Intensivmediziner fordern schnelles Handeln der Politik

Kretschmer sieht Gesprächsbedarf

Die Intensivmediziner fordern mit Blick auf eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes schnelles Handeln der Politik. Die Lage sei jetzt schon „dramatisch“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, dem ARD-Hauptstadtstudio. „Jeder Tag zählt. Unser dringender Appell an die politisch Verantwortlichen ist, dass die Regelung möglichst schnell in Kraft tritt. Von unserer Seite aus: Am besten nächste Woche, damit wir ganz schnell das Gesundheitssystem und insbesondere die Intensivstationen wieder entlasten können.“

Kretschmer sieht Gesprächsbedarf beim Infektionsschutzgesetz

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meldet „erheblichen Gesprächsbedarf“ zum geplanten Infektionsschutzgesetz für mehr Machtbefugnisse für den Bund in der Pandemie an. „Man merkt dem Gesetzentwurf an, dass es die Länder waren, die im letzten Jahr die Regelungen zum Schutz der Bevölkerung erlassen haben“, sagte er der „Welt“. „Daher gibt es eine Reihe von Punkten, die aus Sicht des Freistaates insbesondere mit Blick auf die praktische Umsetzung und den Vollzug des Gesetzes geändert werden müssen.“ Dazu gehörten „eine Ergänzung des Inzidenzwertes um einen Faktor, der die Bettenauslastung beschreibt, eine Eingriffsschwelle für die Ausgangssperre erst ab einer Inzidenz von 200, weitere Ausnahmen für den Einzelhandel, damit die Angelegenheiten des täglichen Bedarfs auch im Falle eines Brücken-Lockdowns weiterhin ermöglicht werden, sowie insbesondere ein Verzicht des Bundes für Regelungen im Schulbereich“, sagte Kretschmer. „Die Realität in Deutschland ist, ein großer Teil der Menschen trägt die aktuellen Einschränkungen nicht mehr mit und kann die politischen Hintergründe nicht nachvollziehen. In einer Demokratie ist es schlecht, diese Realität beiseitezuschieben oder die Menschen dafür zu beschimpfen“, so Kretschmer. „Es ist notwendig, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Das ist aus meiner Sicht kein Inzidenzwert, sondern die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems.“ Viele Länder forderten deshalb einen Bettenindikator als Grundlage für noch härtere Einschränkungen. „Das ist aus meiner Sicht eine zwingende Voraussetzung für Akzeptanz in der Bevölkerung.“ Außerdem müsse das Gesetz zeitlich befristet werden – es müsse also automatisch auslaufen.

Bartsch: Linke kann Infektionsschutzgesetz so nicht zustimmen

Die Linke will der geplanten Reform des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ziel bundeseinheitlicher Regelungen in der derzeitigen Form nicht zustimmen. In der Sache habe er „ein paar fundamentale Kritikpunkte“, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. So solle zum Beispiel das private Verhalten hart reglementiert werden, während für Unternehmen keine Pflichten vorgesehen seien. „Ich sehe deshalb kaum Möglichkeiten, dem Vorhaben zuzustimmen.“ Es sei dennoch gut, dass es Regelungen geben soll, die für alle nachvollziehbar seien. „Wir werden das Verfahren auch nicht bremsen“, fügte Bartsch hinzu. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte unterdessen dem RND: „Die Infektionslage und die Situation auf vielen Intensivstationen sind beunruhigend. Es muss dringend gehandelt werden. Es war unverantwortlich, dass die vergangenen Wochen ungenutzt geblieben sind.“ Die Grünen seien bereit, eine zügige Beschlussfassung zu ermöglichen. Der Gesetzentwurf sei aber „allenfalls ein Notbehelf und in der Sache dringend nachbesserungsbedürftig“, fügte sie hinzu. „Es muss sichergestellt sein, dass vorgeschlagene Regelungen wirksam, verhältnismäßig und verfassungsfest sind.“ Auch müssten insbesondere Wirtschaft und Arbeitswelt verpflichtet werden, mehr zur Infektionsvermeidung beizutragen, so die Grünen-Politikerin. Eine Testpflicht für Arbeitgeber, die Nutzung von Homeoffice-Möglichkeiten und das Tragen von medizinischen Masken müssten verpflichtend vorgeschrieben werden. Der Reformentwurf beinhaltet bundeseinheitliche Regeln ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohner und soll innerhalb der nächsten zwei Wochen beschlossen werden. +++