Bürgerinitiativen gegen SuedLink – große Skepsis auch mit Erdverkabelung

Fulda. Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink, der die Interessen vieler Bürgerinitiativen der Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vertritt, zieht vor den Weihnachtsfeiertagen Bilanz: Natürlich würde die Ausweitung von Erdverkabelung bei Höchstspannungsleitungen den Netzausbau Bürger freundlicher gestalten. Aber für uns ist die Notwendigkeit von HGÜ-Trassen nach wie vor nicht eindeutig belegt worden.

Nach den vielen Bürgerbeteiligungen der letzten Wochen zum Thema Netzausbau bestätigen sich nun unsere Befürchtungen, dass es durch die Beschlussfassungen in Bundestag und Bundesrat bzgl. der Gesetzesänderungen zum Energieleitungsbau in erster Linie um eine Beschleunigung des Netzausbaus und nicht um die Einbeziehung des Bürgerwillens bei Planungsentscheidungen zum Energieleitungsbau geht.

Wie sonst lässt sich erklären, dass ein Antrag vom Land Nordrhein-Westfalen abgelehnt wurde, der eine regelmäßige Erdverkabelung auch dann fordert, wenn neue Mastreihen für HGÜ-Freileitungen parallel zu bestehenden Trassen gebaut werden sollen? Auch beim Austausch von bestehenden durch noch höhere Masten für HGÜ-Freileitungen, wird die Option der Erdverkabelung nicht berücksichtigt. Die erheblichen Umweltauswirkungen in den betroffenen Regionen und die zusätzliche Belastung der Bevölkerung sind anscheinend nicht entscheidungsrelevant für unsere „Volksvertreter“. Der Blick auf die Thüringer Strombrücke ist ein mahnendes Beispiel, denn die gerade in Betrieb genommene Drehstromtrasse war als Pilotprojekt für Erdverkabelung ausgeschrieben, realisiert wurde kein einziger Meter.

Wir fordern eine starke solidarische Bürgergemeinschaft und eine Abkehr vom St. Floriansprinzip. Wir alle sind betroffen, denn die Bundesregierung verfolgt einen ehrgeizigen Netzausbauplan der sich nicht am Strombedarf im Sinne von Verbrauch und Versorgungssicherheit orientiert, sondern am wachsenden internationalen Stromhandel der weiterhin auch auf fossilen Energieträgern basiert.Freuen können sich darüber nur die Übertragungsnetzbetreiber, die mit ihren Bedarfsermittlungen zur Stromnetzplanung hauptsächlich die eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Davon ist der Bundesverband überzeugt.

Wenn eine Stromleitung im Jahr für eine Stunde überlastet ist, fordern die Netzbetreiber bereits eine Verstärkung oder den Neubau von Stromtrassen. Die Bundesnetzagentur steht in der Verantwortung den tatsächlichen Bedarf auch selbst zu prüfen, denn die Kosten für Regulierungsmaßnahmen müssen denen eines Leitungsneubaus, inklusive Folgekosten für Wartung und Instandhaltung gegenübergestellt werden.Aber wenn Bedarfsermittlung, Planung, Bau und Betrieb der Übertragungsnetze genauso wie die Bewertung der Stellungnahmen zum ersten Entwurf des Netzentwicklungsplanes in den Händen der Übertragungsnetzbetreiber liegen, dann ist dies in unseren Augen eine Kompetenzüberschreitung, der wir mit allen Mitteln entgegenwirken müssen. Diese Bedenken haben wir bei der Bundesnetzagentur deutlich zum Ausdruck gebracht.

Frau Prof. Dr. Claudia Kemfert, ausgewiesene Energieexpertin des DIW in Berlin geht davon aus, dass der Bau der Gleichstromtrassen inklusive des SuedLink zum jetzigen Zeitpunkt nicht zwingend notwendig ist, ein entsprechendes Berechnungsmodell wurde laut ihren Aussagen bereits erstellt. Darin liegt nach Ansicht des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen SuedLink der Knackpunkt aller Bedarfsermittlungen, denn die Eingabe entsprechender Parameter ist ausschlaggebend für die Ergebnisse der Berechnungen.Im Netzentwicklungsplan sollte daher ein Szenario aufgeführt sein, das eine transparente Analyse eines Stromnetzes ohne HGÜ-Leitungen ermöglicht und für die Bevölkerung nachvollziehbar aufzeigt, welche Auswirkungen dies auf die Versorgungssicherheit in Deutschland tatsächlich hätte.Der Ausstieg aus der Kohle wird der Schlüssel zum Erfolg werden, denn wenn kein Kohlestrom mehr transportiert werden muss, dann könnte sich auch der Bedarf am Netzausbau verringern.Die ehrgeizigen Klimaziele, die in Paris ausgerufen wurden zeigen, dass Dekarbonisierung langfristig gesehen der wichtigste Ansatz ist, um der Erderwärmung entgegenzuwirken und den CO2 Ausstoß dauerhaft zu senken.

Obwohl in Deutschland Kohlekraftwerke stillgelegt werden, bleibt der Bundesverband kritisch, denn anstatt umweltfreundliche Gaskraftwerke zu fördern, sollen in Deutschland alte Kohlemeiler als Notfallreserve eingesetzt werden. Laut Öko-Test erhalten die Konzerne dafür 1,61 Milliarden Euro. Viel Geld für klima schädliche Kohlekraftwerke, die die Betreiber ohnehin stilllegen wollten. Die Regierung macht dieses Spiel mit und lässt sich von der Kohlelobby mit der Androhung von Arbeitsplatzabbau erpressen. Befremdlich auch die gleichzeitige Inbetriebnahme von neuen Kohlekraftwerken, die mit einer Laufzeit von bis zu 60 Jahren die angestrebten Klimaziele unterlaufen. Kohle wird dann billig u.a. aus Kolumbien unter Missachtung von Menschenrechten importiert. Was das mit Energiewende und Klimaschutz zu tun hat, kann niemand erklären.

Deutschland steht am Scheideweg – auch in der Energiepolitik. Die Verträge von Paris weisen den richtigen Weg,denn alle Teilnehmer der Weltklimakonferenz haben sich eindrucksvoll und verbindlich für den gemeinschaftlichen Klimaschutz und damit für die Erneuerbaren Energien ausgesprochen. Eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Deutschland könnte auch für andere Länder beispielhaft und richtungsweisend werden.

Würde man die zügige Weiterentwicklung der unterschiedlichsten Speichertechnologien durch Fördermaßnahmen vorantreiben und regionalen Energiekonzepten Wettbewerbsfähigkeit einräumen, wären bereits die richtigen Weichen für eine erfolgreiche Energiepolitik gestellt. Die Zubau-Dynamik von hocheffizienten und auf regenerativen Energien basierenden Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen müsste durch geeignete Maßnahmen und gesetzliche Regelungen sichergestellt werden, um Investoren Planungssicherheit zu geben. KWK-Anlagen mit einem Wirkungsgrad von 80% verknüpfen die Versorgungsbereiche Strom- Wärme- und Gas und leisten bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur Integration der Erneuerbaren Energien.

Wenn man zusätzlich noch berücksichtigt, dass ein gut ausgebautes Stromnetz auf Nieder- und Mittelspannungsebene (inklusive problemloser Erdverkabelung in diesen Spannungsebenen) den SuedLink und die anderen Gleichstromtrassen infrage stellen würde, dann könnten wir vorsichtig optimistisch in das neue Jahr blicken. Dann hätte der Bürgerprotest der letzten Monate zu einer vernünftigen Entwicklung der Energiepolitik in den Regionen, in Deutschland und letztendlich in Europa beigetragen. +++ fuldainfo

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