Intensivmediziner: Vierte Corona-Welle könnte Kliniken verschonen

Montgomery: Herdenimmunität "kurzfristig nicht erreichbar"

Coronavirus

Der Berliner Intensivmediziner Jörg Weimann geht davon aus, dass eine vierte Corona-Welle die Kliniken weniger stark trifft als die bisherigen Wellen. Zwar sei die Delta-Variante ansteckender als die anderen Virusvarianten, sie treffe aber auf eine Bevölkerung, die zum Teil geimpft sei oder die Krankheit schon überstanden habe, sagte Weimann am Dienstag im RBB-Inforadio. Seiner Einschätzung nach werden die Krankenhäuser auch bei wieder steigenden Infektionszahlen weniger stark belastet als in der Vergangenheit. „Das ist das große Ziel, das die Impfungen haben: schwere Verläufe zu verhindern.“ Man müsse auch davon ausgehen, dass doppelt Geimpfte sich durchaus auch schon noch mal infizieren können, wenn auch nicht in derselben Rate, dann werde das eher zu Krankenständen führen, allerdings weniger zu Krankenhausaufnahmen. „Vielleicht sehen wir gar nicht so viele in den Krankenhäusern und kommen damit klar.“

Montgomery: Herdenimmunität „kurzfristig nicht erreichbar“

Eine Herdenimmunität gegen das Coronavirus ist nach Ansicht von Weltärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery „kurzfristig nicht erreichbar“. „Menschen, die skeptisch sind, müssen wir überzeugen. Die zehn Prozent, die sich ums Verrecken nicht impfen lassen wollen, werden ihre Immunität erreichen, indem sie eine Erkrankung durchmachen“, sagte Montgomery den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das werde dann auch geschehen, „wenn wir alle Vorsichtsmaßnahmen fallen lassen“. Der Anteil der Geimpften und Genesen müsste bei rund 85 Prozent liegen, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Der Schlüssel zum Erfolg sei eine möglichst hohe Durchimpfung der Bevölkerung, so Montgomery. Man müsse Anreize setzen, damit sich mehr Menschen impfen lassen. Viele Impfverweigerer der zweiten Runde seien auch solche, die Astrazeneca nicht haben wollen. „Die Vakzine kann man verschenken.“ Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe in einem Symposium vor dem Vatikan berichtet, dass zehn Staaten auf der Welt 80 Prozent der Impfstoffe verimpft hätten. Die Chance eine Impfung zu bekommen, sei in Afrika 62 Mal mal geringer als in den USA. Bisher sei nur ein Prozent der Afrikaner geimpft. „Es ist in unserem Interesse, dass all die Länder um uns herum dieselbe Immunitätslage haben wie wir“, so Montgomery. „Es gibt Kontinente, da wären die Leute froh, wenn sie bekämen, was wir inzwischen aus einer gewissen Laxheit heraus als nicht gut genug betrachten“, fügte er hinzu.

Niedersachsens Ministerpräsident fordert Impf-Empfehlung für Kinder

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) appelliert an die Ständige Impfkommission (Stiko), ihre Haltung bei Corona-Impfungen für Kinder zu überdenken. Er könne die Stiko-Empfehlung, 12- bis 17-Jährige nur bei bestimmten Vorerkrankungen zu impfen, „überhaupt nicht nachvollziehen“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Gegner, der aktuell auf dem Platz stehe, heiße Delta-Variante. „Und diese wird sich vor allem auf diejenigen konzentrieren, die nicht geimpft sind. Vorrangig junge Menschen also, für die es keine Impfempfehlung gibt, was wiederum eine gewisse Zurückhaltung bei Ärzten nach sich zieht“, kritisierte Weil. Gleichzeitig gebe es viele Länder, in denen auch Kinder und Jugendliche geimpft würden, was er für „absolut plausibel“ halte. Er habe kein Verständnis dafür, dass die Stiko ihre üblichen Maßstäbe und die Frage, ob in wenigen Einzelfällen Impfschäden drohten, nicht an die bedrohliche pandemische Lage anpasse. „In Pandemiezeiten muss es doch vielmehr um die Frage gehen, wie viele schwere Schäden durch eine Impfung verhindert werden können“, sagte Weil. „Die Stiko sollte ihre Haltung auch mit Blick auf die Zeit nach den Sommerferien noch einmal überprüfen.“ Das nächste Schuljahr komme bestimmt, und wenn die Stiko meine, die Datenbasis reiche noch nicht aus, möge sie sich das Datenmaterial „schnellstens“ beschaffen. „Schließlich gibt es inzwischen viele Tausend geimpfte Kinder und Jugendliche auf der Welt.“ +++