Fragwürdige Verbindung von CDU-Abgeordneten Irmer zu einem Maskenhändler

Onlineshop war offenbar eilig aus dem Boden gestampft

Offenbar hat der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer über seine Zeitung Wetzlar-Kurier Bestellungen für einen Onlineshop eingesammelt, der Schutzmasken und Desinfektionsmittel vertreibt. Das ergaben gemeinsame Recherchen der unabhängigen Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de und des Magazins stern. Der Wetzlar Kurier, dessen Herausgeber der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Irmer ist, druckte in seiner Mai-Ausgabe eine ganzseitige Anzeige des Portals mittelhessen-maske.de, in dem Schutzmasken und Desinfektionsmittel zu vergleichsweise hohen Preisen angeboten werden. So kosten in dem Portal beispielsweise zehn Masken des Typs FFP2 bis heute 55 Euro, hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer. Bei anderen Anbietern werden solche Masken teilweise deutlich billiger angeboten, heißt es in dem Bericht.

Leserinnen und Lesern des Wetzlar-Kurier wurde in der Anzeige ein Preisnachlass von 10 Prozent versprochen. Dazu konnten sie entweder einen Rabattcode beim Kauf in dem Onlineshop eingeben oder einen Bestellcoupon aus der Anzeige ausschneiden und einsenden. Als Anschrift war die Redaktionsadresse des Wetzlar Kurier in der Moritz-Hensoldt-Straße 24 in Wetzlar angegeben, wo auch der CDU-Kreisverband Lahn-Dill seine Geschäftsstelle hat. Hinter dem Internetshop mittelhessen-maske.de stehen die Berliner Firma Zoila GmbH, die im Internet Hautpflegeprodukte vertreibt, und die Schweizer Gesellschaft Sparola AG. Beiden ist gemein, dass ihre Eigentümer nicht ohne weiteres auszumachen sind: Die Zoila GmbH gehört einer Firma namens Matterhorn UG an, dessen Eigentümer der in der Schweiz lebende deutsche Geschäftsmann Ruben Welsch ist. Welsch ist nach eigenen Angaben seit 1996 CDU-Mitglied, die meiste Zeit über den CDU-Kreisverband Lahn-Dill. Er habe sich auf Kreisebene mehrfach kommunalpolitisch und ehrenamtlich in der CDU und der Jungen Union engagiert. Bei der Schweizer Sparola AG ist unklar, wem sie gehört. Laut Handelsregister wird das Unternehmen vom Chef einer Treuhandfirma geführt, also jemand, der nach außen hin für andere Personen auftritt. Zweck des Unternehmens ist „Vermögensverwaltung und Vermögensberatung sowie Handel mit Immobilien“.

Bei einer Testbestellung von abgeordnetenwatch.de am 13. Mai bei dem in der Anzeige im Wetzlar Kurier beworbenen Portal mittelhessen-maske.de wurde das Geld für die georderte Ware (18,78 Euro für 100 ml Desinfektionsmittel, inkl. MwSt. und Versand) zwar eingezogen, geliefert wurde die Bestellung bis zu diesem Freitag, 5. Juni, nicht. Auf eine schriftliche Nachfrage nach dem Verbleib der Ware reagierte der Betreiber Zoila GmbH bis diesen Freitag nicht. Sowohl Wetzlar Kurier-Herausgeber Hans-Jürgen Irmer als auch der Eigentümer des Portalbetreibers Zoila GmbH, Ruben Welsch, erklärten auf Anfrage, ihnen seien keine Beschwerden bekannt. Neben dem Portal mittelhessen-maske.de betreibt die Zoila GmbH unter der Internetadresse hygieneprodukte24.ch in der Schweiz einen optisch ähnlichen Internethandel für Schutzmasken und Desinfektionsmittel. Ende März warnte das Schweizer Verbraucherschutzmagazin saldo: „Jetzt schlägt die Stunde der Wucherer“. Manche Händler würden den Engpass bei Schutzmasken und Desinfektionsmitteln ausnutzen und „Mondpreise“ verlangen. Eines der im Text genannten Portale ist Hygieneprodukte24.ch. Im Kommentarbereich der Verbraucherschutzseite wird sich über eine bezahlte, aber nicht gelieferte Bestellung beschwert. Geschäftsmann Ruben Welsch erklärte, die Preise für zertifizierte FFP2-Masken seien mit Aufgabe und Gestaltung der Anzeige im Wetzlar-Kurier Ende April 2020 „als marktneutral, wenn nicht sogar tief einzustufen. Es gibt – leider – viel gefälschte Ware am Markt, die zu Dumpingpreisen verkauft wird. Davon distanzieren wir uns.“ Der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Irmer wollte zu seinem Geschäftskontakt keine näheren Angaben machen. Was er im Wetzlar-Kurier an Anzeigen veröffentliche gehe niemanden etwas an, das habe mit „Datenschutz und Betriebsschutz“ zu tun, so der CDU-Politiker, laut abgeordnetenwatch.de.

Die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de berichtet außerdem, dass Irmer mehrere Tätigkeiten neben seinem Bundestagsmandat möglicherweise nicht ordnungsgemäß angegeben habe. Neben dem Wetzlar Kurier gab der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Irmer bis vor einigen Monaten auch eine weitere Zeitschrift heraus. Im Impressum des Magazins Gesundheitskompass Mittelhessen wurde Irmer bis mindestens Oktober 2019 als Herausgeber und Verantwortlicher für Inhalt und Anzeigen genannt. Diese inzwischen beendete Tätigkeit ist in Irmers Bundestagsprofil nicht aufgeführt. Auch aktuelle Tätigkeiten als Vorsitzender des Vereins Propolizei Wetzlar sowie als Präsident der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft Wetzlar fehlen unter den veröffentlichungspflichtigen Angaben, die Bundestagsabgeordnete laut Verhaltensregeln auch für Ehrenämter machen müssen. Der CDU-Politiker erklärte auf Anfrage, seine Nebentätigkeiten seien im Bundestagshandbuch angegeben, seinen Herausgeberjob bei der Gesundheitszeitschrift habe er mittlerweile aufgegeben. Ein Sprecher der Bundestagsverwaltung teilte gegenüber abgeordnetenwatch.de mit, dass „die Beendigung einer während des Mandates ausgeübten Nebentätigkeit […] die Anzeigepflicht nicht entfallen“ lasse. +++