Städtebund will mehr Videoüberwachung und weniger Datenschutz

Ich will keine Massenüberwachung

Videoüberwachung

Berlin. Nach der Feuerattacke gegen einen Obdachlosen in einem Berliner U-Bahnhof und der erfolgreichen Täterfahndung mit Bildern aus Überwachungskameras hat sich der Städte- und Gemeindebund für mehr Videoüberwachung und weniger Datenschutz ausgesprochen: „Derzeit wird in Deutschland vieles, was möglich wäre, mit Hinweis auf den Datenschutz verhindert. Die strengen Datenschutzregelungen müssen dringend abgebaut werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der „Welt“. Dem Schutz der Allgemeinheit sei Vorrang vor dem Schutz der informationellen Selbstbestimmungsfreiheit einzuräumen. „Wir müssen aufpassen, dass aus berechtigtem Datenschutz kein unbeabsichtigter Täterschutz wird.“

Weil das Sicherheitsbedürfnis wegen der erhöhten Terrorgefahr und der steigenden Alltags- und Hasskriminalität deutlich zunehme, gewinne die Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr und anderen zentralen Orten an Bedeutung. Landsberg hält zudem längere Löschfristen für erforderlich, um belastbares Material zur Verfolgung der Täter verwerten zu können. „Eine 24-Stunden- oder 48-Stunden-Frist, nach der die mit der Videoüberwachung aufgezeichneten Bilder wieder gelöscht werden müssen, reicht nicht aus, um angemessen reagieren zu können. Die Löschfristen sollten mindestens zwei Monate betragen.“ Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der Zeitung, der Einsatz von Videotechnik sei „zwar keine Wunderwaffe“, könne jedoch „einen wichtigen Beitrag zur Prävention, aber auch zur Aufklärung von Taten und Überführung von Tätern leisten – nicht flächendeckend, sondern gezielt an Gefahrenschwerpunkten“ Der rot-rot-grüne Berliner Senat möchte die Videoüberwachung vorerst nicht ausweiten.

Dem widersprach jetzt der Berliner SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber: „Ich will keine Massenüberwachung wie in Großbritannien, aber Berlin braucht dringend Kameras an besonders kriminalitätsbelasteten Orten wie dem Alexanderplatz und dem Kottbusser Tor.“ Es sei für die Koalition besser, sie beschließe die „Ausweitung der Überwachung im neuen Jahr selbst, als wenn sie durch weitere schreckliche Gewalttaten und darauf folgenden öffentlichen Druck dazu getrieben“ werde. Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz nannte Videoüberwachung an „besonders gefährdeten Orten“ sinnvoll. „Dazu können auch Weihnachtsmärkte gehören“, sagte der Grünen-Politiker der Zeitung. Klar müsse sein, dass Kameras Verbrechen nur aufzeichneten, nicht aber verhinderten. „Dass es in jüngster Zeit Fahndungserfolge gegeben hat, zeigt, dass ein verhältnismäßiger Videoeinsatz bei der Verbrechensaufklärung helfen kann. Eine vollständige Beseitigung der Privatsphäre im öffentlichen Raum ist in Rechtsstaaten aus guten Gründen nicht möglich.“

CSU-Innenminister auch für mehr Videoüberwachung

Der CSU-Politiker Joachim Herrmann hat sich dafür ausgesprochen, öffentliche Plätze stärker mit Kameras überwachen zu lassen – obwohl der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bereits davor gewarnt hat. „Wir brauchen mehr Videoüberwachung an den Orten, an denen besondere Sicherheitsgefahren bestehen, sei es durch mögliche Terror-Anschläge oder Kriminelle wie organisierte Taschendieb-Banden“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der „Bild“-Zeitung. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat sich unterdessen dagegen ausgesprochen, Videoüberwachung flächendeckend auszuweiten. Videoüberwachung sei kein Instrument, das überall die gewünschten Ergebnisse bringe, sagte Schaar am Dienstag im rbb-Inforadio. Bei der Terrorbekämpfung könne sie sogar schädlich sein. „Selbstmordattentäter legen es darauf an, Bilder zu produzieren. Diese Bilder werden dann von den Medien aufgegriffen und erzeugen Angst, das ist genau im Interesse der Terroristen. Man spielt ihnen also in gewisser Weise in die Hände.“ Man müsse genau hinschauen, wo eine Überwachung Sinn macht. Sie sei vor allem dort sinnvoll, wo besondere Gefährdungssituationen bestehen, so Schaar. Da gehörten Weihnachtsmärkte dazu, da stehe auch der Datenschutz überhaupt nicht dagegen. Die Überwachung müsse aber auch effektiv sein. „Da muss es Monitore geben, wo auch tatsächlich jemand drauf guckt, wenn eine Straftat passiert, dann muss diese Aufnahme auch schnell verfügbar sein. Das alles kostet eine Menge Geld und Personal.“ Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sieht die Stärke der Videoüberwachung ebenfalls in der Verbrechensaufklärung. Er sagte gegenüber „Bild“: „Die schnelle Aufklärung des U-Bahn-Falles in Berlin zeigt nochmal deutlich, wie wichtig Videoüberwachung zur Aufklärung von schweren Straftaten ist.“ +++

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