Adoption: Was abgebende Mütter bewegt

Kinder

Fulda. Wie kann man das tun? Sein eigenes Kind zur Adoption freigeben. Das passt doch so gar nicht ins Mutterbild. Oder doch? Was abgebende Mütter und Väter bewegt, wissen Irmgard Plappert und Ines George von der gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle der Landkreise Fulda und Hersfeld-Rotenburg sowie der Stadt Fulda „Je mehr Aufklärung es gibt, umso größer wird das Verständnis“, meinen die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen, die im Interview über ihre Erfahrungen mit abgebenden Müttern berichten.

Wie werden abgebende Mütter aus Ihrer Sicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Irmgard Plappert: Weil die überwiegende Zahl der abgebenden Mütter, mit denen wir es zu tun haben, die Freigabe zur Adoption geheim halten möchte, gehen wir davon aus, dass es noch keine flächendeckende Akzeptanz gibt.

Warum möchten die Frauen es geheim halten?

Ines George: Nach unserer Erfahrung spielen Angst und Scham oft eine große Rolle. Ob-wohl der gesamtgesellschaftliche Druck wenig greifbar ist, wollen die Frauen möglichen Re-pressionen aus dem Weg gehen.

Welche Umstände führen dazu, dass Frauen ihr Kind zur Adoption freigeben?

Ines George: Die Geschichten der Frauen sind ganz unterschiedlich. Es gibt Frauen, die von der Schwangerschaft überrascht worden sind. Frauen, die Gewalterfahrungen gemacht ha-ben und gegen ihren Willen schwanger geworden sind, oder Frauen beziehungsweise Paare, die schon mehrere Kinder haben und an der Grenze dessen sind, was sie leisten können. In den meisten Fällen fehlt es an einem Partner und an finanziellen Mitteln. Hinzu kommt häufig die Sorge vor Verlust des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes

Was bewegt die abgebenden Mütter bei ihrer Entscheidungsfindung?

Irmgard Plappert: Die Frauen werden nicht von egoistischen Motiven geleitet. Sie schauen eher, was das Kind braucht, was sie ihm bieten können oder eben nicht. Deshalb denken wir, dass Mütter und Väter, die diesen Weg gehen, die gleiche Wertschätzung wie alle anderen Mütter und Väter verdient haben. Die Entscheidung für die Adoption ist eine Entscheidung zum Wohle des Kindes und für das Leben. Mütter, mit denen wir es zu tun haben, sagen: „Abtreibung wäre für mich nicht in Frage gekommen.“

Suchen die Mütter nach der Adoption den Kontakt zum Kind oder eher nicht?

Ines George: Ein Teil der Mütter sagt, dass sie den Kontakt herstellen, wenn das Kind es möchte. Manche sagen, dass sie erstmal Abstand brauchen, um das Ganze selbst zu verarbeiten. Andere haben das Bedürfnis, das Thema abzuschließen. Die meisten sind jedoch prinzipiell bereit, mit dem Kind in Kontakt zu treten, wenn es seine Herkunft sucht. In unseren Gesprächen legen wir den Grundstein dafür, dass die Mütter offen sind für die Nachfragen der Kinder.

Wie verarbeiten die Mütter die Freigabe des eigenen Kindes?

Irmgard Plappert: Ganz unterschiedlich. Manche holen sich Beratung und Hilfe, andere machen alles mit sich alleine ab. Oft gibt es eine enge Vertraute oder die Eltern, die bei der Verarbeitung helfen. Manchmal ist das Rausgehen aus der Anonymität schon sehr hilfreich. Als Adoptionsvermittlungsstelle bieten wir den Müttern an, dass sie jederzeit zu uns kommen können.

Welche Unterstützung können Sie konkret bieten?

Irmgard Plappert: Die Frauen werden nicht alleine gelassen. Wir sind so lange in Kontakt mit ihnen, wie sie selbst es wünschen. Wir würden beispielsweise gerne einen Gesprächskreis mit abgebenden Müttern gründen, aber so etwas setzt eben noch mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit voraus.

Welche Konsequenzen hat die Freigabe des eigenen Kindes für das weitere Leben der Frauen?

Ines George: Die Frauen, die wir erlebt haben, stehen durchgängig zu ihrer Entscheidung, die primär mit dem Verstand getroffen wird, aber eben auch eine große emotionale Tragweite hat. Und diese ist ein Leben lang präsent. Wie schwer die Frau daran trägt, hängt sicher von der eigenen Geschichte, vom Umfeld und vom persönlichen Reflektionsgrad ab. Das Leben kann auf jeden Fall eine positive Entwicklung nehmen. +++ fuldainfo