Bundestagsabgeordnete von SPD und CDU rechnen mit einer Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei der Stichwahl am Sonntag und befürchten eine Verschlechterung des bilateralen Verhältnisses. „Es sieht danach aus, dass Erdogans Taktik, seine Gegner zu diffamieren, am Ende Früchte trägt und er die Wahl gewinnen wird“, sagte der Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft, Macit Karaahmetoglu (SPD), den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“.
Auch die CDU-Abgeordnete Serap Güler sagte dem RND: „Ich gehe davon aus, dass Erdogan die Stichwahl für sich entscheiden wird.“ Sowohl Karaahmetoglu als auch Güler sehen bei einer Wiederwahl Erdogans keine Alternative zu einer Zusammenarbeit mit der Türkei. „Man müsste sich zunächst einmal anschauen, ob Erdogan – wie nach jeder gewonnenen Wahl – noch radikaler und autokratischer in seinem Handeln wird“, sagte Karaahmetoglu. „Sollte dies der Fall sein, würden die türkisch-deutschen und türkisch-europäischen Beziehungen ganz sicher nicht besser werden.“ Auch unter Erdogan werde Deutschland die Türkei als wichtige geostrategische Akteurin der Region aber nicht ignorieren oder isolieren können. „Deutschland wird sich weiter mit der Führung des Landes – so schwierig diese auch in ihrem Handeln sein mag – arrangieren müssen.“ Güler sagte: „Wir dürfen die Türkei nicht verprellen, auch mit Erdogan nicht.“ Die Beziehung zwischen beiden Ländern würde im Fall seiner Wiederwahl nicht einfacher werden. „Sie ist aber wichtig, aus wirtschafts- und sicherheitspolitischen Gründen genauso wie aufgrund der Tatsache, dass viele Türkeistämmige bei uns leben. Was wir brauchen, ist eine Strategie, wie wir die Türkei wieder stärker an den Westen rücken und genauso wichtig: Welche Türkei-Strategie haben wir nach Erdogan.“ Darüber werde viel zu wenig geredet. Nach der türkischen Verfassung darf Erdogan bei dieser Wahl zum letzten Mal für eine fünfjährige Amtszeit als Präsident antreten.
Unterdessen stößt der Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu mit seiner Kampagne gegen Flüchtlinge im Land auf scharfe Kritik in den eigenen Reihen. „Kilicdaroglu hat die gefährliche Sprache der Ultranationalisten übernommen“, sagte der Parlamentsabgeordnete Mustafa Yeneroglu. Kilicdaroglus Partei CHP versuche seit der ersten Wahlrunde vor knapp zwei Wochen, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit rechtspopulistischen Parolen Stimmen abzuringen. „Ich bin nicht nur inhaltlich nicht damit einverstanden, sondern sehe auch, dass viele weitere Demokraten entsetzt sind.“ Yeneroglu gehört der Deva-Partei an. Sie ist Teil eines Sechs-Parteien-Bündnisses, das CHP-Chef Kilicdaroglu als gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hat. Bei der ersten Wahlrunde am 14. Mai hatte Erdogan die erforderliche absolute Mehrheit knapp verfehlt. Yeneroglu sagte, Kilicdaroglus neue Kampagne erinnere ihn an „Türken raus“-Forderungen während seiner Kindheit in Köln. Der Parlamentarier zeigte sich entsetzt über die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in der Türkei. „Es gibt täglich Angriffe auf Flüchtlinge oder ausländische Studenten. Leider ist das den meisten Menschen egal“, sagte er dem RND. „Die Massen stimmen menschenfeindlichen Parolen in den sozialen Netzwerken zu, nur noch wenige Menschen kämpfen dagegen an.“ Yeneroglu sagte, er werde bei der Stichwahl am Sonntag dennoch Kilicdaroglu wählen. „Das Land steht vor gewaltigen Herausforderungen. Nur mit einem Wechsel gibt es eine Chance für eine bessere, vor allem für eine demokratische Zukunft.“ +++