Kinderärzte kritisieren zu geringe Impfbereitschaft bei Erwachsenen

Lauterbach fordert besseren Schutz für Kinder

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, sieht mit Blick auf die Schulöffnungen nun Erwachsene am Zug, sich impfen zu lassen. „Auf ihnen liegt die enorme Verantwortung, mit einer Impfung die Menschen zu schützen, die sich nicht schützen können“, sagte er dem „Handelsblatt“. „In der ersten Phase der Pandemie war es umgekehrt – da mussten die Jüngeren viele Entbehrungen in Kauf nehmen, um Ältere zu schützen. Sie müssen sich nun revanchieren.“ Das Impftempo bereite ihm deswegen Sorgen. „Dass die Zahl der Impfungen seit Wochen zurückgeht, finde ich besorgniserregend und ein fatales Signal an die junge Bevölkerung“, sagte er. Unter den vorherrschenden Bedingungen sei ein geregelter Schulstart aber immer noch die bessere Option, als die Schulen geschlossen zu halten. „Es werden sich auch Kinder und Jugendliche in Schulen anstecken“, sagte Dötsch. „Aber das gesundheitliche Risiko einer Infektion ist geringer als jenes durch Erkrankungen wie einer Essstörung und Depression, denen Kindern ausgesetzt sind, die nicht in die Schule können.“ Das Schließen der Schulen könne deswegen nur „Ultima Ratio“ sein, wenn alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens ebenfalls geschlossen werden.

Lauterbach fordert besseren Schutz für Kinder

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach wirft der Politik im Umgang mit Ungeimpften „Kaltherzigkeit“ vor und fordert, vor allem Kinder besser vor steigender Corona-Infektionsgefahr zu schützen. „Die Situation der Kinder besorgt mich derzeit am meisten“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Man müsse davon ausgehen, dass bis zu fünf Prozent der an Covid-19 erkrankten Kinder auch an Long Covid erkrankten, so Lauterbach. „Wir sind kurz davor, ein Massenexperiment an unseren eigenen Kindern zu erleben. Das müssen wir unbedingt verhindern.“ Es fehle derzeit ein bundesweites Konzept, die stark ansteigenden Inzidenzen zu stoppen, so der SPD-Politiker. Werde jetzt nicht schnell gehandelt, drohe „eine Durchseuchung großer Teile der Ungeimpften, einschließlich der Kinder“, sagte Lauterbach. „Die nicht ausgesprochene Strategie in Deutschland lautet: Jeder hat ein Impfangebot bekommen und wer sich nicht impft, ist selbst schuld. Solange die Krankenhäuser nicht überlaufen, können die Ungeimpften so viel infizieren wie sie wollen“, so der Bundestagsabgeordnete. „Es schwingt manchmal sogar etwas Belehrung und Kaltherzigkeit mit.“ Lauterbach kritisierte besonders zu laxe Regelungen an den Schulen. „Es ist falsch, nur die kranken Kinder nach Hause zu schicken“, sagte er. Es sei verständlich, dass man den Schulausfall reduzieren wolle. „Aber wir werden schnell merken, dass sich dies nicht bewähren wird“, warnte der SPD-Politiker. Da noch nicht alle Schulen mit Luftfilteranlagen ausgestattet seien, sei wieder eine Maskenpflicht an Schulen nötig, zudem brauche man viele geimpfte Kinder und strenge Quarantäneregeln. „Wir sollten in der Regel sofort die ganze Klasse in Quarantäne schicken, um die gesunden Kinder zu schützen.“

Das gelte zumindest, wenn wegen schlechten Wetters nicht mehr genug gelüftet werden kann. „Die Inzidenzen werden in Deutschland weiter steigen“, warnte Lauterbach, rechnete aber damit, dass NRW für längere Zeit Spitzenreiter bei den Inzidenzen bleiben wird. „Eine so hohe Inzidenz wie in NRW geht von alleine nicht weg und die Landesregierung müsste ihre Strategie komplett ändern.“ So liege etwa in seinem Wahlkreis in Leverkusen die Inzidenz schon über 200, was tatsächlich bedeute, dass die Inzidenz unter den Ungeimpften nach seinen Berechnungen ungefähr 600 betrage. Grund seien zu schnell gelockerte und unzureichend kontrollierte Corona-Regeln in Nordrhein-Westfalen. Lauterbach plädierte unter anderem dafür, dass getestete Ungeimpfte nur bei ausreichend Platz in Veranstaltungen oder Innengastronomie gelassen werden und bei mangelnden Abständen ausschließlich Geimpfte und Genesene erlaubt sein dürften. Für Unternehmen müsse wieder eine Testpflicht für die Ungeimpften vorgeschrieben werden, forderte Lauterbach. „Das Risiko einer Infektion am Arbeitsplatz ist sehr hoch. Durch verpflichtende Tests könnten wir die Inzidenzen reduzieren und Infektionsketten unterbrechen.“ Eine Vollauslastung in Büros dürfe es nur geben, wenn alle Mitarbeiter geimpft oder genesen sein. +++

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