IHK Fulda: Jahresempfang 2020

Gebhardt: Verständnis für das wecken, was Wirtschaft bedeutet

Die Industrie- und Handelskammer Fulda hatte gestern Nachmittag zu ihrem traditionellen Jahresempfang geladen. Rund 600 Gäste aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Wirtschaft und Verwaltung, Bildung, Kultur sowie Kirche und Gesellschaft waren der Einladung ins Schlosstheater Fulda gefolgt. Als Hauptreferenten konnte die IHK Fulda in diesem Jahr den Wirtschaftswissenschafter und Historiker Prof. Dr. Michael Hüther in Fulda willkommen heißen. Als Direktor und Präsidiumsmitglied nimmt Hüther Aufgaben am Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. war. Für den langjährigen Hauptgeschäftsführer der IHK Fulda Stefan Schunck war es der letzte Jahresempfang in dieser Position, für Dr. Christian Gebhardt als neuer Präsident der erste.

In seiner Rede ging IHK-Präsident Dr. Christian Gebhardt auf die derzeitige wirtschaftliche und politische Lage ein und musste feststellen: „Keine der aktuellen Krisen ist wirklich gelöst, weder der Handelskonflikt zwischen China und den USA, noch die Flüchtlingsfrage auf europäischer Ebene oder die konkrete Ausgestaltung des Brexits.“ Bezug genommen auf die Klimabewegungen im vergangenen Jahr sagte der IHK-Präsident: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eines der Herzstücke unserer Industrie, die Automobilindustrie, opfern.“ Der gleiche Tenor war einen Tag zuvor bei dem Jahresempfang der Gemeinde Eichenzell, einer Kommune etwa 12 Kilometer südlich des Oberzentrums, angeklungen. „Die konjunkturelle Hängepartie wird wohl auch in 2020 weitergehen“, prognostizierte Gebhardt. „Allerdings sollte man in einigen Branchen, so etwa im Maschinenbau, aufpassen und nach den Worten des Präsidenten des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA) Carl Martin Welcker – eher nahe am Ausgang tanzen. Der Maschinenbau leidet unter der schwindenden Nachfrage aus der Autoindustrie und der Unsicherheit auf den wichtigen Exportmärkten, Großbritannien, China und den USA.“

In diesem Zusammenhang nahm Gebhardt auf die Ankündigung von großen Automobilherstellern und Zulieferern wie Continental und Schaeffer Bezug, Stellen abbauen zu wollen. Diese strukturelle Krise sei, so Gebhardt, auch in der Region Osthessen spürbar. Die Zahl der Kurzarbeiter steige auch hier, so der IHK-Präsident. „Trotz der technischen Rezession rechnen sowohl die Experten des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung als auch das DIW damit, dass der Arbeitsmarkt stabil bleibt, letztere sogar mit 150.000 neuen Jobs. Nach 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr rechnet das DIW in diesem Jahr mit 1,2 Prozent Wachstum und im kommenden mit 1,4 Prozent. Auch für die Eurozone werden aufgrund steigender Reallöhne und weiterhin hoher Binnennachfrage ähnliche Werte prognostiziert. Die Weltwirtschaft soll 2020 um 3,1 Prozent wachsen, nach 3 Prozent im vergangenen Jahr.

Weiter nahm Gebhardt auf die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Landkreis Fulda mit der Industrie- und Handelskammer Fulda. Diese Zusammenarbeit, so Gebhardt, sei geprägt von einem Klima der Offenheit und des Vertrauens. „Nur so ist es möglich, in unserer gemeinsamen Wirtschaftsförderungsgesellschaft, der Region Fulda GmbH, wegweisende Projekte wie etwa die Zukunftsstudie oder die Nachwuchskampagne auf die Beine zu stellen“, so der IHK-Präsident. Daneben bekundete Gebhardt seine Freude darüber, dass im vergangenen Jahr über den neu geschaffenen Beirat der Gesellschaft auch die Hochschule Fulda und das Handwerk mit eingebunden werden konnte. Besondere Begrüßungsworte galten in diesem Zusammenhang neben dem Hochschulpräsidenten dem neuen Kreishandwerksmeister Thorsten Krämer und mit ihm der neuen Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Fulda Gabriele Leipold. „Lieber Herr Krämer, unsere Vorgänger haben ja bereits gut zusammengearbeitet, ich bin mir sicher, dass wir diese vertrauensvolle Zusammenarbeit erfolgreich fortsetzen werden“, rief er dem neuen Kreishandwerksmeister von der Bühne des Schlosstheaters aus zu.

Mit der Begrüßung des Regierungspräsidenten des Regierungspräsidiums Kassel, Hermann-Josef Klüber, nahm der IHK-Präsident noch einmal Bezug auf das Vermächtnis des ermordeten Regierungspräsidenten, Klübers Vorgänger Dr. Walter Lübcke: „Hermann-Josef Klüber ist ein Fuldaer und wird sicherlich das Werk von Walter Lübcke fortsetzen, dem es immer ein besonderes Anliegen war, das Fulda und Kassel näher zusammenrücken.“ Abschließend sagte Dr. Christian Gebhardt: „Wenn man die aktuellen politischen Entwicklungen und Botschaften ernst nimmt, so sehe ich uns im Wandel von einer Leistungs- zu einer Bürokratiegesellschaft und den halte ich für bedenklich. Wir müssen aufpassen, dass wir diejenigen, die unser Sozialsystem und Gemeinwohl finanzieren, insbesondere den Mittelstand und die Generation Mitte nicht ständig mit neuen bürokratischen Vorschriften, Hemmnissen, Abgaben und Verordnungen überfordern. Es besteht die Gefahr, dass diese dann langsam die Lust an der Leistungsgesellschaft verlieren.“ Im Nachgang an diese Worte warnte der IHK-Präsident vor einer gesellschaftlichen Spaltung, einer Spaltung zwischen dem Teil der Gesellschaft, der Leistung erbringt und denjenigen, die mehr der Unterstützung bedürfen. Dr. Christian Gebhardt: „Wir haben die Instrumente, um dieser beginnenden Spaltung entgegen zu wirken. Wir haben eines der fortschrittlichsten Bildungs. Und Berufsbildungssysteme mit einer vielfältigen Durchlässigkeit, die es jedem ermöglich, sein Ziel auch auf Umwegen zu erreichen. Viele Jugendliche haben aber häufig nur das Ziel, zu studieren, ohne darauf zu achten, ob für sie ein Abschluss überhaupt realistisch oder möglich oder ob ihr Abschluss dann später auch einmal in der Wirtschaft gebraucht wird. Studienabbrecher oder Studienbummler, die nur noch wegen der günstigen Krankenversicherung eingeschrieben sind, dürfen kein Tabuthema mehr sein. Wir sprechen mittlerweile ja von den Studienzweiflern als Potenzial für unsere duale Ausbildung. Gerade beim Bildungsthema müssen wir alle an einem Strang ziehen und die notwendigen Stellschrauben nachjustieren. Auch wir als Unternehmer müssen den Wandel der Berufsbilder schneller im Sinne der Digitalisierung voranbringen. Und das gilt natürlich auch für unsere Schulen, deren Infrastruktur und insbesondere auch für die digitalen Fähigkeiten der Lehrkräfte und Ausbilder. Denn keine Investition wird sich auf Dauer mehr lohnen als die Investition in den Rohstoff Bildung. Das gesellschaftliche Ansehen der dualen Berufsausbildung muss wieder gesteigert werden. Es darf nicht sein, dass sich Auszubildende im Vergleich zu Studierenden als Jugendliche zweiter Klasse fühlen.

Die neue Vollversammlung der IHK Fulda hat sich unter anderem drei Schwerpunkte auf die Fahnen geschrieben, neben der Nachwuchsförderung ist das der Bürokratieabbau – und wir wollen Verständnis für das wecken, was Wirtschaft bedeutet.“ Die unternehmerische Freiheit, so Gebhardt, dürfe nicht durch die wachsende Bürokratie eingeschränkt werden. „Damit schaden wir nicht nur der heutigen Wirtschaft, sondern verhindern auch, dass sich unsere Wirtschaft mit Existenzgründern und Betriebsübernehmern erneuert und damit auch weiterentwickelt“, so der IHK-Präsident Dr. Christian Gebhardt in seiner Rede anlässlich des Jahresempfangs der IHK Fulda.

In seinem 50-minütigen Vortrag plädierte Prof. Dr. Michael Hüther für die Marktwirtschaft. Bezug genommen auf die Europäische Union, sagte Hüther: „Wir werden in der Welt nur mitspielen können, wenn wir mit und in Europa eine klare Position für diese, gemeinsame Aufgabe entwickeln! Die Einigung Europas ist für Andere in der Welt dann überzeugend, wenn sie uns selbst überzeugt. Nicht die Festlegung irgendwelcher, kultureller Maßnahmen oder Sozialpolitik in der Welt, ist die EU, sondern der gemeinsame Markt, diesen weiterzuentwickeln zum digitalen gemeinsamen Markt, das ist Europa.“ In diesem Zusammenhang sprach sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft für die Verteidigung der EU-Außengrenzen aus. Zum Brexit sagte Hüther, dass dieser sicher ein „Desaster“ sei, aber „eher für die Briten“ als für uns. Die aktuelle Bundespolitik gleiche seiner Meinung nach eher einer „politischen Erstarrung“ als dass diese pragmatisch voranschreite, dabei könne diese seiner Meinung nach recht simpel gelöst werden, wenn sich Union, SPD und Grüne etwas kooperativer aufeinander zubewegen würden. „Wie wäre es denn mit folgendem Paket: Die Union akzeptiert den Deutschlandfonds, die SPD die Unternehmenssteuerreform inklusiver Solidaritätszuschlag für Wachstum und die Grünen kommen endlich aus ihrer Komfortzone heraus und Akzeptieren die Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren?“ Klimapolitische Entscheidungen würden seiner Meinung nach von einer übertriebenen Hektik gelenkt, hier rief Hüther dazu auf, bei Umweltherausforderungen zu differenzieren. Man dürfe, so Hüther, keine Ineffizienz erzeugen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Fulda Dr. Heiko Wingenfeld wünschte dem Auditorium im Namen der Stadt und des Landkreises ein „gutes, zuversichtliches, Neues Jahr“. In diesem Zusammenhang dankte Wingenfeld der IHK Fulda für das Veranstaltungsformat alljährlich, zum Jahresbeginn, im Schlosstheater zusammenzukommen um neue Ideen, Impulse und neuen Mut für Bewegungen zu stiften. Daneben sprach er allen Mut und Zuversicht aus, die Herausforderungen, die in 2020 kommen mögen, entschlossen anzunehmen. Bezug genommen auf den Veranstaltungsreigen im Jubiläumsjahr (1275 Jahre Klostergründung Fulda) ging Wingenfeld auf die hohe Besucherzahl in der Barockstadt ein, die seiner Meinung nach nicht nur Sinn für Geschichte bewiesen haben, sondern auch Gemeinschaft und Identität gestiftet haben. Als essenziel wichtig erachte Wingenfeld es, Dinge vor Ort zu gestalten und Überlegungen anzuregen wie: was können wir tun, um unsere Stadt und Region weiter voran zu bringen? Um Fragen wie diese beantworten zu können, dafür habe das Jahr 2019 viel Kraft gegeben. Wingenfeld dankte allen Verantwortlichen, die mit viel Engagement für einen reibungslosen Ablauf der Jubiläumsveranstaltungen und damit zu einem guten Zusammenwirken beigetragen haben. In seiner weiteren Rede stellte er Fulda als eine „hoch attraktive Stadt“ heraus, die nicht zuletzt kulturell und wirtschaftlich „einiges zu biete“ habe. Von der Attraktivität Fulda lenkte ihn sein Blick zurück auf das Jahr 1988. „1988 hat noch keiner daran geglaubt, dass wir hier die dauerhaft niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Hessen haben und dass wir ein pulsierendes Zentrum – ganz gleich ob Großstadt oder nicht – sind. Bezug genommen auf den Hessentag in 2021 und die Landesgartenschau 2023 in Fulda und damit die nächst größeren Veranstaltungen, appellierte er, die Vorbereitungen als „Möglichkeit für die Stadtentwicklung“ zu begreifen. Im Hinblick auf den uns bevorstehenden Fachkräftemangel ermutigte Fuldas Oberbürgermeister dazu, diesen Herausforderungen strategisch zu begegnen und in diesem Kontext Überlegungen anzustellen, wie man junge Menschen für eine Ausbildung begeistern kann. Abschießend bestärkte Oberbürgermeister Dr. Wingenfeld Unternehmen darin, sich einzubringen, denn ein gutes Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft, so Wingenfeld, könne nur dann gelingen, wenn es Menschen gibt, die bereit sind, sich zu engagieren.

Der scheidende IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schunck beschränkte seine Rede auf einige Worte des Dankes. Neben seinem Dank an die Referenten des gestrigen Abends dankte er allen für die „faire und konstruktive Begleitung“ in den vergangenen Jahren, teilweise Jahrzehnten. In diesem Zusammenhang bat er um Loyalität für seinen Nachfolger Michael Konow, der dem Jahresempfang beiwohnte. „Eine IHK lebt vom ehrenamtlichen Engagement. Lieber Christian, dafür, dass Du Dich bereit erklärt hast, als Präsident Deine Zeit und Deine Ideen in den Dienst der IHK und damit der gesamten regionalen Wirtschaft zu stellen, danke ich Dir sehr. Das Miteinander in den vergangenen Monaten mit Dir und dem neuen Präsidium hat Freude bereitet“, rief er Gebhardt sowie der Vollversammlung von der Bühne aus zu. Abschließend seiner Worte gab er dem Gast des gestrigen Abends Prof. Dr. Hüther noch einen gut gefüllten Fuldaer Rucksack mit auf den Weg, eine für diese Region übliche, altbewährte Tradition. +++ jessica auth

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