Baerbock hat Kanzlerkandidatur offenbar noch nicht abgeschrieben

Bei den Grünen herrscht Unruhe

Annalena Baerbock (Grüne) Foto: Urban Zintel

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat eine erneute Kanzlerkandidatur offenbar noch nicht abgeschrieben. „Als Außenministerin habe ich gelernt, dass alles möglich ist“, sagt sie der „Süddeutschen Zeitung“.

Bislang gilt Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck als Favorit. Die Zeit für eine Entscheidung hält Baerbock noch nicht für gekommen: „Mein Job und auch der des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers ist es aber, die akuten Probleme zu lösen, nicht öffentlich Personaldebatten zu führen.“ Auch ein Spitzenduo schließt Baerbock nicht aus. „Um es zum Start der EM in der Fußballsprache zu sagen: Weder Ilkay Gündogan als Kapitän der Männer noch Giulia Gwinn als Kapitänin der Frauen werden Deutschland alleine zum Titel führen.“

Bei den Grünen herrscht Unruhe, seit die Partei bei den Europawahlen regelrecht abgestraft wurde. Baerbock macht für die schweren Verluste auch Fehler der eigenen Partei mitverantwortlich. „Beim Heizungsgesetz haben wir die Frage der sozialen Absicherung zu Beginn nicht ausreichend thematisiert. Vielen Menschen war lange nicht klar, was das alles für sie konkret heißt.“

Auch Fragen der Sicherheit hätten Bundesregierung und Grüne offenkundig „zu wenig adressiert“. Baerbock spricht sich in diesem Zusammenhang für die Abschiebung von Schwerverbrechern auch nach Syrien und Afghanistan aus. „Jeder, der sieht, wie der Angreifer von Mannheim auf einen Polizisten einsticht, oder sich an die Gruppenvergewaltigung einer 14-Jährigen erinnert, muss zum Schluss kommen: Wer Schutz in unserer liberalen Demokratie sucht, verwirkt den Anspruch darauf, wenn er sie zerstören will.“ Daher hätten „solche Schwerverbrecher nach der Verbüßung ihrer Strafen in unserem Land nichts verloren“.

Im Haushaltsstreit mahnt Baerbock mehr Spielraum an. „Es wäre fatal, in ein paar Jahren sagen zu müssen: Wir haben die Schuldenbremse gerettet, aber dafür die Ukraine und die europäische Friedensordnung verloren.“ Die Außenministerin warnt allerdings davor, wegen der Auseinandersetzung die Koalition platzen zu lassen. „Den größten Gefallen, den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, dass noch eine europäische Demokratie vorzeitig in Neuwahlen geht. Unser verdammter Job als Regierung ist es, auch in schwierigen Zeiten Probleme miteinander zu lösen.“

Baerbock warnt vor neuer Fluchtwelle aus der Ukraine

Baerbock warnt vor den Folgen für Deutschland, sollte die Ukraine nicht die nötige Unterstützung erhalten, um sich weiter gegen den russischen Angriffskrieg zu verteidigen. „Wenn wir die Ukraine nicht weiter unterstützen, dann gehen wir das Risiko ein, dass Putins Truppen an der Grenze zu Polen stehen“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ weiter. „Da ist der Krieg schnell auf dem Gebiet von EU und Nato.“ Es sei kaum zu beziffern, wie viel es kosten würde, wenn wir unsere Freiheit und Sicherheit selbst verteidigen müssten, sagte Baerbock. „Es geht letztlich auch um eins: Die Unterstützung der Ukraine hält den Krieg auch von uns weg.“

Wenn sich die Ukraine nicht mehr verteidigen könne, „dann werden weitere Millionen Menschen fliehen müssen“. Denn wer lebe schon freiwillig unter Folter und Besatzung, sagte die Außenministerin. Sie verwies auf Berichte über Vergewaltigungen in besetzten Gebieten und Verschleppung von Kindern. Diese zeigten, die Menschen müssten sich auf das Allerschlimmste einstellen.

Baerbock macht auch deutlich, für wie groß sie die Gefahren durch Russland auch über die Ukraine hinaus hält. „Putins Kriegsführung ist auch gegen uns gerichtet“, sagte sie. „Der Kreml betreibt in ganz Europa Destabilisierung – mit Cyberangriffen, mit politischen Morden.“ Putin wolle die Friedensordnung in Europa zerstören und damit so viele liberale Demokratien wie möglich. „Dafür hat er auch Handlanger am ganz rechten und linken Rand in unseren Parlamenten, die seine Propaganda eins zu eins übernehmen“, so Baerbock. +++

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