FDP-Generalsekretär: Niemand aus der Führung kannte „D-Day“-Papier

FDP veröffentlicht "D-Day"-Papier zu Ampel-Ausstiegsplan

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat bestritten, dass die Führung seiner Partei über das sogenannte D-Day-Papier informiert gewesen sei. „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier“, sagte Djir-Sarai der „Welt“. Einen Grund, zurückzutreten, sehe er nicht. Zuvor hatte Djir-Sarai gegenüber Medien bestritten, dass es ein so benanntes Papier überhaupt gebe.

Währenddessen gehen die beiden Ex-Ampel-Partner hart mit den Liberalen ins Gericht und verlangen Konsequenzen. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch forderte FDP-Chef Christian Lindner auf, sich für die Planung des Ausstiegs aus der Ampelkoalition zu entschuldigen. Solch ein „verantwortungsloses Handeln“ zerstöre das Vertrauen der Bürger „in die demokratischen Institutionen“, sagte Miersch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Christian Lindner und seine FDP stehen in der Verantwortung, sich bei den Menschen in diesem Land zu erklären und zu entschuldigen“, so Miersch. Die Planungen der FDP zum Bruch der Ampelkoalition seien „ein weiterer Tiefpunkt für die politische Kultur in Deutschland“.

Es sei darüber hinaus zynisch und zeuge von mangelndem historischen Verantwortungsbewusstsein, Begriffe wie „D-Day“ und „offene Feldschlacht“ zu benutzen. „Die FDP-Führung hat die Verwendung dieser Begriffe stets bestritten. Sie hat somit die Öffentlichkeit offensichtlich wiederholt getäuscht“, kritisierte Miersch. Erst nachdem sie mit den entsprechenden Dokumenten konfrontiert worden seien, hätten sie die Flucht nach vorne angetreten. Dies sei „ein Armutszeugnis politischer Integrität“, sagte Miersch. „Während die Menschen von der Regierung Lösungen erwarteten, arbeitete die FDP an einem perfiden Ausstiegsszenario.“

FDP veröffentlicht „D-Day“-Papier zu Ampel-Ausstiegsplan

Die FDP hat mittlerweile das betreffende Dokument veröffentlicht. „Aktuell gibt es diverse Presseanfragen, die sich auf ein internes Dokument der FDP-Bundesgeschäftsstelle beziehen. Weil wir falschen Eindrücken zum Charakter des Papiers vorbeugen wollen, haben wir uns dazu entschieden, zu diesem Vorgang Transparenz herzustellen“, teilte die Partei am Donnerstag auf ihrer Webseite mit. Das Dokument sei ein Arbeitspapier, das der Bundesgeschäftsführer zum ersten Mal am 24. Oktober 2024 um 15:38 Uhr erstellt habe. Gegenstand dieses Papiers sei das „zu diesem Zeitpunkt bereits realistische und in den Medien breit diskutierte“ Ende der Ampel-Koalition, hieß es.

Es befasst sich mit den Fragen, wie ein Ausstieg der FDP aus der Bundesregierung kommuniziert werden könnte. Der letzte Änderungsstand des Dokumentes sei vom 05. November 2024 um 12:39 Uhr – also dem Tag des Ampel-Bruchs. „Diese Version veröffentlichen wir“, teilte die FDP mit. Das Papier sei in Verantwortung des Bundesgeschäftsführers erstellt worden. Es sei Aufgabe der Bundesgeschäftsstelle, mögliche politische Szenarien in operatives Handeln umzusetzen, hieß es. „Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition“, teilte die Partei mit.

In dem achtseitigen Dokument, das mit „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“ überschrieben ist, werden verschiedene Möglichkeiten zum Platzen der Ampel-Koalition aufgelistet. Etwa heißt es darin zum „idealen“ Ablauf: „Um die Hoheit über die Kommunikation zu halten, muss diese strategisch gesteuert erfolgen und darf nicht durchsickern. Es ist entscheidend, die ersten Sätze und Bilder zu einem Aus der Koalition zu setzen. Gleichzeitig sollte dieser Schritt auch in enger Abstimmung mit den beiden wichtigsten Gremien – dem Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion erfolgen.“

Dabei werden verschiedene Varianten gelistet, „Option A: Kommunikation AUS vor Gremiensitzung“, „Option B: Gremiensitzung vor Kommunikation AUS“ und „Option C: Kommunikation zu Vorschlag AUS an Gremien vor Gremiensitzung vor Kommunikation Beschluss AUS“. Zudem werden mögliche Kanäle zur Verbreitung der Nachricht aufgelistet, darunter „Pressestatement“, „TV Interview/Sondersendung“, „SoMe-Video / Selfie“ und „Gastbeitrag FAZ“. Weiterhin ist der Präsentation eine „D-Day-Ablaufpyramide“ beigefügt, die von der Spitze zur Basis in vier Abschnitte unterteilt ist: „Impuls“, „Narrativ qualitativ setzen“, „Narrativ quantitativ verbreiten“ und „Beginn der offenen Feldschlacht“. Von SPD und Grünen hagelte es nach der Veröffentlichung heftige Kritik. Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang schrieb auf „X“ (ehemals Twitter): „Wer Politik nur noch als Schlachtfeld begreift und als einziges verbleibendes Ziel Destruktion zum eigenen Nutzen hat, sollte keine politische Verantwortung tragen.“ Auch SPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich empört: „Die FDP organisiert eine Feldschlacht gegen eine Regierung, der man selbst angehört. Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können“, so Klingbeil auf „X“.

Strack-Zimmermann kritisiert FDP-Strategiepapier zu Ampel-Aus

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat ein am Donnerstag bekannt gewordenes Strategiepapier der FDP-Parteizentrale zum Ausstieg aus der Ampelkoalition kritisiert. „Die Wortwahl ist der Sache nicht dienlich, eine Verschriftlichung mit dieser Tonalität nicht nachvollziehbar“, sagte Strack-Zimmermann dem „Tagesspiegel“. Jetzt seien ausschließlich Selbstkritik und Aufarbeitung gefragt. In dem Papier finden sich mehrere Formulierungen im Militärjargon. So ist von „Ablaufszenarien und Maßnahmen“ für einen „D-Day“ die Rede. Kommuniziert werden sollte das Ampel-Aus demnach in vier Phasen bis hin zu einer „offenen Feldschlacht“.

Die Europapolitikerin verteidigte jedoch, dass die liberale Parteispitze bei mehreren Treffen vor dem Bruch der Ampel am 6. November über Szenarien für einen Ausstieg aus der Koalition nachdachte. „Ich war bei diesen Treffen nicht dabei. Dass man sich in einer Situation, wie wir sie in der Regierung hatten, mit Ausstiegsszenarien allerdings auseinandersetzt, war folgerichtig, nicht nur für die FDP“, sagte Strack-Zimmermann. +++

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen. Diskutieren kann man auf X oder Facebook

Popup-Fenster

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen,

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*