Arbeitgeberpräsident warnt vor flächendeckendem Lockdown

Ärztepräsident warnt vor überzogenen Erwartungen an harten Lockdown

Der neue Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnt vor einem erneuten flächendeckenden Lockdown für den Einzelhandel. „Den Einzelhandel pauschal in ganz Deutschland zu schließen, hielte ich für falsch, weil sich das Infektionsgeschehen beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern ganz anders darstellt als in Sachsen“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) dem „Handelsblatt“. „Der Einzelhandel hat schon viel gelitten und sollte auf jeden Fall noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen können.“

Wenn die Politik schärfere Maßnahmen ins Auge fasse, sollte sie vor allem über die Zeit nach Feierabend nachdenken, also beispielsweise private Feiern weiter einschränken. Insgesamt bewertet der neue BDA-Chef die Corona-Politik positiv: „Die Hilfen des Bundes und der Länder waren gut und richtig.“ Aber das viele Geld müsse irgendwann auch wieder verdient werden. „Und das funktioniert nur, wenn den Unternehmen keine Steine in den Weg gelegt werden. Wir brauchen dringend ein Belastungsmoratorium. Mit höheren Steuern oder Abgaben würden wir die Wirtschaft abwürgen.“ Dulger forderte die Politik auf, auf einen Rechtsanspruch auf Homeoffice, die Einschränkung befristeter Beschäftigung oder das geplante Lieferkettengesetz zu verzichten. „Stattdessen brauchen wir Chancen für mehr Flexibilität, zum Beispiel beim Arbeitszeitgesetz.“

Ärztepräsident warnt vor überzogenen Erwartungen an harten Lockdown

Bundesärztepräsident Klaus Reinhardt plädiert für einen bundesweiten harten Lockdown nach Weihnachten, warnt aber vor überzogenen Erwartungen. „Angesichts der aktuell sehr hohen Todeszahlen und einer unverändert hohen Belastung in den Kliniken müssen wir die Kontakte schnell und deutlich reduzieren“, sagte Reinhardt dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Das gehe am besten durch ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens zwischen Weihnachten und dem 10. Januar und damit in einer Phase, die ohnehin eine Zeit der Ruhe sei. „Es ist aber eine Illusion zu glauben, mit einem harten Lockdown von 14 Tagen ab Weihnachten bekommen wir die Pandemie in den Griff“, warnte der Ärztepräsident. „Nach dem Ende eines wie auch immer gearteten Lockdowns werden die Infektionszahlen bei Lockerung der Maßnahmen auch wieder steigen“, erwartet Reinhardt. Deshalb müssten bundesweit Konzepte umgesetzt werden, um besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, also v or allem ältere Menschen, wirksam zu schützen, forderte er. Als vorbildlich lobte Reinhardt das Vorgehen von Tübingens Bürgermeister Boris Palmer (Grüne), ausreichend FFP2-Masken an ältere Menschen auszugeben, für sie spezielle Zeitfenster für den Einkauf im Einzelhandel vorzusehen und Sammeltaxis zum Bustarif anzubieten. „Das sind hervorragende Konzepte, die bundesweit Schule machen müssen“, forderte Reinhardt. Der Ärztepräsident forderte Bund und Länder zu einem einheitlichen Vorgehen auf. „Auch wenn hoffentlich ab Januar die Impfungen beginnen, brauchen wir eine klare, nachvollziehbare und längerfristige Strategie zum weiteren Umgang mit dieser Pandemie“, sagte er. „Angesichts des ständigen Hin- und Her in der Politik und eines Flickenteppichs an Regelungen besteht die große Gefahr, dass wir die Zustimmung in der Bevölkerung zu den notwendigen Corona-Beschränkungen verlieren.“ Vor allem die Länder seien gefordert, ihr jeweiliges Vorgehen verständlich zu kommunizieren. „Panik mach en und Angst schüren sind keine guten Instrumente, um die Bevölkerung zum Mitmachen zu bewegen“, sagte Reinhardt dem RND. „Auf die Akzeptanz in der Bevölkerung sind wir bei der notwendigen Reduzierung der Kontakte in einer freiheitlichen Gesellschaft auf jeden Fall angewiesen.“

DIVI: Intensivbetten könnten spätestens Mitte Januar knapp werden

Uwe Janssens, Präsident der deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI), hat vor den Folgen fortwährend steigender Infektionszahlen für die Intensivbettenbelegung gewarnt. „Wenn das so weitergehen würde, drei, vier Wochen noch, dann geraten wir wirklich an unsere Kapazitätsgrenzen“, sagte er am Donnerstag „RTL Aktuell Spezial“. Zwar gelte das nicht für alle Regionen Deutschlands, aber in manchen Regionen sei man bei unter zehn Prozent freien Intensivbetten. „Das ist besorgniserregend und wenn wir dort so einen anhaltend hohen Infektionsanteil jeden Tag sehen, dann wird es eng werden. Spätestens Mitte Januar.“ Deshalb hält es Janssens für wichtig, dass „alle Bundesländer sich an die strikten Maßnahmen halten und nicht jeder sagt, nur weil ich keine Infektionszahlen habe, muss ich das nicht machen“. Sie sollten zusehen, so Janssens, dass sie die Infektionszahlen niedrig halten, damit sie den anderen in der Not helfen können, zum Beispiel über das Kleeblattsystem, das dann auch scharf geschaltet werden müsse. Ein großes Problem bleibe nach wie vor, dass man keine klare Waffe gegen das Virus habe, so der Notfallmediziner. „Alle antiviralen Medikamente helfen uns nicht.“ Es sei auch nichts absehbar. Nur die kommenden Impfstoffe seien ein Silberstreifen am Horizont, „wenn wir den nicht ergreifen würden, würden wir eine große Chance verpassen“. Die Ängste seien zwar verständlich, aber Bedenken, dass Erbmaterial verändert wird, seien völlig am Thema vorbei. „Diese Angst brauchen die Leute nicht haben.“ Janssens spricht sich zudem gegen eine Impflicht aus: „Wir sollten über den Intellekt gehen, ich setze auf die Freiwilligkeit. Damit werden wir auch letztendlich durchdringend Erfolg haben.“ +++

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