Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert mehr Anerkennung für die Soldaten der Bundeswehr. Sie seien „unsere Mitbürger, unsere Nachbarn, unsere Freunde“, sagte er am Mittwoch beim Abschlussappell zur Würdigung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr. „Sie sind Staatsbürger in Uniform – und die Geschichten der Bundeswehr sind unsere Geschichten.“ Sie verdienten gehört zu werden. Aufseiten der Truppe sieht das Staatsoberhaupt keine Fehler bei dem jahrelangen Militäreinsatz. Die deutschen Soldaten hätten „ohne Zweifel, ohne Wenn und Aber“ ihren Auftrag erfüllt. „76 Kontingente, mit unterschiedlichsten Mandaten und einer ständig an die Lage angepassten Mission: Die Bundeswehr hat all das ausgeführt, was ihr die Politik aufgetragen hat“.
Auf die Bundeswehr sei Verlass. Zwanzig Jahre nach dem 11. September und zwei Monate nach dem Fall von Kabul stellten viele Veteranen jetzt Fragen nach dem Sinn des Einsatzes, so Steinmeier weiter. „Es sind schwierige Fragen, bittere Fragen. Sie richten sich an das Parlament und an die Regierungen, die die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt haben.“ Die Veteranen von Afghanistan, aber auch die Bürger erwarteten Antworten. „Diese Antworten sind wir, ist die Politik Ihnen schuldig – und sie sollten nicht in erster Linie schnell, sondern ehrlich und gründlich und auch gemeinsam mit unseren Bündnispartnern erfolgen“, so Steinmeier. Deutschland verdiene eine Sicherheitspolitik, die Lehren aus zwanzig Jahren Afghanistan ziehe. „Das ist eine Aufgabe, die weit über diese Wochen hinausreicht – es ist Aufgabe für eine neue Bundesregierung und den neuen Bundestag, der sich in diesem Monat konstituieren wird.“ Auch er selbst habe von Anfang an und über eine lange Zeit seinen Teil Verantwortung getragen für den Einsatz in Afghanistan, als Abgeordneter und als Mitglied von Regierungen, stellte der Bundespräsident klar. „Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass wir in all den Jahren alles richtig gemacht haben.“ Zugleich sagte er, dass die deutsche Politik es sich mit Afghanistan „nie leicht gemacht“ habe – in keiner Partei und keiner Konstellation. Höhere Investitionen in die Armee hält Steinmeier für richtig: „In diesen instabilen Zeiten investiert Deutschland mehr in seine Verteidigung – und das ist richtig so.“ Die Bundeswehr brauche gute Ausrüstung und funktionierende Strukturen, weil Deutschland funktionierende Streitkräfte brauche. „Unsere Partner erwarten das, und unsere Armee verdient es.“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat den für Mittwochnachmittag geplanten Gedenkakt für die Soldaten des beendeten Afghanistan-Einsatzes verteidigt. „Ich finde es genau richtig, dass der Große Zapfenstreich heute stattfindet“, sagte Klingbeil den Sendern RTL und n-tv. Es gehe darum, den Soldaten Danke zu sagen für das, was sie geleistet haben. „Es sind 59 Soldaten gefallen in Afghanistan, an die muss erinnert werden“, so Klingbeil. Zudem sei der Ausgangspunkt für den Großen Zapfenstreich der gewesen, dass bei der Rückkehr der Soldaten aus Afghanistan „niemand am Flughafen war und sie abgeholt hat in Wunstorf“. Das sei „ein Tiefpunkt dieses Einsatzes“ gewesen. „Deswegen ist es gut, dass das heute stattfindet“, so der SPD-Politiker.
Der Bund Deutscher Einsatzveteranen hat die für Mittwochnachmittag geplante Zeremonie zum Ende des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr begrüßt. „Viele benutzen diesen Anlass dazu, selbst mit ihren Einsatzerlebnissen emotional und inhaltlich abzuschließen“, sagte Verbandschef Bernhard Drescher „MDR Aktuell“. Man freue sich sehr, dass die Zeremonie doch noch stattfinde, auch wenn ein „bitterer Nachgeschmack“ bleibe. Für die Zukunft fordert Drescher die Etablierung eines „Veteranentags“. Die Politik rief er in diesem Zusammenhang auf, positive Signale in die Gesellschaft zu senden zum Thema Wertschätzung der Bundeswehr. Man müsse der Gesellschaft aber auch klarmachen, wofür die Bundeswehr eigentlich da sei: „Sie ist im Kern nämlich nicht zum Brunnenbohren da, sondern um zu töten, zu kämpfen und gegebenenfalls verwundet und getötet zu werden.“ Das sei die „bittere Wahrheit“. Erst dann mache es Sinn, an Gedenkkulturen oder einen Veteranentag zu denken. D er Große Zapfenstreich zur Würdigung des deutschen Afghanistan-Einsatzes findet am Mittwochabend statt. Teilnehmen werden unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Bereits um 13 Uhr ist eine Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr geplant, um 14:30 Uhr soll der zentrale Abschlussappell folgen.
Trotz vielfältiger Proteste gegen das Ritual des Großen Zapfenstreiches will die Verteidigungsministerin daran festhalten und heute in Berlin erneut einen Großen Zapfenstreich veranstalten. Geehrt werden sollen die aus Afghanistan heimgekehrten Soldatinnen und Soldaten. Rund 200 Personen und 24 Organisationen aus der Friedensbewegung hatten gegen den Zapfenstreich, der ursprünglich für den 31. August vorgesehen war, mit einem Appell Protest erhoben und die Absage gefordert. „Mit dem Appell zur Absage des geplanten Großen Zapfenstreiches in Berlin wollen wir die Diskussion über die Abschaffung des Großen Zapfenstreiches neu anstoßen. Wir appellieren auch an die Leitenden der Kirchen sich gegen dieses Ritual zu positionieren. Militärseelsorger und kirchliche Würdenträger sollten der Feier fernbleiben, sofern die Regierung an der Form dieses Rituals festhält,“ empfiehlt der pax christi-Bundesvorsitzende Gerold König. Die Unterzeichnenden des Appells kritisieren vor allem das gewaltverharmlosende und die christliche Botschaft instrumentalisierende Ritual. Sie bezeichnen es als blasphemisch, „Helm ab zum Gebet“ zu befehlen, dann den Choral „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart“ zu intonieren und anschließend die Präsentation der Gewehre zu befehlen. Ein solches Ritual dürfe im weltanschaulich neutralen Staat nicht veranstaltet werden, so die Koordinatoren des Appells, zumal sich Jesus von Nazareth mit seinem ganzen Leben für die Botschaft der Gewaltlosigkeit eingesetzt habe. „Wir sagen Ja zu einem weltanschaulich neutral gestaltetes Gedenken. Dieses darf sich allerdings nicht nur – wie geplant – auf die gefallenen deutschen Soldatinnen und Soldaten beziehen, sondern muss alle Opfer des sinnlosen Afghanistan-Krieges einschließen,“ fordert Martin Singe, der Koordinator des Appells aus der pax christi-Gruppe Bonn und betont: „Es muss auch daran erinnert werden, dass auf Befehl eines deutschen Obersts allein in Kundus im September 2009 etwa 140 Zivilistinnen und Zivilisten durch einen Bombenangriff getötet wurden.“ Die bisherigen Reaktionen auf den Appell seitens der Bundeswehr und seitens kirchlicher Vertreter werten die Appell-Koordinatoren als völlig unzureichend und dem Kern der Kritik ausweichend.