Dialogveranstaltungen zur Fulda-Main-Leitung

Kommunen entdecken Kampfgeist

Foto: privat

Wenn das „Wo“ (welcher Streckenverlauf?) nicht geklärt werden kann und es zum „Wie“ (Freileitung oder Erdkabel?) mehr Fragen als Antworten gibt, dann sollte auch das „Ob“ (brauchen wir die P43 zur Versorgungssicherheit?) für die Fulda-Main-Leitung endlich in den Fokus gestellt werden. Die netztechnische Notwendigkeit für diese 380 kV Leitung ist nach einem aktuellen Gutachten von Prof. Dr. Lorenz Jarass nicht zwingend gegeben. Grundlage seiner Berechnungen war der Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber. Auch die Kosten dieser monströsen Leitung, die u.a. den Landkreis Fulda mit 70 m hohen Masten queren soll, übersteigen ihren Nutzen. Damit wird von den Planern auch eine zentrale Forderung aus dem Energiewirtschaftsgesetz missachtet.

Kommunen entdecken Kampfgeist

Der Unmut in den Kommunen wird lauter und 100 Milliarden für den geplanten Netzausbau in Deutschland (immerhin ¼ eines jährlichen Bundeshaushalts) sind kein Pappenstiel. Die aktuellen P43-Dialogveranstaltungen des Übertragungsnetzbetreibers TenneT und nette Imagevideos auf der eigens eingerichteten Webseite können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Öffentlichkeit letztendlich nur vage Informationen erhält. Was verschwiegen wird ist das Bestreben, das Planungsverfahren der Fulda-Main-Leitung zu beschleunigen. Vorzeitige Hinweise zu Raumwiderständen aus den betroffenen Regionen helfen bei der Trassenfindung. Gespräche hinter „verschlossenen Türen“ mit dem Hamelner-Landkreis-Bündnis sichern politische Rückendeckung. Dazu noch die Ankündigung, dass Antragskonferenzen der BNetzA, natürlich pandemiebedingt, wahrscheinlich nur schriftlich abgehalten werden können. Die Fristen sind meistens kurz gefasst, die Antragsunterlagen, obwohl geprüft, werden noch nicht öffentlich zur Verfügung gestellt. Sind Dialogforen also reine Alibiveranstaltungen?

Exzessiver Netzausbau gefährdet Regionalentwicklung

Der überdimensionierte Netzausbau ist weder der Energiewende, noch dem Klimaschutz dienlich. Das Märchen vom Windstrom aus dem Norden zieht nicht mehr. Zahlreiche Studien belegen, dass wir deutlich weniger Stromtrassen brauchen als geplant. Die TU München, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, der BUND, der Technologieverband VDE, um nur einige zu nennen. Alle Experten mahnen eine Veränderung im Energiesystem an und fordern die Umsetzung einer dezentralen Energieversorgung auf Basis zellularer Strukturen mit dem Ziel, den Strom direkt dort zu verbrauchen, wo er erzeugt wird, auf lokaler und regionaler Versorgungsebene. Dies kann Kosten und vor allem Umweltbelastungen deutlich mindern, ganz im Sinne der Gemeinden und Kommunen, die ihre Regionalplanung und Entwicklung durch die Fulda-Main-Leitung gefährdet sehen.

Änderung der politischen Rahmenbedingungen für die Energiewende erforderlich

Klimaschutz ist das oberste Gebot der Stunde, wie auch das Bundesverfassungsgericht kürzlich in einem historischen Urteil entschieden hat. Ohne die Corona-Pandemie und den Stillstand im Lockdown hätte Deutschland die Klimaziele für 2020 bereits deutlich verfehlt. Der exzessive Neubau von Übertragungsleitungen würde den fossil-atomaren Stromhandel noch viele Jahre begünstigen und uns zunehmend von teuren Stromimporten abhängig machen. Es ist an der Zeit, die politischen Rahmenbedingungen einem zukunftsfähigen und auf lange Sicht kostengünstigen Energiesystem anzupassen. Für den Bürgerprotest bietet der Bundestagswahlkampf die beste Gelegenheit sich Gehör zu verschaffen und mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen. Politiker auf Landes- und Bundesebene müssen Farbe bekennen und aktiv eine Gesetzesänderung im Sinne des Klimaschutzes fordern. Dazu gehört auch die Beschränkung des überdimensionierten Netzausbaus. Angeblich verständnisvollen Worten müssen endlich Taten folgen. In diesem Sinne freuen wir uns auf einen heißen Sommer. +++ pm