Wirtschaftsweise in der Kritik

Berlin. Das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (“Wirtschaftsweise”), Isabel Schnabel, hat der Bild-Zeitung ein Interview gegeben. Darin behauptet die Wirtschaftsweise, dass es der deutschen Wirtschaft “relativ gut” gehe, und dass in Krisenländern wie Spanien der Euro-Rettungsschirm “gut funktioniert” habe. Dem widerspricht der Journalist und Ökonom Thorsten Hild in “Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung”.

“Wie kann es einer Wirtschaft „relativ gut“ gehen, die, wie die deutsche, im zweiten Quartal des laufenden Jahres gegenüber Vorjahr nur um 0,8 Prozent zugelegt hat und gegenüber Vorquartal sogar um 0,2 Prozent geschrumpft ist?”, fragt Hild und schussfolgert: “Das geht offensichtlich nur, wenn man die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft mit der noch schwächerer Länder in der Europäischen Währungsunion (EWU) vergleicht – und nicht mit den USA, deren Volkswirtschaft seit geraumer Zeit, unterbrochen nur durch die Entwicklung im ersten Quartal, wesentlich stärker und stabiler wächst als die deutsche.” Schnabel, so Hild weiter, würde natürlich um diesen Sachverhalt wissen. “Ihn anzuerkennen würde aber bedeuten, die von ihr und ihren Kollegen empfohlenen Wirtschaftspolitik grundsätzlich in Frage zu stellen.”

Spanien wiederum, so Hild, sei “im Juni 2012 unter den „Rettungsschirm“ geschlüpft. Die Arbeitslosenquote betrug damals 24,8 Prozent. Im zuletzt vom europäischen Amt für Statistik ausgewiesenen Monat Juli 2014 betrug sie 24,5 Prozent. Wie kann man das ernsthaft als „erfolgreich“ bezeichnen. Es ist ein katastrophales Ergebnis. So katastrophal wie die Deflation, in der Spanien steckt, und die Schnabel verschweigt.”

Kritisch sieht Hild auch Schnabels Einwände gegen den Mindestlohn. Schnabel hatte der “Bild” gesagt: “Die Arbeitslosigkeit wird vermutlich steigen. Ein Risiko besteht insbesondere für die Geringqualifizierten. Ihre Arbeit wird zu teuer. Das trifft vor allem einige Regionen im Osten oder das Ruhrgebiet und kann dort in den kommenden Jahren Arbeitsplätze kosten.“

Hild hält dagegen: “So kann nur jemand argumentieren, der, erstens, den Lohn nur als Kosten- und nicht als Nachfragefaktor begreift, und dem es, zweitens, schnuppe ist, ob die Beschäftigten von ihrem Lohn leben können oder nicht. Dass ein Unternehmen aber am Markt nichts zu suchen haben sollte, das nicht in der Lage ist, existenzsichernde Löhne zu bezahlen, darauf kommt Schnabel nicht. Sie zeigt damit, dass sie die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft nicht verstanden hat oder nicht zu akzeptieren bereit ist.” Hild zitiert in diesem Zusammenhang das ehemalige Mitglied des Sachverständigenrats Claus Köhler. Der hatte jüngst geschrieben: “Zum Thema Mindestlohn vermisse ich in der Diskussion Hinweise, dass die Steuerzahler grundsätzlich insolvente Unternehmen am Leben erhalten. Wenn Unternehmen Löhne zahlen, von denen Arbeitnehmer nicht leben können, sind sie eigentlich insolvent. Sie existieren nur deshalb weiter, weil die Arbeitnehmer Gelder (Steuergelder) aus Nürnberg erhalten.” +++ fuldainfo