Altmaier: Senkung der Infektionszahlen hat Vorrang vor Lockerungen

CDU-Bundestagsabgeordnete fordern Stufenplan für Lockerungen

Peter Altmaier (CDU)
Peter Altmaier (CDU)

Die schnelle Senkung der Corona-Infektionszahlen sollte nach Überzeugung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) absoluten Vorrang vor einer Lockerung des Lockdowns haben. Altmaier sagte am Sonntagabend mit Blick auf die Beratungen der Länderregierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch der „Bild“: „Mein Rat als Bundeswirtschaftsminister ist, dass wir alles, aber auch wirklich alles tun, damit die Zahlen schneller runtergehen.“ Selbstverständlich werde auch an „Öffnungsstrategien“ gearbeitet. Derzeit seien die „Zahlen aber noch zu hoch, um konkrete Schritte jetzt schon zu verantworten“. Die Zahl der Neuinfektionen sei gegenwärtig noch doppelt so hoch wie zu dem Zeitpunkt, als der Lockdown verhängt wurde.

Lieber noch keinen Sommerurlaub buchen

Altmaier (CDU) rät von Urlaubsbuchungen für den Sommer zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Altmaier sagte am Sonntagabend der „Bild“ weiter: „Ich würde jedem empfehlen, einige Wochen die Situation zu beobachten, um keine Entscheidung zu treffen, die man nachher wieder revidieren muss.“ Der Minister machte deutlich, dass es sich dabei um einen persönlichen Rat handelt und nicht um eine Empfehlung des Bundeswirtschaftsministers. Denn: „Der gibt keine Empfehlung an die Menschen, was sie tun oder lassen sollen“. Wenn alles gut läuft, wäre schon bis zum Sommer ein Großteil der Bevölkerung geimpft und die Pandemie kommt zum Erliegen, die hohen Temperaturen könnten dabei mithelfen. Es kann nach Ansicht mancher Experten aber auch ganz anders kommen.

Experte glaubt nicht an Inzidenz unter 50 bis Mitte Februar

Wegen der sinkenden Corona- Inzidenzwerte Entwarnung zu geben, hält Kai Nagel, Professor für Verkehrssystemplanung an der TU Berlin, für verfrüht. „Es wird eher nicht möglich sein, schon Mitte Februar unter den Wert von 50 zu kommen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Das habe mit den Mutationen des Coronavirus zu tun. „Wir sehen in unseren Simulationen erste Auswirkungen“, sagte Nagel, der die Ministerpräsidentenkonferenz vor der vergangenen Videoschalte erstmals beraten hatte. Die Stufenpläne der Bundesländer zu möglichen Lockerungen der Corona-Verordnungen lockerten aus seiner Sicht an der falschen Stelle. „Eine vollständige Öffnung der Schulen wäre das falsche Signal“, sagte Nagel. Die Alternative könne ein streng überwachter Wechselunterricht zusammen mit Maskenpflicht im Unterricht sein. Das müsse aber durch Studien begleitet werden, um die Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen zu beobachten. Auch eine Freigabe der Innengastronomie ohne Maskenpflicht an den Tischen hält Nagel für falsch, mit Maske könne man bekanntlich nichts verzehren. „Dagegen kann man Museen, Freiluftveranstaltungen und den Einzelhandel bei Vorliegen von Hygienekonzepten in Teilen und bis zu einer Obergrenze freigeben“, sagt Nagel. Die Regeln für den Arbeitsplatz müssten dagegen eher nachgeschärft werden, etwa durch mehr Homeoffice, Einzelbüros oder Masken am Arbeitsplatz.

CDU-Bundestagsabgeordnete fordern Stufenplan für Lockerungen

Mehrere Unionsabgeordnete im Bundestag fordern einen stufenweisen Ausstieg aus dem Corona-Lockdown. „Nach monatelangen Einschränkungen und harten Entbehrungen aber auch angesichts eines zunehmenden Impfschutzes von besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen müssen wir mehr über greifbare Perspektiven sprechen“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) der „Welt“. „Statt über bundesweite Lockdowns zu beraten, brauchen wir Konzepte für lokale Öffnungen soweit möglich.“ Frei sprach sich für einen „Perspektivplan“ aus, der einen bundesweiten Rahmen für Lockerungen vor Ort vorgeben könnte. Diese sollten sich in erster Linie an der Inzidenz orientieren. „Bei einer Inzidenz von unter 50 ist das Infektionsgeschehen gut nachverfolgbar“, sagte Frei. „Das öffentliche Leben könnte – abgesehen von Großveranstaltungen – weitgehend normal verlaufen.“ CDU-Gesundheitspolitiker Rudolf Henke plädierte „für ein bundesweit einheitliches Konzept, das sowohl bei sinkenden wie auch steigenden Infektionszahlen greift“. Ähnlich wie zum Beispiel Irland könne man ein System von fünf Stufen aufbauen, das für alle Landkreise und kreisfreien Städte gelte, sagte er der „Welt“. Die Einteilung in eine Stufe wäre demnach abhängig von einem Corona-Index, der neben dem Inzidenzwert auch andere Parameter berücksichtige, etwa die Anzahl der in Heimen lebenden Pflegebedürftigen oder die Bevölkerungsdichte. CDU-Innenexperte Marian Wendt schlug ein „Ampelsystem“ vor, wie es Italien mit Erfolg seit Oktober letzten Jahres anwendet. Dort sei jedem Bürger klar: „Es gibt rote, gelbe, orangefarbene Zonen, die alle zwei Wochen von der Regierung, nach einem Berechnungsschlüssel, neu festgelegt werden – abhängig von der jeweiligen Corona-Gefährdung vor Ort.“ Für die Bürger schaffe „das Planbarkeit und ein Leben, das ein Stück weit Normalität trotz der Pandemie erlaubt“. Wendt sagte mit Blick auf ein solches Stufensystem: „Das wird der konkreten Corona-Gefährdung besser gerecht als unsere reine Fokussierung auf die 50er-Inzidenz.“ Letzterer Richtwert ist für die Krisenpolitik der Bundesregierung bislang maßgebend. +++

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