Wirklich ein Aprilscherz? Tesla droht der freie Fall

Kommentar - Hans-Robert Richarz

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Fulda. Der große Guru aller Börsenspekulanten, der 1999 verstorbene Ungar André Kostolany, hat eine Fülle von Weisheiten hinterlassen, die auch heute noch gelten. Eine davon lautet: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie man schnell reich wird; ich kann Ihnen aber sagen, wie man schnell arm wird: indem man nämlich versucht, schnell reich zu werden.“ Schnell reich zu werden hofften auch die Aktionäre von Tesla. Erreichte doch zu Spitzenzeiten ein Anteilschein der Elektroautomanufaktur aus Kalifornien an der Börse stolze 387,80 Dollar. Das ist erst knapp ein Jahr her. Von da an ging es allmählich, dann steil bergab.

Im vergangenen Monat schrumpfte der Wert um mehr als 24 Prozent, gingen 13,9 Milliarden Dollar Vermögen der Aktionäre den Bach runter. Behalten namhafte Analysten Recht, ist das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Tesla droht der freie Fall. Nach Meinung des Wertpapier-Analysten David Tamberrino von Goldman Sachs, der renommierten Investment-Bank aus New York, wird es noch erheblich schlimmer kommen. Trifft seine Prognose zu, dann könnten Tesla-Aktien in den nächsten sechs Monaten um weitere 30 Prozent an Wert verlieren.

Zwar eilt Tamberrino an den Börsen der Ruf eines professionellen Schwarzsehers voraus, diesmal allerdings stimmt ihm eine ganze Reihe von Kollegen zu. Einen Schritt weiter geht die US-Bank JP Morgan und sagt der Tesla-Aktie 2018 einen Kursverlust von 40 Prozent voraus. Auch, ob das Unternehmen überhaupt je einen Gewinn ausweisen könne wie er bei anderen Autofirmen gang und gäbe sei, zieht die Bank in Zweifel.

Am düstersten sieht John Tompson, als Chef des Hedgefonds Vilas Capital Management in Chicago mit riskanten Geldanlagen vertraut, die Tesla-Zukunft. Vom amerikanischen Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ ließ er sich Ende März mit den Worten zitieren: „Ich denke, Tesla wird in den nächsten Monaten eine Bruchlandung erleben. Wegen seiner Inkompetenz bei der Herstellung und Auslieferung des Models 3, wegen sinkender Nachfrage nach den Modellen S und X, wegen horrender Finanzen, die eine riesige Kapitalerhöhung erfordern und und und…“ Der Finanzbericht von Tesla sei einer der katastrophalsten, die er je gesehen habe.

Neben einem Schuldenberg, der sich inzwischen auf fast zehn Milliarden Dollar summiert hat, bereitet die Produktion des Mittelklassemodels 3 Probleme, die nur ächzend in Gang kommt. Bereits im Januar musste Elon Musk einräumen, dass er sein Produktionsziel von 5000 Einheiten bis Dezember 2017 um ein halbes Jahr verschieben müsse. Dann stand zu allem Überfluss Ende Februar die Fertigung vom Model 3 für eine komplette Woche still. Ob Musks optimistische Prognosen im Sommer Realität werden, steht in den Sternen.

Hatte der Tesla-Boss in den vergangenen Monaten kein Glück, so kam für ihn nun auch noch Pech hinzu. Am 23. März passierte auf dem Highway 101 zwischen Los Angeles und San Francisco mitten im Silicon Valley ein Unfall mit einem Tesla Model X, bei dem der Fahrer, ein Angestellter des Computergiganten Apple, ums Leben kam. Bei eingeschaltetem Autopilot-Assistenzsystem war das SUV gegen eine Betonplanke gerast, in zwei Teile zerbrochen, seine Batterie in Flammen aufgegangen. Und ob das noch nicht genug gewesen wäre, ereilte Tesla am Osterwochenende die größte Rückrufaktion seiner Geschichte. 120 000 Model S-Exemplare müssen weltweit in die Werkstatt, weil bei kaltem Wetter Schrauben an der Servolenkung rosten könnten. Die Teile stammten vom deutschen Zulieferer Bosch. Beides lässt für Teslas Börsenwert nichts Gutes erwarten.

Bislang begegnete Musk schlechten Nachrichten gewohnheitsmäßig mit spektakulären Aktionen oder vollmundigen Versprechungen. Als die Schwierigkeiten rund um Model 3 zum ersten Mal ruchbar wurden, verkündete er seinen andächtig lauschenden Fans für die baldige Zukunft nicht nur einen elektrisch angetriebenen Sattelschlepper mit einer Reichweite von über 800 Kilometern, der leer von Null auf 100 km/h in fünf Sekunden beschleunigen könne und mit 36 Tonnen Nutzlast dafür nur 20 Sekunden benötige. Außerdem sei eine Neuauflage des Roadsters mit einer sagenhaften Beschleunigung von 1,9 Sekunden auf 100 km/h in Planung.

Beide Fahrzeuge will Musk als Kapitalbeschaffungsinstrument benutzen. Wer jetzt bei ihm einen Laster ordert, der 2019 in Produktion gehen soll, muss 5000 Dollar Vorkasse leisten. Der Roadster ist etwas teurer: Tesla „vergibt“ nur 1000 Reservierungen für das Fahrzeug, und jeder Käufer muss den vollen Preis von 250 000 US-Dollar zahlen, um seinen Platz zu reservieren. Bei Modell 3 funktionierte dieses Finanzierungskonzept schon einmal. 500 000 Kunden überwiesen gleichzeitig mit ihrer Bestellung für das Auto 1000 Dollar. Für Musk bedeutete das nicht mehr und nicht weniger als eine halbe Milliarde Dollar an zinslosem Kredit.

Als schließlich Diskussion und Durcheinander rund um das Model 3 anhielten, fiel Musk wiederum ein probates Mittel zur Ablenkung ein. Mit einer Falcon Heavy-Rakete seines Weltraumunternehmens Space X beförderte er seinen eigenen roten Tesla-Sportwagen ins All – mit eingeschaltetem Radio. „Es ist ein kindischer Spaß, aber kindische Späße sind wichtig“, gab er anschließend zu.

Doch solche Späße scheinen ihm wichtig zu sein. Am 1. April trieb er mit Entsetzen Scherz und gab den Schelm. Um 12.00 Uhr kalifornischer Zeit spannte er seine Fans auf die Folter und gab knapp auf Twitter bekannt: „Wichtige Nachrichten in ein paar Stunden.“ Am Spätnachmittag meldete er sich dann erneut auf Twitter und schrieb (frei übersetzt): „Wir haben alles versucht, Geld aufzutreiben, aber auch der massenhafte Verkauf von Ostereiern als letzter Versuch ist fehlgeschlagen. Wir müssen daher leider mitteilen, dass Tesla absolut pleite ist. So bankrott, dass es kaum zu glauben ist.“ Dazu postete er ein Foto, das ihn mit geschlossenen Augen zerknirscht am Boden liegend zeigte.

Die Strafe für diesen fragwürdigen Aprilscherz folgte am Ostermontag, der in den USA kein Feiertag ist. Die Tesla-Aktie kostete an der New Yorker Börse eine Zeit lang weitere acht Prozent weniger und war kurz vor Börsenschluss für 252,90 Dollar zu haben – ein Absturz um etwa fünf Prozent. Wie sagte doch gleich André Kostolany? „Was wäre die Börse ohne Narren?!“ +++ ampnet/hrr