Diskussion um Großstadt – Zentgraf: Jetzt reicht es

Getroffene Aussagen sind oftmals nicht korrekt

Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf

„Ich habe Puls“, so Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf in einer Mitteilung. Nach einem veröffentlichten Bericht zum Thema Großstadt Fulda mit Aussagen von SPD-Fraktionschef Jonathan Wulff, kann ich nun nicht mehr schweigen. Ich wollte mich aus der diesjährigen Diskussion eigentlich komplett raushalten und auch in der Fastnacht nicht wieder als Märchenkönig auftreten, aber es scheint einen Märchenprinzen zu geben, der einfach nicht aufhört zu träumen.

Die im Bericht getroffenen Aussagen sind oftmals nicht korrekt beziehungsweise auch zu kurz gedacht, setzen sich aber so langsam in den Köpfen mancher Leser fest und suggerieren ein Bild der Stadtrandgemeinden, welches einfach nicht zutreffend ist. „Jeder profitiert am Ende und wir würden die wichtige 100.000 Einwohner-Marke knacken“, ist eine seit Monaten oder auch Jahren getroffene Behauptung ohne sachliche Argumente, die gebetsmühlenartig wiederholt wird, aber dadurch nicht besser wird. Wer ist zum Beispiel „jeder“? Wie heißt es so schön in einer Weisheit der Dakota-Indianer: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“ Wer hilft Herrn Wulff endlich bei der Erkenntniserlangung? „Als Großstadt würde Fulda eine starke Entwicklung nehmen.“ Was ist eine starke Entwicklung? Noch stärker als in den letzten 30 Jahren? Haben wir dann endlich weniger Arbeitslosigkeit? Pendelt man dann aus dem Rhein/Main-Gebiet nach Fulda, oder wo wollen die ganzen neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger dann wohnen? „Der Stadt Fulda gelingt es immer wieder, Flächen anzukaufen, als Ausgleich für Landwirte, um andere Flächen für Gewerbe frei zu machen.“ Dieses ist eine interessante Aussage. Warum werden die Tauschflächen nicht interkommunal eingebracht, damit endlich die Verbindungsspange durch Künzell und Petersberg gebaut werden kann, um dort jetzt schon teilweise vorhandene Gewerbepotentialflächen zu erschließen? „Hier gehen Einzelinteressen zu Lasten der Mehrheit.“

Trifft diese Aussage jetzt auf die Stadt Fulda zu? Verantwortliche aus Eichenzell werden die Aussage zu den Tauschflächen mit viel Erstaunen und vielen Fragezeichen im Kopf lesen.
„Von den anderen Bürgermeistern, mit der Ausnahme Eichenzell, kommt hier wenig.“ Ich erinnere an den Pressebericht der heimischen Zeitung vom 23.09.2017 auf Seite 15 „Wir sind keine Grundstückslieferanten“. Den Bürgermeister von Künzell verschmähen die Landwirte, aber vor dem Oberbürgermeister der Stadt Fulda gehen sie auf die Knie und verkaufen freudestrahlend ihr Land an die Stadt. Diese Idee ist tatsächlich gut in einem Märchen aufgehoben, aber völlig realitätsfern. Herr Wulff fordert eine gemeinsame Vermarktungsgesellschaft!? Nochmals, es gibt derzeit nichts zu vermarkten. Wir müssen erstmal einkaufen können, bevor wir verkaufen können. Diese geforderte Gesellschaft existiert außerdem schon unter vier Kommunen mit dem Vertrag zur interkommunalen Zusammenarbeit bei Gewerbegebieten. Des Weiteren habe ich persönlich nicht den Eindruck, dass irgendein Bürgermeister der Stadtregion mit den anderen nicht zusammenarbeiten könnte oder wollte. Wir verstehen uns gut und das Verhältnis ist offen.

Ich möchte nun zum Ende meiner Ausführungen ein paar neue Gedanken in die Diskussion bringen. Die Stadt will wachsen, mehr große Firmen anlocken – warum? Größenwahn? Wir haben nicht genug Gewerbeflächen für unsere eigenen heimischen Firmen, warum sollen wir dann weitere Firmen anlocken wollen? Wer soll in diesen Firmen arbeiten? Wir haben Vollbeschäftigung und alle heimischen Firmen suchen händeringend nach Fachkräften. Bevor wir neue Firmen ansiedeln, sollten wir erstmal mehr Wohnraum schaffen, um einen Zuzug von Arbeitskräften mit Familien zu ermöglichen. Wo können wir Wohnraum schaffen? Wo können wir neue Hochhäuser bauen und einen zweiten Aschenberg installieren? Die derzeit noch landwirtschaftlich genutzten und von den Vollerwerbslandwirten benötigten Flächen werden nicht an die Kommunen veräußert und somit ist hier schon eine natürliche Bremse vorhanden. Wenn Familien zuziehen, dann benötigen wir mehr Kindergartenplätze und Schulen. Reicht die Infrastruktur mit der aktuellen Straßensituation noch aus? Bekommen wir dann auch eine U-Bahn oder S-Bahn wie in einer richtigen Großstadt? Ist es für uns „Fuldaer“ erstrebenswert in einer Großstadt wie Frankfurt, Offenbach oder Hanau zu wohnen? Für mich jedenfalls nicht. Die Stadt Fulda hatte mal einen Slogan „Liebenswert – lebenswert“. Diesen findet man auf der Website nicht mehr. Dort steht jetzt „Fulda – Unsere Stadt“. Mir persönlich hat der alte Slogan besser gefallen, damit konnte man sich gut identifizieren. Unsere Region profitiert seit der Grenzöffnung vor 30 Jahren durch die vorhandenen mittelständischen Strukturen bei unseren Firmen und den mittelständischen Strukturen der Kommunen. Kurze Wege und die Bekanntheit untereinander helfen, auf die sich schnell verändernde Gesellschaft wirkungsvoll und zielgerichtet eingehen zu können. Großkonzerne und Großstadt sind kein Allheilmittel.

Die Strukturen in den Stadtrandgemeinden mit Einwohnerzahlen von 10.000 bis 20.000 sind gut händelbar und effizienter als große Verwaltungsapparate. Davon bin ich absolut überzeugt. Wer von kommunalen Zusammenschlüssen träumt, sollte auch mal Berichte über bereits erfolgte Zusammenschlüsse lesen. Dann wird schnell klar, dass Systeme aus der Wirtschaft nicht auf Kommunen 1:1 übertragbar sind. Bei Fusionen in der Wirtschaftswelt wird ein Konkurrent ausgeschaltet und auch der Verlust einiger Kunden akzeptiert. Bei der Fusion zu einer Großstadt verlieren wir allerdings keine Einwohner und können somit auch keine Effizienzgewinne generieren, ganz im Gegenteil. Der Apparat wird größer und schwerfälliger. Ich höre jetzt auf. Argumente für eine Eigenständigkeit von Künzell habe ich noch nicht aufgeführt, dieses würde auch viel zu lang dauern. Das Zauberwort heißt für mich interkommunale Zusammenarbeit statt Fusion und dieses sehe ich bei den derzeit führenden Köpfen der Stadtregion möglich. Dort wo es Sinn macht, arbeiten wir zusammen. Wir denken nicht in kommunalen Grenzen, zumindest behaupte ich dieses von mir. Wir leben in einer gemeinsamen Region, die den Namen Fulda trägt und ich sehe diese Region nach wie vor als „Liebenswert und Lebenswert“, so Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf in seiner Mitteilung.

Köhler: Eichenzell muss eigenständig bleiben!

Als Eichenzeller kann ich nur sagen, dass der Plan in erster Linie Vorteile für die Stadt Fulda mit sich brächte. Man schielt hier wohl auch auf unsere wirtschaftliche Struktur. Das Argument des ICE-Haltepunktes kann es ja wohl kaum sein, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die DB nur auf den Namen „Großstadt“ schaut und nicht auf die Frequentierung des ICE-Bahnhofes. Dieser wird übrigens auch von Fahrgästen aus anderen Regionen als Fulda, Petersberg, Künzell und Eichenzell intensiv genutzt. Das Einzugsgebiet reicht heute schon weit bis in die Rhön und in den Vogelsberg. Wer hier nur auf den Titel „Großstadt Fulda“ achtet, wäre völlig falsch beraten. Ferner ändert sich mit der Bezeichnung auch nicht automatisch der Arbeits- und Lebensrhythmus der in der Region lebenden Menschen. Umgekehrt muss ich als Eichenzeller feststellen, dass unsere Gemeinde solide aufgestellt ist und wir sicherlich eine funktionierende Vereinskultur – gerade auch in den Ortsteilen – haben. Diese ließe sich in der Großstadt in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten,  das würde den Charakter der Gemeinde zerstören. Hier kann ich nur daran erinnern, welche Vergünstigungen den Vereinen und damit auch den Bürgern in Eichenzell eingeräumt werden. Dieses geschieht durch die Vereinsförderungsrichtlinie genauso wie durch die schon seit Jahren erfolgreiche Praxis, den Vereinen einmal jährlich die Nutzung eines Dorfgemeinschaftshauses unentgeltlich zu ermöglichen. Im Übrigen ist gerade Eichenzell nicht so eng an die Stadt Fulda „herangewachsen“ als dass hier ein Geburtsfehler der Gebietsreform als Ursache gesehen werden könnte. Überhaupt ist diese Äußerung schwer zu verstehen. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die Gebietsreform auch schwierig umzusetzen. Das Ergebnis war der damals kleinste gemeinsame Nenner. Die Menschen hatten die Reform akzeptiert. Aus Eichenzeller Sicht sehe ich bislang keine Tatsachen, die eine andere Betrachtung fordern. Eichenzell muss eigenständig bleiben! +++