklichkeit dieser Region sei. „Die Grünen in Hessen zeigen damit – das Zeigen auch die zustimmenden Äußerungen der beiden Landtagsabgeordneten aus der Region -, das sie nach wie vor eine Großstadtpartei sind, die sich nicht für den ländlichen Raum einsetzen.“ Auch eine Äußerung des hiesigen Landtagsabgeordneten Hofmann (Bündnis 90 / Die Grünen) kritisierte Bosold scharf: „Zum Selbstverständnis der Stadt Fulda muss es gehören, sich nicht als ländlichen Raum zu betrachten, sondern als starke Wirtschafsregion in Hessen.“ Der Entwicklungsplan müsse der positiven Entwicklung der Region Rechnung tragen, dazu gehöre, dass Neuhof, Kalbach und Flieden von der Entwicklungsachse Rhein-Main-Fulda profitieren. „Wir müssen alles dafür tun, dass es nicht dazu kommen wird“, betonte Bosold. Darüber hinaus lobte er – wie alle seine Vorredner auch – die erarbeiteten Stellungsnahmen des Landkreises Fulda.

Mario Klotzsche (FDP): Landesentwicklungsplan bringt für uns nur Nachteile

„In dem Entwurf des Landesentwicklungsplans finden sich viele Fehler“, stellte Mario Klotzsche von der FDP-Kreistagsfraktion heraus. Man habe sich das in Flieden einmal angeschaut und überprüft, was über die ÖPNV-Erreichbarkeit im Plan steht. Fazit: „Es werden Verbindungen unterschlagen, Dinge einfach anders dargestellt. Dieser Entwurf bringt keine Vorteile, sondern nur Nachteile“, so das Kreistagsmitglied. Als Fliedener Gemeindevertreter könne er sagen, dass 400.000 Euro für eine Kommune unglaublich viel Geld sind. „Hier wird in Wiesbaden etwas zurechtgebogen, was in der Region überhaupt nicht passt. Die Kreisstadt Bad-Hersfeld, ICE- und Hochschulstandort, an der A4 und der A7 liegend, soll ländlicher Raum bleiben. Wie das zusammenpasst, soll man den Menschen in der Region erst einmal erklären können. Wir als FDP-Kreistagsfraktion können das jedenfalls nicht verstehen“, so Klotzsche.

CWE-Kreistagsfraktion: Unsere Landtagsabgeordneten mögen alles daransetzen, dass dieser Landesentwicklungsplan geändert wird

Die CWE-Fraktion im Fuldaer Kreistag hob am Montag hervor, dass das, was dem Landkreis an Finanzmittel fehlt, sich letztendlich auf alle Kommunen des Landkreises auswirken werde. So werde das Geld unter anderem für den Schulbau und Kreisausgleichstock fehlen. Ebenso die Kommunen, die jetzt nicht unmittelbar betroffen sind, würden die Auswirkungen des Landesentwicklungsplanes noch spüren. „Wir teilen die Kritik und Forderung, die in der sehr fundierten Stellungnahme des Kreisausschusses erarbeitet wurden, in vollem Umfang“, so der Vorsitzende der CWE-Kreistagsfraktion, Thomas Grünkorn. Der Hinweis, dass eine Beantwortung der Stellungnahme nicht vorgesehen sei, sei nach der CWE-Kreistagsfraktion in einer Demokratie eine Zumutung. „Wir haben eine klare Erwartungshaltung an die osthessischen Landtagsabgeordneten; sie mögen alles daran setzten, dass dieser Landesentwicklungsplan geändert wird, denn hier geht es um die originären Interessen des Landkreises sowie seiner Kommunen“, sagte der CWE-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Fulda, Thomas Grünkorn, abschließend seines Redebeitrages.

Auch die Kreistagsfraktion Die Linke.Offene Liste kritisierte den Entwurf des neuen Landesentwicklungsplans. Demnach teilte und unterstützte Fraktionsvorsitzender Michael Wahl die Darstellungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden und ehemaligen Abgeordneten des Hessischen Landtags, Dr. Norbert Herr, weitestgehend. Keine Kritik zum neuem Landesentwicklungsplan kam von der Vorsitzenden der Kreistagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, Deborah Müller-Kottusch. Sie sei enttäuscht darüber, dass bei der regionalen Zuordnung regionale Identitäten und gewachsene Strukturen keine Rolle spielten. Das CDU-Kreistagsfraktionsmitglied, zudem Bürgermeister der Kommune Eichenzell, Johannes Rothmund (CDU), sagte, dass die Hessenagentur dem Landkreis eine Reduktion der Einwohnerzahl voraussage. Wie man da auf die Idee kommen könne, dass der verdichtete Raum in der Region größer werde, erschließe sich ihm persönlich nicht so ganz. Im Hinblick auf die positiven Haushalte in der Region sagte er, das dies schon immer so gewesen sei. „Wir haben immer nur soviel ausgegeben, was wir uns auch leisten konnten“, sagte er. Es könne am Ende nicht sein, dass einem, so Rothmund, eine positive Haushaltspolitik auf die Füße falle.

Corona – Woide: Heute noch keine Prognose für die Zukunft abgeben

Vor dem Hintergrund der Corona-Virus-Pandemie bittet der Landrat des Landkreises Fulda, Bernd Woide (CDU), die Kreistagsdelegierten – aber auch die Bevölkerung in der Region – um Nachsicht, Akzeptanz und Geduld, zumal „uns das Corona-Ding mindestens noch zwei Jahre lang begleiten“ werde. Vieles von dem, das uns die letzten Wochen und Monate stark forderte, werde, so Landrat Woide, in den nächsten Wochen und Monaten hoffentlich in den Hintergrund treten. „Wir arbeiten daran, gewisse Dinge für die Bevölkerung einigermaßen erträglich und akzeptabel zu gestalten, aber wir können nicht alles so umsetzen, wie sich das sicher viele von uns wünschen. Fakt ist: das Virus ist nun mal da, es ist virulent. Unsere Aufgabe ist es, die Auswirkungen des Virus weitestgehend zu minimieren.“ Um allerdings eine Bestandsaufnahme dahingehen zu machen, was gut und richtig oder was eher nicht so gut und falsch war, dafür sei es nach Landrat Woide aktuell noch zu früh. „Wir können heute logischerweise noch keine Prognose für die Zukunft machen. Woide versprach abschließend, einiges aus den gestellten Anträgen, die Corona-Pandemie betreffend, gedanklich mit aufzunehmen und in eventuelle Entscheidungen miteinfließen zu lassen. +++ nh/ja