Kein Rücktritt: Aiwanger streitet Vorwürfe weiterhin ab

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) streitet die Vorwürfe gegen ihn weiterhin ab. „Ich betone nochmals, ich habe das Pamphlet nicht verfasst“, sagte Aiwanger bei einem Pressestatement am Donnerstagnachmittag, bei dem er keine Nachfragen von Journalisten zuließ. „Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Ich habe keine Hitlerreden vor dem Spiegel einstudiert. Weitere Vorwürfe wie menschenfeindliche Witze kann ich aus meiner Erinnerung weder vollständig dementieren noch bestätigen.“

Er bereue zutiefst, wenn er durch sein Verhalten in Bezug auf das Pamphlet oder weitere Vorwürfe „Gefühle verletzt habe“, so Aiwanger. „Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten der wertvollen Erinnerungsarbeit.“ Die genannten Vorwürfe lägen 36 Jahre zurück, sagte der Bundesvorsitzende der Freien Wähler. „Ich habe den Eindruck, ich soll politisch und persönlich fertig gemacht werden.“ Am Mittwoch hatte der Zentralrat der Juden Aiwangers Umgang mit den Vorwürfen und seiner Aussage, „seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte“ kein Antisemit gewesen zu sein, deutlich kritisiert.

Schuster äußert Lob und Kritik zu Aiwanger-Erklärung

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat zur Erklärung von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) Lob und Kritik geäußert. „Die Entschuldigung von Hubert Aiwanger bei den Opfern und Hinterbliebenen der Schoa war ein guter, wenn auch längst überfälliger Schritt“, sagte Schuster der „Bild“ (Freitagausgabe). „Bedauerlicherweise verbindet er dies mit einer Klage über eine politische Motivation der Vorwürfe und lässt weiterhin den Willen zu offenen Aufklärung vermissen. Es bleibt abzuwarten, ob die Beantwortung der Fragen der Staatskanzlei die immer noch ausstehende Klarheit bringen.“ Historiker Michael Wolffsohn, der Aiwanger bereits in den vergangenen Tagen gegen Kritik verteidigte, sieht die Entschuldigung von Aiwanger sehr positiv. „Die Entschuldigung finde ich in Ton und Inhalt überzeugend“, sagte er der „Bild“. Es bleibe dabei: „Die Fakten zählen. Solange die Fakten seiner Aussage nicht widersprechen, gilt der fundamentale europäische Wert: Im Zweifel für den Angeklagten.“

Lang kritisiert Aiwanger-Erklärung

Grünen-Chefin Ricarda Lang hat sich unzufrieden mit den neuen Erklärungsversuchen des Bayerischen Vize-Regierungschefs Hubert Aiwanger (Freie Wähler). „Ich finde, es gibt immer noch zu viele Fragen, die nicht aufgeklärt sind und die auch Aiwanger bisher nicht aufklären konnte“, sagte Lang dem TV-Sender „Welt“. Sie habe im Bayern-Wahlkampf sehr viele anständige Bürger erlebt, Bayern sei ein „anständiges Bundesland“ und habe entsprechend auch „eine Landesregierung mit Anstand verdient“, so Lang. „Und das vermisse ich gerade beim stellvertretenden Ministerpräsidenten. Aber auch der Ministerpräsident muss jetzt dafür sorgen, dass Schaden von Bayern abgewandt wird.“ Die Spitzenkandidatin der Bayerischen Grünen, Katharina Schulze, hält die Entschuldigung Aiwangers für längst überfällig.“Die Menschen in Bayern warten seit Tagen auf eine angemessene Entschuldigung von Hubert Aiwanger“, sagte sie dem Sender. „Der Schritt, sich bei den Opfern des Nationalsozia  lismus und deren Nachfahren zu entschuldigen, war überfällig. Für mich bleiben trotzdem noch viele weitere Fragen offen.“ Das Krisenmanagement des Freie-Wähler-Chefs hält Schulze für kritikwürdig, eine Schmutzkampagne sieht sie nicht. „Am Anfang hat er alles abgestritten, drohte mit juristischen Schritten. Und kurz danach stimmte er eigentlich gefühlt allem zu – und der Bruder meldete sich und meinte, er hätte dieses Hetzblatt geschrieben. Ich fand den Umgang von Hubert Aiwanger mit den Vorwürfen bezüglich des antisemitischen Flugblatts schädlich.“ Das habe das Ansehen des Landes beschädigt, so Schulze. „Und ich finde den Vorwurf einer Schmutzkampagne mehr als seltsam.“ Nun sei es an Markus Söder, sich dazu zu verhalten. „Die Entscheidung liegt jetzt im Endeffekt bei Markus Söder. Der Ball liegt bei ihm“, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen. „Er muss entscheiden, ob er weiter mit Hubert Aiwanger in einer Koalition sein möchte, ob er sich von ihm vertreten lassen möchte.“ +++

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