Kitas – Familienbund: Fulda plant Betriebsrisiken auf Eltern abzuwälzen

In anderen Kommunen wurden solche „Vollkaskoplanungen“ bereits wieder revidiert

In der Kita

Fulda. In der nächsten Sitzung der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung am 16. Dezember geht es auch um zwei Veränderungen zur Satzung der Fuldaer Kindertagesstätten. Zum einen soll das Verpflegungsentgelt nach drei Jahren um 12-13 Prozent angehoben werden, zum anderen sollen Eltern bei streikbedingten Schließungstagen keine Gebührenerstattung mehr einfordern können. Bislang müssen Eltern laut Satzung nur bei ferien- und urlaubsbedingten bedingten Schließtagen weiterzahlen, nicht jedoch bei Schließtagen aus anderen Gründen wie z. B. bei Streik. „Beide vorgesehenen Änderungen führen eindeutig zu Belastungen von Familien.“ erklärte Hubert Schulte, der Landesvorsitzende des Familienbundes der Katholiken.

Während die Anhebung der Essenskosten grundsätzlich nach drei Jahren zu erwarten war, in der Höhe allerdings deutlich stärker ausfällt als die Vergütungserhöhungen und als die Inflationsrate im gleichen Zeitraum, ist der vorgesehene Ausschluss der Gebührenerstattung bei streikbedingten Schließungszeiten – zuletzt im Jahr 2015 – ein grundsätzlicher Affront für die Familien. Für sie wird damit eine Situation geschaffen, in der sie neben der kurzfristigen Organisation einer Ersatzbetreuung für die Streiktage im Prinzip die Betreuung doppelt zahlen müssen, für die Ersatzbetreuung und – ohne Gegenleistung – an die Stadt für nicht erfolgte Betreuung. Die Stadt dagegen erhöht ihre Kostenersparnis. Denn für die Streikdauer erhalten die Erzieher keine Vergütung von der Stadt, sondern Streikgeld von der Gewerkschaft. Die Stadt als Träger spart somit mindestens 60 Prozent der Gesamtkindergartenkosten – so hoch sind die Personalkosten – und profitiert damit umso mehr, je länger der Streik andauert. Da die Kita-Gebühren nur max. 25 Prozent der Gesamt-Kita-Kosten abdecken, würde die Stadt selbst bei vollständiger Gebührenerstattung während des Streiks noch mindestens 35 Prozent und damit ein Drittel der Gesamtkosten sparen – aber das scheint ihr nicht zu genügen, kritisiert Schulte. Andere Städte waren da im vergangenen Jahr familienfreundlicher: Gießen habe den Eltern die vollen Gebühren erstattet, Kassel immerhin zwei Drittel, Fulda mit etwa 9.000 € nur einen deutlich geringeren Anteil.

Hubert Schulte: „Das Streikrecht ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt. Es dient als Druckmittel der organisierten Arbeitnehmer zur Durchsetzung von berechtigten tariflichen Interessen gegenüber den Arbeitgebern. Dies droht in Fulda nun ausgehebelt zu werden. Betroffene eines Kita-Streiks würden bei der vorgesehenen Satzungsänderung ausschließlich die Eltern und damit unbeteiligte Dritte, die nicht am Tarifverhandlungstisch sitzen – und natürlich auch die Kinder, für die eine kurzfristig organisierte Ersatzbetreuung in andere Weise belastend ist. Profitieren würde der örtliche Arbeitgeber, der eigentlich unter Druck gesetzt werden solle. Der Streikzweck wird so ad absurdum geführt.“ Zu begrüßen ist daher die Forderung der CDU-Mittelstandsvereinigung vom November 2015:„Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU fordere deshalb den Gesetzgeber auf, das Streikrecht in Bereichen der Daseinsvorsorge so zu regeln, dass … nicht unbeteiligte Dritte zu den Hauptbetroffenen dieser Auseinandersetzungen werden.“ – so deren Landesvorsitzender Frank Hartmann, Petersberg. „Gilt dies auch für die Stadt Fulda? – Wohl kaum!“, stellt Hubert Schulte fest. Wenn man darüber hinaus beobachten könne, dass die Stadt Fulda (auch) im Erzieherbereich nahezu durchgängig Neueinstellungen sachgrundlos auf zwei Jahre befriste, belaste auch dies Kinder und Eltern, die sich nicht auf langfristige Beziehungen und Bindungen einstellen könnten. „Dabei wissen nicht nur Pädagogen, wie wichtig der Aufbau von verlässlichen Bindungen zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen sind. Auch hier könne die Stadt noch Manches im Bereich junger Familien verbessern, um ihrem Anspruch, eine familienfreundliche Stadt zu sein, besser zu entsprechen, meint Hubert Schulte abschließend.

DGB Südosthessen unterstützt die deutliche Kritik

Es kann nicht angehen, dass Alleinerziehende und sozial Schwächere, welche in der Regel bei der Ausübung einer Beschäftigung auf eine funktionierende Kita angewiesen sind, durch die geplante Satzungsänderung die Gebühren bei ungeplantem Ausfall fortzahlen müssen. Dass in der Beschlussvorlage der Fuldaer Stadtverordneten die Fortzahlung der Gebühren im Streikfall explizit genannt ist, ist klarer Bestandteil einer Doppelstrategie der Stadt Fulda, um theoretisch denkbare zukünftige Streiks in Kindergärten auch durch den Druck der Eltern möglichst früh zu beenden. Die Eltern werden durch diese Vorgehensweise (Ausfall der Kinderversorgung bei Weiterlaufen der Gebühren) der Stadt jedoch doppelt bestraft. Da die Personalkosten 65 bis 70% der Kitakosten ausmachen könnte die Stadt am Ende durch einen Streik noch Gewinn machen. Gleichzeitig wird faktisch das verfassungsmäßige Recht der Beschäftigten in den DGB Gewerkschaften auf Durchsetzung ihrer tariflichen Forderungen unterminiert. Auch sollten sich die Elternbeiräte fragen, ob sie diese Entwicklung gut heißen wollen. Eine solche Regelung wird potentiell in den Kindergärten zu massiven Konflikten zwischen Eltern und Erzieherinnen führen. In anderen Kommunen wurden solche „Vollkaskoplanungen“ städtischer Kämmerer durch den Druck der Betroffenen bereits wieder revidiert. +++