Von wegen Panama – Reden wir über Fulda

In der Partnerstadt von Wilmington/Delaware weiß man, wie eine lukrative Pleite organisiert wird

Hans-Dieter Alt

Fulda. Führende Medien prangern derzeit Panama an. Warum das große Spektakel für diesen Standort? Nach dem Umfang der versteckten Vermögen, rangiert das mittelamerikanische Land weit hinter anderen „Steueroasen“, wie z. B. Wilmington. Die Stadt im US-Bundesstaat Delaware gilt als größter „Finanzplatz“ dieser Art und deren Einfluss reicht bis in die deutsche Provinz hinein.

Am 18. April 1997 wurde die Städtepartnerschaft zwischen Fulda und Wilmington begründet. Zum Antrittsbesuch reisten der damalige Oberbürgermeister nebst Gattin, der Vorsteher der Stadtsparkasse und Stadtverordnete in die Partnerstadt. Danach besuchte der US-Generalkonsul H.G. Hamilton den Oberbürgermeister. Der lobte: Ein Standortvorteil für Fulda sei „die emotionale Seite der Einheimischen, die Amerikanern gegenüber besonders aufgeschlossen“ seien, seit man damals, nahe an der DDR-Grenze, dem Feind gemeinsam gegenübergestanden habe.

Seitdem greifen Unternehmer auf Angebote der Partnerstadt zu. Zum Beispiel Peter Leibold. Der war Anzeigenleiter der Fuldaer Zeitung, hatte dann in Thüringen mit Zeitungsprojekten Schiffbruch erlitten. Leibold wollte ein neues Unternehmen gründen, aber es fehlte das Geld. Er griff zu einer beliebten Methode: Ein „Investor“ schönte sein Projekt auf „Nachhaltigkeit“ und warb um „ökologisch orientierte“ Anleger. Prokon machte das mit Windkraft, Solar Millenium setzte auf Sonnenenergie. Leibold verfiel auf Holzpellets. Das sind gepresste runde kleine Stücke aus Sägemehl und Holzabfällen, die als alternatives Heizmaterial dienen.

12.000 Anleger

Bei 12.000 privaten Anlegern sammelte Leibold 250 Millionen Euro ein. Die Anleger erwarben keine Aktien, sondern Anleihen und Genussrechte – verzichteten somit auf Stimmrechte. Leibold bot verführerische 7,25 Prozent Ausschüttung pro Jahr und wies im 274-seitigen Wertpapierprospekt durchaus auf das Risiko des Totalverlusts hin. Aber er konnte darauf setzen, dass die meisten Ökos dem Versprechen auf leichten Gewinn und naturfreundliche Nachhaltigkeit verfallen.

Aktion 200000

Ab 2005 baute Leibold zunächst in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, dann in Österreich und den USA, ein Imperium aus über 30 Einzelfirmen zusammen: German Pellets GmbH, German Pellets Supply, German Pellets Service, German Pellets Texas, German Pellets Louisiana usw. mit insgesamt 650 Beschäftigten an 15 Standorten. Überall setzte er auf staatliche Zuschüsse. 60 Prozent der Mutterfirma German Pellets GmbH gehören Leibold, 40 Prozent seiner Ehefrau. Das Unternehmen wuchs. Laut letzter Bilanz 2014 wurden knapp 600 Millionen Euro umgesetzt. Im Februar 2016 erklärte das Unternehmen plötzlich die Zahlungsunfähigkeit – Schuldenstand 443 Millionen Euro. Das Amtsgericht Wismar setzte eine Insolvenzverwalterin ein.

Weg in die Pleite

Einen Betriebsrat gibt es nirgends im Unternehmen. Dafür einige Helfer und Briefkastenfirmen. Der Fuldaer CDU-Stadtverordnete Hans-Dieter Alt ist Wirtschaftsprüfer sowie Steuerberater und fungiert auch als Kassierer im Verein der Städtepartnerschaft. Alt testierte von Anfang bis Ende die Bilanzen von German Pellets und beriet die Kapitalgesellschaft in Steuerfragen. Er verdiente 3,1 Millionen Euro, was bei einem Unternehmen dieser Größe sehr üppig ist. Er betreut auch die Firma German Pellets Wings, die Eigentümerin von Leibolds Privatflugzeug. Alt ist zugleich im Vorstand der PELE-Stiftung, die in der Stiftungsoase Österreich ihren Sitz hat. Sie hat in der handelsgerichtlich eingetragenen Adresse Wien, Tegetthoffstraße 7, weder Briefkasten noch Klingelschild noch sonst ein sichtbares Zeichen ihrer Existenz. Alt muss dennoch Großes geleistet haben: 2015 verlieh ihm Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz am Bande, rechtzeitig noch vor der Pleite. Vorstandsmitglieder von PELE sind ebenfalls der Geschäftsführer von German Pellets Austria und ein Anwalt der US-Kanzlei Orrick in Düsseldorf, der Leibold beim Verkauf der Anleihen an die Anleger beraten hatte. Die wirtschaftlich Begünstigte der Stiftung, ist laut jungeWelt, Leibolds Ehefrau.

Wie sich bei der Insolvenz herausstellte, hat German Pellets durch Hin- und Herverkäufe zwischen Tochterunternehmen die Bilanz aufgebläht. Die Leibolds gewährten sich zudem aus dem Unternehmen einen Privatkredit über 4,5 Millionen Euro. Über die Stiftung in Wien wurden etwa 150 Millionen Euro als Kredite an die beiden US-Töchter in Texas und Louisiana verschoben. Deren Inhaberin ist wiederum Leibolds Ehefrau. Damit hatten die beiden Firmen Sicherheiten, um weitere 540 Millionen Dollar an Krediten aufzunehmen. German Pellets nutzte auch Briefkastenfirmen in Wilmington: German Pellets Holding USA, German Pellets Holding USA III, German Pellets Holding USA IV, German Pellets Logistics USA. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Rostock gegen Alt wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, gegen Leibold wegen Insolvenzverschleppung, Unterschlagung von Warenbeständen und Untreue.

Viele Medien berichteten ausführlich über die Insolvenz. Sie bedauerten die getäuschten Anleger, die wohl leer ausgehen. Die Finanzoase Wilmington erwähnten sie mit keinem Wort. +++ fuldainfo | Von Werner Rügemer

Wilmington Trust

Der größte Vermittler und Betreiber von juristischen Unternehmenseinheiten in Wilmington ist der Wilmington Trust. Er wurde 1903 als Hausbank des in der Stadt ansässigen, international aufstrebenden Chemiekonzerns DuPont (Sprengstoffe für die US-Armee, Chemikalien) gegründet. Für die Betreuung von einheimischen Banken und Konzernen unterhält der Trust Filialen in New York, Los Angeles und weiteren US-Städten. Zum Trust gehören auch Niederlassungen in London, Frankfurt am Main und in den wichtigsten anderen Finanzoasen: in Luxemburg, den Niederlanden, auf den Cayman Islands, den britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey sowie in Dublin. Für die Kunden kann der Trust zur weiteren Verschleierung der Besitzverhältnisse Untereinheiten der Special purpose entities (Spezielle Zweckgesellschaften; SPEs) oder auch Versteckkaskaden einrichten: Eine SPE, die in Delaware registriert ist, kann auch Eigentümer einer Briefkastenfirma in den Niederlanden oder anderswo werden. Diese Parallelfinanzwelt wurde seit dem Zweiten Weltkrieg zu einem integralen Teil der Weltwirtschaft gemacht. Der Trust richtete in den 1990er Jahren SPEs für europäische Städte ein, die ihre Kanalisationen und Messehallen an spekulierende und steuersparende US-Investoren verkauften („Cross border leasing“). Die Europäische Union beauftragte 2015 den Trust, das „Rettungsprogramm“ für Griechenland abzuwickeln: Er kontrolliert über seine Filiale London die Zahlungen des überschuldeten Staates an seine Gläubiger.