Der Arbeitskreis „Steuerschätzung“ schraubt seine Erwartungen erneut kräftig nach unten. Für das laufende Jahr 2024 rechnen die Experten des Gremiums nun nur noch mit einem Volumen von 941,6 Milliarden Euro aus dem gesamten Steueraufkommen für Bund, Länder, Gemeinden und EU-Steuern, und damit noch einmal knapp neun Milliarden Euro weniger als noch in der Mai-Schätzung erwartet.
Auch in den weiteren Jahren sind laut des Schätzergremiums konstant weniger Einnahmen zu erwarten als im Frühjahr prognostiziert. So sollen Bund, Ländern und Gemeinden von 2024 bis 2028 insgesamt gut 38 Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen zur Verfügung stehen, zusätzlich sollen auch die EU-Steuern im gleichen Zeitraum um 20 Milliarden Euro niedriger ausfallen. Im Durchschnitt ergeben sich so jährlich 11,6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als im Mai noch kalkuliert.
„Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Steuereinnahmen stetig sprudeln“, kommentierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) von New York aus die Ergebnisse der Steuerschätzung. „Neue Spielräume im Haushalt ergeben sich nicht, im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein.“
Mützenich pocht nach Steuerschätzung auf Investitionen
In der SPD wächst nach der ernüchternden Steuerschätzung der Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD), sich im Haushaltsstreit gegen Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchzusetzen und ein Lockern der Schuldenbremse zu erreichen. Der starre Blick auf die Frage der Schulden entpuppe sich als Wachstumsbremse, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf die niedrigeren Steuereinnahmen und damit neue Löcher im Bundeshaushalt für das kommende Jahr.
Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) sei da weiter als der deutsche Finanzminister. Dieser empfehle mehr staatliche Investitionen in Deutschland und sehe in Lindners Art der Haushaltskonsolidierung „ein gravierendes Problem für die deutsche Wirtschaft“, sagte Mützenich.
Es sei angesichts der konjunkturellen Lage notwendig, dass der Bundeskanzler noch in diesem Monat die wichtigsten Akteure der deutschen Industrie einlade, um über weitere Maßnahmen zu beraten. „Wir werden alles daransetzen, um Deutschland mit klugen Investitionen wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zu bringen“, kündigte Mützenich an. „Olaf Scholz muss diese Fragen weiterhin und noch deutlicher zur Chefsache machen.“
Nach der Steuerschätzung und den jüngsten diversen Konjunkturprognosen könne niemand mehr behaupten, dass Deutschland die Talsohle bereits durchschritten habe. „Neben den strukturellen Ursachen unseres exportorientierten Landes leidet unsere Wirtschaft unter bürokratischen Hemmnissen und vor allem unter zu geringen wachstumsfördernden Investitionen aller staatlichen Ebenen. Und in der Folge sinken auch die Steuereinnahmen, die uns wiederum für Investitionen fehlen. Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen.“
Mützenich hatte schon bei Vorlage des Haushaltsplans im Juli, der dann nochmal korrigiert wurde und nun erneut angepasst werden muss, erklärt, dass für ihn ein Notlagenbeschluss auf dem Tisch bleibe. Er könne sich vorstellen, sämtliche Kosten für die Ukraine-Unterstützung von der Schuldenbremse auszuklammern und so Spielräume an anderer Stelle zu schaffen.
In der SPD wächst die Sorge, dass ohne mehr Investitionen ausgerechnet im Bundestagswahljahr weitere Jobs in der Industrie und anderen Wirtschaftszweigen verloren gehen und die Zahl der Arbeitslosen wachsen könnte. Daher soll eine stärkere investive Industriepolitik und das Kämpfen um die Arbeitsplätze in den Fokus der Kanzlerpartei rücken. Zugleich stemmt man sich gegen Sozialkürzungen, mit denen durch Einsparungen neue Spielräume geschaffen werden sollen. +++
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