Dippel im Gespräch – „Integration nur auf Grundlage des Grundgesetzes möglich“

Wolfgang Dippel

Wiesbaden/Fulda. Die aktuellen Herausforderungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik sorgen nach wie vor für viel Diskussion. Auch deshalb, weil oft pauschalisiert wird oder man mit Fehlinformationen jongliert. Nicht weniger falsch verhält es sich in diesem Zusammenhang mit Informationen, die medizinische Versorgung der Flüchtlinge betreffend. Wir trafen den Hessischen Staatssekretär für Soziales und Integration Dr. Wolfgang Dippel (CDU) und wollten wissen, wie es um die neuen Mitbürger, die in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, bestellt ist und wie der Staatssekretär persönlich diese Situation einschätzt.

Wie uns Dippel mitteilte, könne man aktuell im Schnitt mit ca. 400-500 Menschen täglich rechnen (wobei die Zugangszahlen starken Schwankungen ausgesetzt sind, so sind z. B. noch Ende Oktober ca. 1.300 Menschen pro Tag zu uns gekommen), die, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden, in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Hier gibt es die Erstaufnahmeeinrichtungen in Gießen, Neustadt, Rotenburg a. d. Fulda und Büdingen sowie zahlreiche Außenstellen und Notunterkünfte, die in den letzten Monaten geschaffen wurden. Für Fulda und auf das ehemalige Max-Bahr-Markt-Gebäude bezogen ist es so, dass wir im Moment dort etwa 750 Menschen (Stand 18.12.) untergebracht haben. Viele Menschen, die zuvor in Zelten im Fuldaer Münsterfeld untergebracht waren, konnten hier in eine feste Unterkunft umziehen. „Im Moment ist es so, dass wir noch ungefähr 1.000 Menschen in den Zelten haben, unser Ziel ist es aber, diese bis zum 21. Dezember 2015 in feste Unterkünfte umziehen zu lassen“, so Dippel.

Ein weiterer Schritt dazu wird wiederum in Fulda gegangen. Hier wird zusätzlich zum ehemaligen Max Bahr Baumarkt die so genannte SB-Unionhalle in Fulda ertüchtigt, welche unmittelbar an den bereits angemieteten Standort angrenzt und Platz für bis zu 300 Flüchtlinge bietet. Wenn man von Neuzugängen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen spricht, gilt es zwischen den erwachsenen Flüchtlingen und den unbegleiteten Minderjährigen (umA = unbegleitete minderjährige Ausländer/innen), von welchen allein im November 2015 2.000 nach Hessen eingereist sind, zu unterscheiden. Hierzu ist zum 1. November 2016 ein neues Gesetz in Kraft getreten, welches Regelungen zur Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer trifft.

Um mal so einen Aufnahmeprozess durchzuspielen: Nehmen wir mal die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen, da kommen die Flüchtlinge hin, werden registriert, erstuntersucht (inkl. Röntgen) und dann – und das ist entscheidend – nachdem bei der Registrierung die Personalien und andere Dinge festgestellt worden sind, kommt das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ins Spiel, welches dann noch einmal bewerten muss: Stammt der Flüchtling aus einem der sicheren Herkunftsländer, beispielsweise aus Albanien, dann hat der Flüchtling kaum eine Chance hierzubleiben oder stammt der Flüchtling z. B. aus Syrien. Wenn letzteres zutrifft, d. h. wenn eine gute Bleibeperspektive besteht, wird dieser Flüchtling wahrscheinlich hierbleiben dürfen.

Im Kontext der Flüchtlingssituation wird auch immer wieder die medizinische Versorgung dieser Menschen falsch verstanden und fehlinterpretiert. „Natürlich muss man diesen Menschen in Notsituationen – beispielsweise bei einem Herzinfarkt – erste Hilfe leisten – das ist doch klar. Bei einer solchen Notfallsituation muss man eine medizinische Versorgung einfach gewährleisten, aber es ist definitiv nicht so, wie oft falsch berichtet wird, dass diese Menschen jetzt z. B. neue Zähne gemacht bekommen oder alle Flüchtlinge jetzt eine ,Top-Privatversorgung‘ hätten, das ist absoluter Quatsch.“ Überlegungen bestehen hinsichtlich der Einführung einer sog. Gesundheitskarte. Dies liege jedoch in der Entscheidungshoheit der Kommunen.

„Hessen hat schon früh einen Maßnahmenkatalog verabschiedet, einfach unter dem Aspekt, dass wir sagen, ,Die Menschen sind uns willkommen und wir wollen verhindern, dass diese Menschen obdachlos sind. Außerdem wollen wir diese Menschen rechtzeitig begleiten. Das ist uns bislang auch recht gut gelungen“, so der Hessische Staatssekretär für Soziales und Integration gegenüber fuldainfo. Darüber hinaus wurde durch die Hessische Landesregierung kürzlich ein neuer Aktionsplan zur Integration der Flüchtlinge in Hessen veröffentlicht, der zahlreiche weitere Maßnahmen beinhaltet.

Wie uns Dippel weiter mitteilte, drehe sich derzeit alles um die Frage „Wie integriere ich diese Menschen richtig?“ „Wenn alle Registrierungsverfahren abgeschlossen sind und diese Menschen dann in der Kommune beheimatet sind, muss man sich als nächstes der Frage ,Wie integriere ich diese Menschen jetzt am besten?‘ annähern. Wer anerkannt ist und hier bleiben darf, den gilt es schnellstmöglich auch zu integrieren. Das bei diesem Thema ,Sprache‘ eine ganz wichtige Rolle spielt, liegt auf der Hand. Auch gilt es, sich einen Überblick über die Berufliche Qualifikation dieser Menschen zu verschaffen, um zu wissen, welche Möglichkeiten habe ich überhaupt, um diese Menschen zu schulen? Es werden immer mehr Menschen hier vor Ort, in den Kommunen sein, da geht es dann auch um die Frage: ,Wie sich diesen Menschen annähern?‘.“

Viele Helferinnen und Helfer waren von Anfang an, als die Flüchtlinge vor Monaten zu uns kamen, mit viel Engagement dabei und haben – auch als es um die Aufbauarbeiten und Organisation der Zelt- bzw. in den Zeltstädten ging – tatkräftig unterstützt, weiß auch Staatssekretär Dippel: „Ich sage ganz bewusst – ob in den Zeltstädten, den Notunterkünften, den Erstaufnahmeeinrichtungen – in allen Einrichtungen, waren und sind wir auf das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer angewiesen und mehr als dankbar für deren tatkräftige Unterstützung. Diese Menschen waren rund um die Uhr im Einsatz – das sollte man anerkennen. Auch die Landesregierung hat eine Vielzahl von Helfern rekrutiert, darunter z. B. Ärzte, Sozialarbeiter oder auch Pensionäre.“ Eines steht für Dippel fest: Die Aufgabe wird uns auf jeden Fall weiter fordern. Im Ministerium für Soziales und Integration wurde bereits eine Stabstelle Asyl eingerichtet. Die Arbeit müsse nach Ansicht des Hessischen Staatssekretärs für Soziales und Integration im Ministerium gebündelt werden, um die Abläufe zu professionalisieren. In der Staatskanzlei ist darüber hinaus eine Stabsstelle zur Steuerung und Koordinierung aller Ebenen der Landesverantwortlichkeiten eingerichtet worden, um Prozesse in Sachen Asyl- und Flüchtlingspolitik zusammenzufassen.

„Ich möchte folgendes abschließend zum Thema Asyl sagen: Natürlich sind die Menschen auf kommunaler Ebene alle davon betroffen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es wichtig ist, Integration vorzunehmen. Auch kann diese nur vorgenommen werden, wenn man auf den Grundlagen des Grundgesetztes – und natürlich auch nur dann, wenn die Flüchtlinge unsere Werte, die hier über Jahre hinweg positiv auf den Weg gebracht worden sind, akzeptieren, annehmen und verinnerlichen – agiert. Was bei der Integration auch eine wichtige Rolle spielt, – das Beispiel Paris zeigt es ja -, ist, dass man diese Menschen, die neu zu uns kommen, gesellschaftspolitisch mit einbindet. Natürlich ist auch klar, dass diese Menschen dazu bereit sein müssen. Dabei spielt dann nicht nur mehr alleine das Geld eine Rolle, sondern es rückt die Frage – „Wie nehme ich auf?“ – ins Zentrum des kommunalpolitischen Entscheidungs- und Handlungsprozesses. Hierbei sind wir alle als Vermittlungsinstanz gefordert“, so Dippel zur Integrationsfrage. „Das große Problem lösen wir sowieso nicht bloß auf Bundesebene, sondern das ist auch etwas für die Europapolitik, hier müssen die Europäischen Staaten ,mitanpacken‘. Wir haben in Hessen bis Mitte Dezember 7.829 Menschen wieder in ihre Heimat zurückgebracht (2.358 Abschiebungen und 5.471 freiwillige Ausreisen). Es gibt nämlich mittlerweile auch viele Flüchtlinge, die erkannt haben, dass sie hier nicht bleiben können und gehen freiwillig wieder zurück. Die anderen, die kein Asyl bekommen, werden abgeschoben. Unsere größte Aufgabe ist es, in den Ländern, aus diesen die Flüchtlinge geflohen sind, für Frieden und Freiheit zu sorgen, denn nur so werden Fluchtursachen wirksam bekämpft – das stellt eine weltweite Aufgabe dar.“

Eine weitere Aufgabe besteht nach Staatssekretär Wolfgang Dippel darin, dass wir in Deutschland, in Europa sowie in der Welt auch lernen müssen, allgemein zu akzeptieren. Wir sollten Flüchtlingen eine faire Chance geben, sich integrieren zu können. Und dies – das halte ich ganz besonders für wichtig – immer auf Grundlage unseres Grundgesetztes: so z. B. die Religionsfreiheit, die Gleichheit vor Mann und Frau sowie einem würdevollen Umgang miteinander. Wir müssen aber auch denjenigen Menschen, die hier keine Aussicht auf Asyl haben, klarmachen, dass sie hier nicht bleiben können und ihnen leider auch mitteilen, dass sie wieder zurück in ihre Heimat gehen müssen. ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ – so steht es in unserem Grundgesetz. Abschließend kann ich nur noch einmal dafür plädieren, dass eine Integration nur auf Grundlage unseres Grundgesetzes – und dazu gehört auch, der gegenseitige Respekt voreinander sowie die gegenseitige Akzeptanz – möglich ist, aber eben auch die Pflicht, für diese, unsere Werte, einzustehen“, so der Hessische Staatssekretär für Soziales und Integration und Fuldaer Bürgermeister a. D. Dr. Wolfgang Dippel abschließend.  +++ fuldainfo | jessica auth

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