Gebhardt: „Vorhaben ist aus meiner Sicht in keinster Weise genehmigungsfähig!“

Neue Erkenntnisse für das Genehmigungsverfahren im Umsiedlungsvorhaben der Firma Weider 

Eichenzell. Bei der Infoveranstaltung um das Umsiedlungsvorhaben der Firma „Weider-Erdarbeiten“ an den geplanten Standort „Im Oberfeld“ in der Gemarkung Löschenrod durch die Interessengemeinschaft (IG) „Kein Schredder“ am Dienstagabend in Eichenzell gibt es offenbar neue Erkenntnisse.

Dipl.-Ing. Peter GebhardtWie Dipl.-Ing. Peter Gebhardt vom Ingenieurbüro für Umwelttechnik (IfU) und Dipl.-Phys. Oliver Kalusch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) gestern Abend mitteilten, habe man bei den Berechnungen zu den Prüfungen im Vorfeld, die das Genehmigungsverfahren beeinträchtigen, wesentliche Parameter nicht berücksichtigt beziehungsweise nicht mit in die Rechnungen einkalkuliert, sodass bei den Berechnungen und Prüfungen Ergebnisse final gewesen sind, die einem Genehmigungsverfahren vorerst nicht im Wege stehen.

Des Weiteren kritisiert die Interessengemeinschaft, dass man für die Betreibung der Brecheranlage offenbar noch gar keinen eindeutigen Betreiber festgelegt habe. Wie Harald Friedrich von der IG „Kein Schredder“ gestern Abend mitteilte, werde die Anlage vorerst nur voraussichtlich von der Firma Weider betrieben. Eindeutige Informationen zum langfristigen Betreiber gibt es allerdings nicht. Harald Friedrich von der Interessengemeinschaft steht einer Betreibung der Anlage durch die Firma „Bickhard Bau“, da diese in der Vergangenheit schon öfter auffällig geworden sei, zudem ihr ein Betreiben durch das Regierungspräsidium Kassel untersagt wurde, skeptisch gegenüber; das ungute Gefühl der sieben Mitglieder der Interessengemeinschaft aufrechterhalten dadurch, dass sich auch der Bürgermeister von Eichenzell Dieter Kolb (parteilos) auf die vielen Anfragen der IG-ler per Mail hierzu nur schwammig äußert beziehungsweise die Fragen als unwichtig abtut.

Besonders in den Fokus rückte gestern Abend die Tatsache, dass man bei der Beispielrechnung im Vorfeld zum Ausschluss einer möglichen Gesundheitsbelastung, lediglich mit sogenannten „PM2,5“-Staubkörnern gerechnet hatte. Eine Berechnung mit „PM10“-Staubkörnern wurde bei den Berechnungen gänzlich außer Acht gelassen. Bei den sogenannten „PM2,5“-Staubkörnern handelt es sich um für das menschliche Auge nicht sichtbaren Feinstaub, er gelangt bei der Atmung über die Lunge direkt in die Blutbahn.

Auch, dass man im Vorfeld lediglich mit vorgebrochenem Material (Kalkbruch) anstatt mit Beton, so wie das in der Realität der Fall wäre, gearbeitet hat, wirft bei den IG-lern Fragen auf.

Harald Friedrich: „Wieso hat man im Vorfeld mit Kalkbruch und damit vorgebrochenem Material gearbeitet und nicht mit Beton, wie das auch in der Realität der Fall wäre? Dass die Lärmimpulse mit vorgebrochenem Material andere sind, wie bei ungebrochenem Material, ist logisch. Das, was bei der Berechnung angegeben wurde, ist nicht die Realität. Lage, Messpunkt, Abwurfhöhe – das alles wurde bei der Berechnung um Vorfeld nicht dokumentiert. Dieses Rechenbeispiel weist wesentliche Schwachstellen auf. Warum hat man hier wesentliche Kriterien nicht beachtet? Das, was man hier gemacht hat, war, dass man lediglich mit Durchschnittszahlen gerechnet hat.“

Auch, dass man bei der Meteorologie lediglich auf eine Wetterstation, die in Fritzlar (Schwalm-Eder-Kreis) steht, zurückgegriffen hat, wirft hier erhebliche Fragen auf. Die Wetterdaten, die in Fritzlar gemessen wurden, wurden an den hiesigen Standort übertragen. Dass Eichenzell eine völlig andere Meteorologie aufweist, als im nordhessischen Fritzlar, sei hier nur am Rande bemerkt. „Ein erheblicher Fehler“, sagt die Interessengemeinschaft.

Harald Friedrich: „Das gesamte Windmodell entspricht nicht dem heutigen Stand der Wissenschaft und der Technik. Man hat hier bei der Berechnung eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Das, was man hier gemacht hat, war, dass man eine viel geringere Staubimmission angenommen hat, deshalb ist dieses Vorhaben aus meiner Sicht in keinster Weise genehmigungsfähig und müsste vom Regierungspräsidium abgelehnt werden.“

Dr. med. Robert HorodkoEiner der Mitinitiatoren der 20 Mediziner, die beim Umsiedlungsvorhaben der Firma Weider Bedenken geäußert hatten, ist der Anästhesist und Intensivmediziner Dr. med. Robert Horodko. Der seit 20 Jahren als Zugezogener mit seiner Familie in der Gemeinde Eichenzell beheimatete Narkosearzt lobte den fachlich sehr kompetenten Vortrag von Peter Gebhardt daneben plädierte er dafür, im Kontext der Berechnungen im Vorfeld einzelne Werte heranzuziehen. Man müsse den Menschen als „Ganzes“, als „Individuum“, betrachten. Das, was wissenschaftlich belegt ist, sei, dass durch das Brechen von Z2-Materialien für den Menschen mit einer zusätzlichen gesundheitlichen Belastung zu rechnen ist. Wie sehr allerdings jeder Einzelne davon Schaden nehme, hängt vom Menschen und seiner jeweiligen gesundheitlichen Vorbelastung ab. Weiter sprach sich Horodko für ein respektvolles Miteinander der Bürgerinnen und Bürger der Großgemeinde untereinander aus und erinnerte in diesem Zusammenhang daran, wie ungesund die Ausschüttung von Stresshormonen seien. Man möge zum Wohle der Gemeinde deshalb „an einem Strang“ ziehen und aus dem viel Gesagten zu dieser Thematik, das schon seit Monaten aufrechterhalten wird, zur Erkenntnis gelangen, dass der für die Brecheranlage jetzige gewählte Standort definitiv der falsche sei.

Dipl.-Phys. Oliver KaluschDipl.-Phys. Oliver Kalusch kritisierte in seinem Vortrag über die Aspekte des Immissionsschutzes, dass bei den Berechnungen im Vorfeld nicht alle Schwermetalle aufgeführt worden seien. Hier sagte Kalusch, dass eine Genehmigung nur dann auch erteilt werden dürfe, wenn „alle zur Pflicht stehenden Aspekte“ (immissionsschutzrechtliche Vorschriften) geregelt seien. Daneben äußerte er die Frage, wer eigentlich für die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Einstufung der Abfälle zuständig sei. Ebenso wies der Physiker darauf hin, dass man offenbar bei den Berechnungen im Vorfeld zu den Analysen keine klare Höchstmenge für Z2-Abfälle angegeben habe. Weiterhin gebe es strenge Richtlinien, die eine Angabe von strengen Grenzwerten in den Stoffen zwingend erfordern und deshalb unbedingt eingehalten werden müssen. So könne zum Beispiel Cadmium krebserregend sein. Bislang deutet jedoch im Kontext der wissenschaftlichen Untersuchungen nichts darauf hin beziehungsweise gibt es keine Anhaltspunkte dafür, ob nicht in den Z2-Materialien, um diese es beim Brechen der Stoffe im Oberfeld gehen würde, ein solcher Stoff enthalten ist. Solange solche krebserregenden Stoffe nicht eindeutig ausgeschlossen worden seien, warnte der Naturwissenschaftler davor, hier eine Genehmigung zu erteilen.

Steffen ReithDer Ortsvorsteher des Eichenzeller Ortsteiles Kerzell Steffen Reith hat sich auf der gestrigen Infoveranstaltung klar gegen das Umsiedlungsvorhaben positioniert, vor allem, weil es gegen den breiten Willen der Menschen spreche.

Ebenso sich gestern Abend gegen den Standort im Oberfeld ausgesprochen hatte sich der Ortsvorsteher des Eichenzeller Ortsteiles Löschenrod Holger Breithecker und erinnerte daran, dass dies einstimmig, wie fraktionsübergreifend geschehen sei. Darüber hinaus plädierte Breithecker an die gemeindlichen Gremien mit Entscheidungsbefugnis „dem ganzen Spuck“ am Donnerstag ein Ende zu setzen.

Gerhard Dehler, Fraktionsvorsitzender der Eichenzeller Bürgerliste, warb im Kontext des Entscheidungs- bzw. Genehmigungsprozesses dafür, auch an unsere Kinder und Kindeskinder zu denken, die womöglich in ein paar Jahren nahe dem jetzigen gewählten Standort beheimatet sein könnten. Man möge deshalb auch im Hinblick auf unsere Zukunft sich gegen den Standort im Oberfeld entscheiden.

Holger BreitheckerHarald Friedrich, Sprecher der IG „Kein Schredder“, bekundete gegen Ende der Infoveranstaltung, wie sehr ihn persönlich „das Ganze“ belaste; zudem täte es ihm „im Herzen weh“, mit ansehen zu müssen, wie sehr sich die Großgemeinde Eichenzell durch die Ängste der Bürgerinnen und Bürger und die damit in diesem Kontext korrelierenden Streitgespräche auseinander dividiere. Vor allem täte es ihm leid, dass durch den ganzen Prozess und die vielen geführten Gespräche und damit einhergehenden Diskussionen Mike Weider als Unternehmer – vor allem als Mensch in den Mittelpunkt des zentralen Geschehens gerückt werde.

Harald Friedrich: „Ich hoffe, dass wir eine Lösung finden werden, die für alle akzeptabel ist. Vor allem wünsche ich das – ich bin selber auch Unternehmer – Herrn Weider und seinem Unternehmen.“

Eine männliche Bürgerstimme warnte in der an die Fachvorträge sich anschließenden Gesprächsrunde davor mit falschem Verhalten Politikverdrossenheit zu fördern. Man möge hier im Besonderen in Verantwortung und Position gewähltes Vertrauen nicht missbrauchen und im Entscheidungsprozess alle Bürger der Großgemeinde mitnehmen.

21.000 Euro hat die Interessengemeinschaft (IG) „Kein Schredder“ für Gutachten und sonstige Kosten bislang aufgewendet. Bis zum Zeitpunktpunkt des gestrigen Abends hatten sich Bürgerinnen und Bürger mit Spenden insgesamt von 5.000 Euro an den Kosten beteiligt. Etwa 450 Bürgerinnen und Bürger wohnten der Infoveranstaltung bei. +++ jessica auth