SPD und Verbraucherschützer kritisieren Bärs Datenschutz-Vorstoß

Datenschützer warnen vor weniger Datenschutz für Patienten

Dorothee Bär (CSU)

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) stößt mit ihrer Forderung nach Abstrichen beim Datenschutz, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben, auf scharfe Kritik bei der SPD und Verbraucherschützern. Bär ziele mit ihrer Forderung in die falsche Richtung, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, dem „Handelsblatt“. „Eine Lösung, die mit Abstrichen beim Datenschutz daherkäme, würde bei Versicherten sicher auf große Akzeptanzprobleme stoßen.“

Statt weniger Datenschutz müsse „der Druck auf die Akteure im Gesundheitswesen deutlich erhöht werden, endlich an einem Strang zu ziehen“, forderte Zimmermann. Das sei die Aufgabe von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Ich bin mir sicher, er wird sich den Themen in seinem Ministerium im neuen Jahr mit voller Aufmerksamkeit widmen.“ Denn es sei wichtig, endlich mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzukommen. „Ohne nutzerfreundliche Angebote für alle Versicherten laufen wir Gefahr, dass sich kommerzielle Anbieter breitmachen und den Markt besetzen.“ Auch Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller, kritisierte den Vorstoß der Staatsministerin scharf. „Frau Bär irrt, wenn sie mit Datenschutz-Bashing glaubt, der elektronischen Patientenakte einen Dienst zu erweisen“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) der Zeitung. „E-Health Angebote müssen den Patienten nutzen und dafür sind Datenschutz und -sicherheit wichtige Voraussetzungen und kein Hemmschuh.“

Datenschützer warnen vor weniger Datenschutz für Patienten

„Die Patientinnen und Patienten wollen sichere Lösungen, dazu gehört immer auch der Datenschutz“, sagte der neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, der Zeitung. „Es ist nicht in Ordnung, wenn eine Vertreterin der Bundesregierung erneut ohne jeden Beleg versucht, dem Datenschutz den Schwarzen Peter für gescheiterte oder verzögerte IT-Projekte zuzuschieben“, fügte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete hinzu. „Das erleichtert Ausreden der Verantwortlichen und schürt Misstrauen bei den Patientinnen und Patienten gegenüber kommenden Lösungen.“ Auch der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar wies Bärs Vorstoß zurück. „Datenschutz und Datensicherheit müssen integraler Teil der Digitalisierungsstrategie sein. Das gilt gerade im Gesundheitsbereich“, sagte Caspar der Zeitung. „Es geht hier doch nicht um mehr Fremdüberwachung und Kommerzialisierung gesundheitsrelevanter Lebensbereiche, sondern um mehr Transparenz und Selbstbestimmung von Patienten.“ Dessen ungeachtet sei die Digitalisierung der Patientendaten die „technologisch adäquate Antwort für ein effektives und effizientes System der Gesundheitsversorgung“, sagte Caspar weiter. Die Automatisierung der Verarbeitung potenziere jedoch die Gefahren im Umgang mit Gesundheitsdaten. „Digitalisierung ohne Datenschutz ist hier daher absolut anachronistisch“, so Caspar. „Die elektronische Gesundheitsakte wird weder bei Patienten noch bei Leistungserbringern Akzeptanz finden, werden Datenschutz und Datensicherheit bei derartigen Lösungen hinten angestellt.“ Das zeige sich gerade an der Diskussion um die „massiv“ in die Kritik geratene Gesundheits-App Vivy. Vivy war im September an den Start gegangen. Über die Plattform können Patienten Befunde, Laborwerte und Röntgenbilder speichern und mit Ärzten teilen. Mehrere private und gesetzliche Krankenkassen bieten die digitale Akte ihren Kunden an – sie haben insgesamt rund 13,5 Millionen Versicherte. Einem Sicherheitsunternehmen war es gelungen, die Verschlüsselung der Plattform auszuhebeln. Inzwischen sollen die Sicherheitsmängel nach Angaben der App-Betreiber beseitigt sein. +++

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