Grüne rechnen trotz Wahlrechtsreform mit größerem Bundestag

Ohne die Reform wären es der Berechnung zufolge 744 Parlamentarier

Deutsch, Bundestag

Der Deutsche Bundestag wird auch mit der von Union und SPD bei ihrem Koalitionsgipfel vereinbarten Wahlrechtsreform mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Abgeordnetenstühle brauchen. Darauf deutet eine Berechnung im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion hin, über die die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ berichten. So würde der Bundestag auf Grundlage jüngster Meinungsumfragen mit dem Koalitionsmodell für eine Wahlrechtsreform von derzeit 709 auf 739 Abgeordnete anwachsen. Ohne die Reform wären es der Berechnung zufolge 744 Parlamentarier.

Die von den GroKo-Parteien angekündigte „Dämpfungsmaßnahme“, drei Überhangmandate nicht mehr auszugleichen und eine teilweise Verrechnung von Überhang- und Listenmandaten einzelner Parteien zu ermöglichen, würde demnach gerade einmal fünf Mandate einsparen. Von seiner Nominalgröße mit 598 Parlamentariern wäre der Bundestag damit weit entfernt. Auch ein deutlich stärkeres Anwachsen scheint nicht ausgeschlossen. Legt man den Berechnungen die Meinungsumfragen vom 23. Januar zugrunde, würde der Bundestag mit der Reform auf 798 Abgeordnete anwachsen. Das Rechenmodell operiert es mit einer Annahme, wie die große Koalition das sogenannte Sitzkontingentverfahren modifizieren will. Konkrete Angaben dazu haben Union und SPD noch nicht vorgelegt. Die Beispielrechnung geht davon aus, dass die Mindestzahl der Parlamentssitze pro Partei und Bundesland entweder die Zahl der errungenen Wahlkreise ist oder der Mittelwert zwischen Wahlkreiszahl und nach Zweitstimmenproporz errungener Sitzzahl. Der jeweils höhere Wert ist in die Berechnung eingeflossen.

Im aktuell gültigen Wahlrecht zählen entweder Wahlkreiszahl oder Sitzzahl nach Zweitstimmenergebnis. „Unsere Berechnungen untermauern, dass das, was uns die Koalition als großen Erfolg verkaufen will, nichts anderes ist als ein großer Bluff“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, dem RND. „Damit legen CDU, CSU und SPD keine Wahlrechtsreform vor, vielmehr ist es wahrscheinlich, dass mit ihrem Kompromiss der kommende Bundestag sogar weiter anwachsen wird. Dieses Ergebnis als Erfolg verkaufen zu wollen, ist dreist“, fügte sie hinzu. „Der Minimalkompromiss wurde teuer erkauft, denn durch den Vorschlag würde in Zukunft das Zweitstimmenergebnis verzerrt“, so Haßelmann weiter. „Profitieren wird voraussichtlich einseitig die Union, wenn vermutlich drei ihrer Überhangmandate nicht mehr ausgeglichen werden.“ Die Grünen-Politikerin verwies darauf, dass der von Grünen, FDP und Linken vorgelegte Vorschlag für eine Wahlrechtsreform die Größe des Bundestages wirksam begrenzen könne. Die drei Oppositionsparteien schlagen vor, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 zu reduzieren, was jüngsten Umfragen zufolge zu einer Parlamentsgröße von 630 Abgeordneten führen würde. „Unser Entwurf liegt beschlussreif im Bundestag. Er ist verfassungskonform und fair, denn er betrifft alle Fraktionen gleich und bevorteilt keine“, sagte Haßelmann. +++