Diskussion um Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an Koch

CDU: Roland Koch hat sich um Hessen sehr verdient gemacht

Roland Koch (CDU)

Wiesbaden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag hat in einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde am Donnerstag die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an den ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch scharf kritisiert. Rudolph sagte dazu in der Plenardebatte: „Die Verleihung der Medaille am Hessischen Verfassungstag an Roland Koch hat heftige öffentliche Proteste ausgelöst. Wilhelm Leuschner war ein engagierter Gewerkschafter und Sozialdemokrat,  der sich in außergewöhnlicher Weise für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat. Er war einer der Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Diktatur, wofür er  am 29. September 1944 mit seinem Leben bezahlen musste. Die diesjährige Verleihung an Herrn Koch entspricht diesem Geist genau nicht.“

Rudolph erinnerte daran, dass Roland Koch insbesondere im Landtagswahlkampf 1999 mit seiner Schwarzgeld finanzierten, ausländerfeindlichen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die Gesellschaft nicht zusammengeführt, sondern gespalten habe. Dabei sei insbesondere die Verschleierung des CDU Schwarzgeldes als angebliche jüdische Vermächtnisse ein nicht zu akzeptierender Tabubruch gewesen. So sei es auch nicht verwunderlich, dass neben den Gewerkschaften auch viele Bürgerinnen und Bürger die Auszeichnung für Herrn Koch nicht nachvollziehen könnten. Der Parlamentarische Geschäftsführer sagte weiter: „Bündnis 90/Die Grünen haben sich auf ihrer Landesmitgliederversammlung am vergangenen Wochenende in aller Schärfe von der geplanten Verleihung distanziert. Die grüne Oberbürgermeisterkandidatin in Frankfurt, Frau Dr. Eskandari-Grünberg, kommentiert die geplante Würdigung Kochs mit den Worten, dies sei „an Zynismus kaum zu überbieten“. Er werde dem Wirken und Andenken Wilhelm Leuschner in keiner Weise gerecht, er stehe in seiner Zeit als Ministerpräsident für Skandale und Spaltungen.“ „Die Würdigung der Lebensleistung einer Person, so wie es die CDU im Falle Koch behauptet, darf nicht das entscheidende Kriterium bei der Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille sein. Vielmehr muss im Mittelpunkt dieser Auszeichnung das tatsächliche Leben und Wirken im Geiste Wilhelm Leuschners für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit stehen“, so Rudolph.

Angesichts der Proteste sei es überfällig, dass die Kriterien für die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille auf neue Grundlagen gestellt werden. Das alleinige Privileg des Hessischen Ministerpräsidenten, die Personen für die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille vorzuschlagen, sei nicht mehr zeitgemäß. Ähnlich wie bei der Verleihung des Friedenspreises könnte ein unabhängiges Kuratorium eingesetzt werden, welches entsprechende Personalvorschläge mache. Die SPD forderte Ministerpräsident Bouffier auf, die geplante Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an Herrn Koch zurück zu nehmen.

CDU: Roland Koch hat sich um Hessen sehr verdient gemacht

„Roland Koch hat sich um Hessen sehr verdient gemacht. Sein erfolgreiches Wirken als Ministerpräsident, sein starkes Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft aber auch sein nachdrücklicher Einsatz für Menschenrechte in China zeichnen ihn als würdigen Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille aus. Er hat polarisiert, Themen zugespitzt und wich keiner unbequemen Kontroverse aus. Aber gerade durch die daraus entstehenden Debatten in Politik und Gesellschaft ist es ihm gelungen, gesellschaftliche Fliehkräfte zu integrieren und durch klare Benennung von Problemen der Politikmüdigkeit, der Parteienverdrossenheit und der Entstehung von radikalen Parteien entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung von Ministerpräsident Volker Bouffier eine Würdigung des Lebenswerkes von Roland Koch und eine Würdigung unserer lebendigen und streitbaren Demokratie. Die Wählerinnen und Wähler haben ihm mehrfach das Vertrauen ausgesprochen. Sie wissen um die Erfolge und die Leistungen der von ihm geführten Landesregierungen, von denen das Land bis heute zehrt. Durch seine von Mut zu Reformen geprägte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik hat er das Land an die Spitze der deutschen Länder geführt und Zehntausenden Menschen im Land zu einem sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz verholfen. Bei seinem Ausscheiden im Amt hatte er die Armutsgefährdungsquote in Hessen auf den drittniedrigsten Stand aller deutschen Länder geführt. Im Bereich der Bildungspolitik hat er jungen Menschen Zukunfts- und Karriereperspektiven gegeben, etwa die Steigerung der Unterrichtsversorgung.

Roland Koch hat bereits im Jahr 2000 das deutschlandweit einmalige Gremium eines Integrationsbeirates installiert: dauerhafter Dialog zwischen Kirchen, Religionsgemeinschaften, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und kommunalen Vertretungen, um im Zusammenwirken von Zivilgesellschaft und Landesregierung aktuelle Integrationsfragen gemeinsam zu lösen: interkulturelle Erziehung im Kindergartenalter, Integrationskompass und Sprach- und Integrationskurse wurden so entwickelt. Er hat – gegen heftige Widerstände – die anfangs verunglimpften und bald darauf als Erfolgsmodell mit Vorbildcharakter anerkannten Vorlaufkurse zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse im Vorschulalter eingeführt. Das sind nur wenige Beispiele seines überaus erfolgreichen Wirkens für Hessen und Deutschland. Es ist unbestritten, dass die Standpunkte von Roland Koch kontrovers und streitbar sind, aber sie sind vor allem geprägt von Grundsätzen und Überzeugungen, die er mit Standhaftigkeit vertrat und bei denen er vielfach recht behielt. So hat er die überfällige Debatte über unübersehbare gesellschaftliche Fehlentwicklungen wie die Bildung von Parallelgesellschaften, aber auch die Reform des Arbeitsmarktes und der Sozialhilfe angestoßen und durch die Enttabuisierung von offenkundigen Problemstellungen zu nach wie vor gültigen Lösungsansätzen beigetragen. Man kann politisch anderer Auffassung als Roland Koch sein und seine Politik kritisieren – das ist legitim. Fest steht: Roland Koch ist ein würdiger Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille“, erklärte der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, Michael Boddenberg.

Grüne: Wir haben nichts vergessen

„Wir Grünen haben da aus langen Jahren der Auseinandersetzung mit Roland Koch einiges zu bieten. Und um es klar zu sagen: Die Debatten von einst waren richtig und nötig. Wir bleiben bei unserer Kritik an der Politik Roland Kochs. Und wir haben nichts vergessen – weder die Kampagne zur doppelten Staatsbürgerschaft noch andere Wahlkämpfe. Niemand wird es verwundern, dass uns Grünen Roland Koch nicht als Preisträger eingefallen wäre. Ebenso richtig ist aber auch, dass seit Ministerpräsident Georg-August Zinn die Auszeichnung mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille in der alleinigen Kompetenz des hessischen Ministerpräsidenten liegt. Das akzeptieren wir. Und damit bin ich wieder beim Kommentar von Manfred Köhler: Ja, es ist für alle „schön, wenn sich hin und wieder die alte Schlachtordnung aufstellen lässt“. Die Sehnsucht nach dem alten Landtag mit seinen polarisierenden und manchmal krawalligen Debatten ist heute morgen ja mit Händen zu greifen. Es ist eine Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit. Roland Koch ist seit sieben Jahren nicht mehr im Amt. Der Landtag von heute ist nicht mehr der Landtag von damals.

Vor sieben Jahren galt in Hessen eine Koalition aus CDU und Grünen als unvorstellbar. Seit 2014 haben wir die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland – und das überaus erfolgreich. Diese Koalition arbeitet auch deshalb erfolgreich für Hessen, weil wir die Vergangenheit nicht vergessen haben und dennoch die Gegenwart und Zukunft gestalten wollen. Sie ist erfolgreich, weil wir alte Gräben nicht zuschütten, aber neue Brücken bauen. Sie ist erfolgreich, weil wir nicht die alte Schlachtordnung immer und immer wieder aufgestellt, sondern unseren Blick nach vorne gerichtet haben. Wir haben heute Morgen die Wiederkehr des alten Landtags erlebt. Ich glaube, wir sollten ihn uns alle nicht zurückwünschen. Wir haben 2014 mit einer lagerübergreifenden Koalition, mit Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir an der Spitze etwas Neues begonnen. Wie richtig das war, zeigt diese Debatte, so Mathias Wagner, Vorsitzender der Fraktion Bündnis90/Die Grünen.

Junge Union Hessen: Roland Koch ist ein würdiger Preisträger

Die Junge Union Hessen freut sich über die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an den ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch. „Mit der Verleihung wird Roland Kochs Einsatz für unser Gemeinwesen in angemessener Weise gewürdigt. Er hat diese Auszeichnung verdient“, sagt der Landesvorsitzende der Jungen Union Hessen, Dr. Stefan Heck. Die Wilhelm-Leuschner-Medaille wird seit 1965 an Menschen verliehen, die sich beispielhaft und nachhaltig für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit engagiert haben. „Roland Koch hat diesen Einsatz nicht nur im Rahmen seiner herausragenden Tätigkeit als Hessischer Ministerpräsident, sondern von Jugend an auch über Hessen hinaus gezeigt. Nicht zuletzt sein starkes Engagement für Menschenrechte in Tibet zeugt davon, dass Roland Koch für universelle Werte auch dann eintritt, wenn andere aufgrund ökonomischer Interessen oder politischer Bequemlichkeiten davor zurückschrecken. Roland Koch ist deshalb ein Vorbild für unsere Generation“, erklärt Heck. Der JU-Landesvorsitzende kritisierte das Verhalten von DGB, SPD, Grünen und Linkspartei, die Kochs Auszeichnung in den vergangenen Tagen kritisiert hatten. „Die politische Linke zeigt sich in den politischen Grabenkämpfen der 2000er-Jahre gefangen und hat nichts dazugelernt“, bedauert Heck. +++